PUBLIC IMAGE LTD, 14.10.2015, Rockfabrik, Ludwigsburg
Give me trouble… oh, yeah!
John Lydon, Punk-Legende und Frontmann von Public Image Limited schimpft sich im Stile der Sleaford Mods durch „Double Trouble“, den Opener seines aktuellen Albums „What The World Needs Now…“. Ein starker Titel auf einem hervorragenden Album und ein wahrer Paukenschlag, 23 Jahre nach dem letzten PiL-Album. Als Lydon seinen Auftritt in der Rockfabrik mit genau diesem Hit beginnt, ahnt noch keiner, dass es heute Abend tatsächlich noch handfesten Trouble geben wird.
Die Rockfabrik ist an diesem Mittwochabend eher mittelmäßig besucht. Knappe vierzig Euro Eintritt dürften den ein oder anderen Besucher abgehalten haben, zumal Lydons Sex-Pistols-Folgeband den allermeisten ohnehin nur für ihre beiden Hits „This Is Not A Love Song“ und „Rise“ bekannt sein dürfte. Der Altersschnitt liegt so um die 35 bis 40. Der Sound ist mächtig laut, aber gut. Es kündigt sich ein eher gemäßigtes Konzert an, der überschaubare Moshpit wird von den Umstehenden mit Nachsicht geduldet. Erstaunlich genug, dass einige Wildentschlossene glauben, vom ersten Titel an pogen zu müssen, hat doch Lydon – mit dem Ablegen seines alter ego „Johnny Rotten“ – dem Punk längst entsagt.
Nachdem Lydon aus einer Plastiktüte signierte Bananen ins Publikum geworfen und sein Textbuch auf dem Notenständer platziert hat, holt der Alt-Punk erstmal seine Lesebrille heraus. (Frappierend übrigens die Ähnlichkeit mit Jón Gnarr, mit dem wir erst kürzlich das Vergnügen hatten.) Dann gurgelt er – wie zwischen allen folgenden Titeln – mit je einem Schluck aus Teetasse und Cognac-Flasche, um dies dann in einen bereitstehenden Eimer zu spucken.
Es sind eher monotone, fast disco-artige Drum- und Bass-Rhythmen, die den Sound von PiL bestimmen. Dazu natürlich Lydons exaltierter Sprechgesang mit teutonisch-rollendem „R-r-r-r“, monotonen Wiederholungen und hochgezogenen Zeilenenden. Am Schlagzeug werkelt Bruce Smith (The Slits, The Pop Group). Optisch und musikalisch herausragend ist allerdings Gitarrist Lu Edmonds (The Mekons, The Damned). Er spielt nicht nur wunderbar präzise Riffs an Gitarre und Bouzouki (hier dann mit Bottleneck); mit Fliege, Frack, verwegener Haarpracht und starrem Blick stellt er zudem eine skurrile Kreuzung aus Abraham Lincoln und Catweazle dar.
Musikalischer Höhepunkt: „Death Disco“ mit seinem markanten Schwanensee-Riff in einer geradezu hypnotischen Extended Version. Eigentlich verläuft der Abend sehr geordnet, kleinere punk-folkloristische Provokationen wie die erwähnten Bananen für das Publikum, das demonstrative Rotzen auf die Bühne oder der angedeutete Hitlergruß zur Textzeile „God bless America“ sind eher belustigend als aggressionsfördernd.
Als dann aber ein übermotivierter „Fan“ glaubt, in alter Punk-Tradition den Sänger anspucken zu müssen, ist Schluss mit lustig: mit einem gezielten Schlag mit dem Mikrofon-Ständer schlägt Ex-Johnny-Rotten den Spucker kurzerhand k.o. Während dieser von anderen Besuchern herausgetragen wird, stellt Lydon wutentbrannt klar, dass dies nicht mehr der Punk von 1978 sei. Und außerdem sei er „the last fucking man standing“. Als nun volle Biergläser fliegen, droht er, man werde sich nachher noch sehen. Vielleicht bin ich ja zu zart besaitet, mir verdirbt dieser Gewaltausbruch schlagartig den Abend. Die Zugabe nach einer kurzen Konzertunterbrechung enthält – glaube ich – noch einen Sex-Pistols-Titel. Das nehme ich aber kaum noch war, mir hat’s die Laune verhagelt, ich will hier raus.
Und dort wartet dann eine freudige Überraschung, die aus diesem zwiespältigen Konzertabend doch noch einen ganz besonderen macht: die Guerilla-Rocker Shoshin haben sich auf dem Parkplatz aufgebaut und empfangen das Rockfabrik-Publikum mit einem ihrer berüchtigten Spontan-Gigs. Und das ist mir sogar einen eigenen Konzertbericht wert.
Die Zugabe war, meine ich, „Public Image“ und „Rise“.
Danke Volker, habe ich aus anderer Quelle inzwischen auch gehört.
Und ich sollte hier vielleicht noch klarstellen, dass Lydon den Spucker mindestens einmal vorgewarnt hat und erst dann zugeschlagen hat, als dieser weiter rumgerotzt hat.
Ich war auch da und es war offensichtlich, dass Lydon der Bauernpogo vor der Bühne missfallen hat. Es spielte schliesslich PIL und eben nicht die Sex Pistols. Die Aktion mit dem Mikrostativ war sicher überzogen aber anspucken war und ist definitiv kein Punk! Ansonsten war die Band musikalisch stark und John Lydon wie eh und je kontrovers. Love it or leave it. Die Zugaben waren spärlich und zwar „Rise“ und „Public Image“, nicht von den Sex Pistols sondern die erste Single unter dem Namen PIL.