SLIME, 27.10.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Die Hamburger Punk-Band SLIME live, Im Wizemann, 27.10.2023
Foto: X-tof Hoyer

Erzähl Du mir nix von Punkrock, den Scheiß will keiner hörn!

– das würde ich bei den Hamburger Punk-Ikonen Slime auch nie wagen. Vielmehr bin ich vor Ort, um meine Punkrock-Hausaufgaben zu machen, denn Slime habe ich tatsächlich noch nie gesehen. Obwohl ich alt genug für alle drei Inkarnationen der Band zu sein scheine: die legendäre aus den 80ern, die politische aus den 90ern und die aktuelle seit 2009. 

Anfangs halte ich den Veranstaltungsort für etwas unglücklich gewählt, nach dem Konzert vor 500 Menschen im Club des Wizemann spielt es aber keine Rolle mehr, dass wir nicht im Jugendhaus Hallschlag sind – denn Bierpfützen sehen halt überall gleich aus.

Die Hamburger Punk-Band SLIME live, Im Wizemann, 27.10.2023
Foto: X-tof Hoyer

Vorab als potenzielles Manko gehandelt: Die langjährige Stimme der Band hat sich kürzlich verabschiedet. Kann es Slime ohne Dirk „Diggen“ Jora geben? Ersetzt wurde er durch den einst wohnungslosen Straßenmusiker Tex Brasket – ohne Bandvergangenheit und ein ganz anderer Typ, eine andere Generation und auch stimmlich null Ähnlichkeit. So viel kann ich vorwegnehmen: Es ging sogar sehr gut. Der Typ ist ein cooler und kraftvoller Performer, bringt seine Message gut rüber und verleiht der doch ein wenig angegrauten Band neue Impulse. Ob das alle im Publikum so sehen, kann ich nicht sagen – mein Eindruck ist aber rundum positiv und die Stimmung allgemein euphorisch.

Doch zurück zum Anfang: Der Abend in der sehr gut besuchten Halle wird von der Band Erection aus Regensburg erfreulich schwungvoll eröffnet. Sie sehen gut aus und spielen druckvollen Punk’n’Roll – inklusive Mitsingen und Pogen, eine reife Leistung!

Die Regensburger Punk-Band Erection live im Wizemann, 27.10.2023
Foto: X-tof Hoyer

Slime erweisen sich als aufgeräumte Best Ager mit knackigem Sound (im Wizemann ja oft ein Reizthema) und machen einen motivierten und konzentrierten Eindruck. Mit Hits wird nicht gegeizt und schon früh wird „A.C.A.B.“ rausgehauen. Ja, die sloganhaften Parolen in den Songtexten sind oft wenig subtil und haben auch schon mehrfach zu Ärger mit der Staatsanwaltschaft geführt. 

Auch wenn sich die Klassiker für eine differenzierte politische Diskussion nur bedingt eignen, wärmt es doch mein kleines Revoluzzer-Herz, wenn fast der ganze Saal „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ gröhlt – ihr Klassiker von 1981. Das Publikum ist angenehm gemischt und konsequent schwarz gekleidet, das Spektrum reicht von Teenagern bis zu Ü60er Veteranen. Schon erstaunlich, wie optisch unauffällige Schwäb*innen in den besten Jahren textsicher die teils deutlichen politischen Texte mitsingen: gegen Staat, Polizei, Justiz, Bonzen und vor allem gegen Nazis.

Die Hamburger Punk-Band SLIME live, Im Wizemann, 27.10.2023
Foto: X-tof Hoyer

Musikalisch ist das genrekonform überzeugend, für Punkrock recht gitarrenlastig (mit Soli) und melodisch, die Texte im Tumult überwiegend sogar verständlich. Sänger Tex macht eine gute Figur, seine recht raue Stimme verleiht den Songs einen frischen Vibe. Gitarrist Michael „Elf“ Mayer, der einst auch bei Abwärts war, darf deren unsterbliches „Computerstaat“ singen, als Zugabe fürs begeisterte Publikum gibt es „Linke Spießer“ und „Störtebeker“. 

Gut, dass es Slime als antifaschistische Punkband noch gibt – wir brauchen sie mehr denn je angesichts der aktuellen politischen Entwicklung. 

Erection

Slime

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