IRGEND, 17.08.2023, Merlin, Stuttgart
Die ganze Stadt weiß bescheid: Irgend spielen bei der Klinke! Es steht in der Zeitung und es steht beim besten Stadtblog. Das Pressefoto ist atemberaubend gut, die Marketing-Maschine läuft. Alle, die schon früh im gemütlichen Garten der Location sitzen, bekommen einen pinken Sticker geschenkt, um die Botschaft, dass es Irgend jetzt gibt, in die Welt raus zu tragen. Bei Facebook, Twitter, Insta und Tik Tok (wo bekanntlich Welthits gemacht werden) sind die auch – aber sie waren eben erst zwei Mal live zu sehen.
Heute also der dritte Gig, in der Landeshauptstadt, im Merlin. Der Saal ist sehr gut gefüllt, die Bühne auch: Zu meiner großen Freude mit dem Schlagzeug an der linken Seite und nicht in der Mitte und einem ganzen Regal voller Keyboards außen rechts. Das sieht doch alles schon mal sehr unterhaltsam aus!
Auch für die Outfits gibt es von mir direkt Pluspunkte: Die fünf Musiker*innen treten in Schwarz mit weißen Schuhen auf. Nur Jan Georg an den Tasten hat sich für ein kleinkariertes Sakko und den damit verbundenen 80ties-Flavour entschieden, aber die Fliegermütze aus Hawelka-Zeiten, einer der Vorgängerbands, ist verschwunden. (Ganz ohne Accessoires geht es bei ihm aber wohl nicht: Später holt er für einen Song eine rote Sonnenbrille raus.)
“Das Beste von 81 bis 21” steht auf dem Programm und das erste Lied (nach dem für die Zukunft noch zu kürzenden Bugs-Bunny-Intro vom Band) „Oh je mein Ohr“ hält genau diese überdrehten 81-er Spitzen im Gesang von Gabi Fulir parat, bei denen der Pop der damaligen Zeit noch etwas Punk war. Sängerin Gabi ist eine Bilderbuch-Entertainerin, die sich nicht aus dem Konzept bringen lässt, auch wenn das Monitoring noch nicht so ganz klingt, wie sie es gern hätte. Mit ihrem akkuraten Pony und den wunderbar ausladenden Gesten beim Singen hat sie meine volle Aufmerksamkeit für den ganzen Abend gewonnen.
Martin Schniz an der selbstgebauten Gitarre und mit dem geheimen kleinen Ventilator am Mikrofonständer (… diese Details sind es, die die insgesamt Jahrzehnte Bühnenerfahrung, die hier zusammenkommen, sichtbar machen) wird ebenfalls einige Lieder singen, bei denen der jugendliche Herzschmerz, den er vor 40 Jahren beim Texten derselben hatte, ganz deutlich rauszuhören ist.
Die Zwischenmoderationen – auch die unfreiwilligen – sind überschwänglich und die Freude aller Beteiligten auf und vor der Bühne ist groß. Hier und da hakt es mit dem Zusammenspiel der Band zwar noch, aber Uneinigkeiten über das richtige Tempo werden bereits jetzt mit Blickkontakt geklärt und die ein, zwei falschen Töne souverän weggespielt.
Damit der Abend nicht nach den vier Stücken von der frisch releasten EP endet, mischen sich englischsprachige Cover-Songs in die Setlist. Dabei ist unter anderem „You Could Be More As You Are“ von den mysteriösen Saâda Bonaire.
Für die Zugabe „Internet Explorer“, die tatsächlich schon vorab per Reinrufen vom Publikum eingefordert wurde (Die Marketing-Maschine wirkt!) wird nochmal der ganze Instrumenten-Kasten umgebaut: Chris trommelt jetzt elektrisch und Jan Georg hängt sich ein rotes Piano um den Hals. Der witzige Sprechgesang-Rausschmeißer bildet den Schlusspunkt für einen feinen Sommerausflug durch 40 Jahre bestens vorgetragene Popmusik.
Irgend sind Jan Georg Plavec, Gabi Fulir, Sebastian Zeh, Martin Schniz, Chris Seyffert und sie sind das nächste Mal bei „Musik am Mittwoch“ am 11.10.2023 im Ritterstüble live zu sehen.