BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg

BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Auf den ersten Blick scheint der Innenhof eines Residenzschlosses nicht das passende Setting für ein Punk-Konzert zu sein, erst recht nicht für eine Band, die ihre Ursprünge in der harten Oi!-Szene hat. Es finden sich jedoch bei den größten Gegensätzen auch immer einende Elemente. Die geschwungenen Linien und überschwänglich-euphorischem Ornamente eines im Rokoko-Stil erbauten Schlosses passt dann doch sehr gut zum harten Pathos-Punk mit euphorischen Bläsern und geschwungenen, manchmal gar lieblich-poppigen Melodien auf der Bühne davor. Das geht erstaunlich gut zusammen.

BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Es ist nicht ganz ausverkauft, vielleicht auch ob des Herbstwetters das Anfang August in Deutschland herrscht. Es sind aber doch sehr viele da und vor allem alle. Alle Arten von Menschen. Das halstätowierte Rockabilly-Mädchen mit ihren Freundinnen im Feine Sahne Fischfilet-Hoodie, das Normcore-Pärchen kurz vor der Rente im Tchibo-Partnerlook, das dann in der Umbaupause textsicher Agnostic Front Songs mitsingen kann, aber auch der Familienvater mit Kind, der das Basecap einer Grauzonen-Band trägt. Die Band sah sich in ihrer Anfangszeit als „unpolitisch“ an, wollte weder mit links noch rechts was zu tun haben. Bis zu dem Punkt als sie merkten, dass „unpolitisch“ sein zu wollen sehr naiv ist und letztendlich eher rechten Hools in die Hand spielt (von denen es auch mal was auf’s Maul gab). Seitdem positioniert sich die Band klar Links und Antifaschistisch, auf und neben der Bühne. Und so kann man es der Band wahrscheinlich nicht wirklich anlasten, dass sie ob ihrer Musik auch Leute anzieht, die auch zu den Onkelz oder Freiwild gehen würden.

THE GENERATORS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Musikalisch wurde der Abend von The Generators eröffnet. Solider California-Punk, irgendwo zwischen Social Distortion und Bad Religion. Danach dann Umbaupause in der eine Playlist mit Punk-Klassikern lief. Dann endlich, pünktlich um 20:30, die Broilers.

Ein Broilers-Konzerts hat stets einen festen Rahmen, so auch an diesem Freitag in Ludwigsburg. Das Konzert startet mit „Zurück zum Beton“, stets das erste Lied in jedem Set und wird rund 2 Stunden wie immer mit dem Lied „Blume“ enden (welches wiederum das erste Lied ist, das jemals unter dem Namen Broilers von Sammy Amara geschriebenen und 1994 veröffentlicht wurde), um dann mit „Don’t Stop Believin’“ vom Band auszuklingen.

BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Ein ziemlich beachtliche Menge an Hits haben die Broiler in den 29 Jahren ihres Bestehens angesammelt. Und kaum einer fehlt an diesem Abend. Streetpunk-Klassiker wie „Paul der Hooligan“ genauso wenig wie Ska-Songs wie „In 80 Tagen um die Welt“ oder das vom Text her fast schon kabarettistische Anti-AfD-Lied „Alice und Sarah“ vom letzten Album („Hol’ deine Frau ab, Sarah, Sie redet wieder Nazidreck. Nimm sie fest in den Arm, nimm ihr die Streichhölzer weg“).

BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Routiniert aber immer mit dem nötigen Charme leitet Sänger Sammy durch den Abend. Immer wieder meldet er sich zwischen den Songs mit seinen Storytimes zu Wort und erzählt Anekdoten aus vergangenen Jahrzehnten oder vom vergangenen Abend — der wohl, wie es sich für eine Punkband auf Tour gehört, recht feucht-fröhlich war (was ihn nicht davon abhält mit Gin Tonic nachzuspülen und auch mal eine Flasche Corona Cerveza zu exen). Er ist ein muskulöser, adrett frisierter, muskulöser Mann, der keine Angst vor Pathos hat, wahrscheinlich sich nicht mal vom Kitsch einschüchtern lässt. Weder als Songwriter noch als Lead-Sänger, der durch den Abend führt. Am meisten vielleicht bemerkbar bei „Ihr da oben“, der Hymne an verstorbene Freunde. Aber auch bei vielen anderen Tracks im Programm, wie z.B. „Harter Weg (Go!)“, bei denen man gefühlsselig die Faust in den Himmel recken und mitsingen möchte. Aber gleichzeitig muss man Tanzen, weil die sehr tighte Bassistin Ines Maybaum und die drei Bläser einen so mächtig in den Arsch treten, dass stehenbleiben einfach keine Option ist. So gibt es auch Circle-Pits, die sich um von Sammy von der Bühne aus auserkorene „Helden“ drehen soll (zu „Held in unserer Mitte“) und sogar einen Ruderboot-Moshpit (bei „Gib das Schiff nicht auf“).

Letztendlich, und das ist doch das wichtigste an so einem Abend, scheinen alle „Jugendliche von 40 Jahren“ im Publikum die „Beste aller Zeiten“ zu haben.

BROILERS, 04.08.2023, Residenzschloss, Ludwigsburg
Foto: Ralph Pache

Broilers

The Generators

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