KRAFTWERK, 12.08.2023, Schloss, Karlsruhe
„Für unseren Freund Peter Weibel“ wird einer der wenigen Sätze sein, der an diesem Abend von der Bühne zu hören ist, der nicht durch einen Computer geschickt wurde. Und er erklärt auch den Grund, warum 16.000 Menschen am Schloss in Karlsruhe zum einzigen Konzert von Kraftwerk in diesem Jahr in Deutschland zusammengekommen sind:
Peter Weibel, Medienkünstler und Direktor des ZKM (Zentrum für Kunst und Medien), verstarb überraschend im März 2023. Das diesjährige Motto „Hoffnungshorizonte. Dawn of Devices“ wählte er für das Lichtkunst-Festival „Karlsruher Schlosslichtspiele“ noch aus. Nun spielt sein langjähriger Freund Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter mit den drei Mit-Musikern in diesem Rahmen zum Abschied für ihn auf.
Es muss erst ausreichend dunkel werden, dann erscheinen zehn Minuten lang vier riesige Pixel-Figuren auf der 180-Meter langen Fassade und holen uns mit rumpelnden Klängen in die Welt von Kraftwerk, ohne dass die Musiker schon auf der Bühne zu sehen sind. Auf dem Balkon über dem Schriftzug „Badisches Landesmuseum“ und einem breiten LED-Display scheinen sie dann ab dem ersten Song förmlich zu schweben.
Bei „Nummern“ knallen zu Beginn in Neongrün Zahlen von Rechts nach Links über die Fassade. Der fantastische Sound reicht mindestens bis zum weiter im Süden gelegenen Schloss Rastatt. Man wird förmlich aufgesaugt von diesem Gesamtkunstwerk, bei dem auch die vier leuchtenden Anzüge von Kraftwerk immer in die gesamte Lichtchoreografie einbezogen sind.
Alle Smartphones gehen immer wieder hoch und ich kann mich nicht dem Gedanken verwehren, dass die Musik, die hier gespielt wird, mittlerweile vielleicht auf einem solchen zu produzieren wäre? Die Genialität, mit denen Kraftwerk seit 1970 mit wesentlich größeren Maschinen, Computern, Keyboards und Schlagzeug ihre zeitlosen Songs erschaffen haben, ersetzt so ein Telefon aber niemals.
Nullen und Einsen, Raumstationen weit über der Erde, Ufos, reinweiße Oszillografen, gigantische Wörter, das alles bekommen wir nun ohne Pause zu sehen. Zu „Das Modell“ und „Tour de France“ gibt es nostalgische Filmaufnahmen. Bei „Autobahn“ wird eine Fahrt durch die pixeligen (Kassler) Berge projiziert. „Computerliebe“ ist Pink, bei „Neonlicht“ flimmern riesige Leuchtreklamen vorbei.
Als bei „Radioaktivität“ die Gefahren-Symbole von kreischendem Gelb auf Rot springen, gibt es Szenenapplaus. Zu „Vitamin“ regnen tausende bunte Pillen in den Schlosshof. Der nächtliche „Trans Europa Express“ düst über die Fenster und Wände und bei „Die Roboter“ steht alles auf Rot.
„Music non stop, Techno-Pop; Elektroklänge überall; Dezibel in Ultraschall; Es wird immer weiter gehen.“
Der letzte Gruß von Kraftwerk an den Freund ist nicht weniger als ein beglückendes Ereignis, das ich sicher nie vergessen werde.
Die Karlsruher Schlosslichtspiele beginnen offiziell am 16.08., der Eintritt ist bis zum 17.09.2023 frei. Ein Ausschnitt aus den Projektionen des Kraftwerk-Konzertabends wird dort jeden Abend zu sehen sein.
(Erstmals gibt es zwei Berichte vom selben Konzert. Hier findet ihr den von Fabian.)
