POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Der Mann aus St. Louis, Missouri ist seit Jahren Kult bei Auskenner*innen im (stark) erweiterten Rootsrock-Genre – Team Gig-Blog fährt also durchaus optimistisch Richtung Schorndorfer Manufaktur, wo das Konzert erfreulicherweise draußen auf dem Parkplatz stattfindet und sich dort auch gut 150 Menschen einfinden. Unerwartet viele für einen nicht allzu bekannten Künstler, wobei die zumindest von uns erwartete schwäbische Schmalztollen- und Petticoat-Szene größtenteils nicht anwesend ist. Sie sollen einiges verpassen.

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Schlag 20 Uhr steht Pokey LaFarge mit seiner vierköpfigen Band auf der Bühne und die Truppe überzeugt allein schon mit ihren authentischen Outfits. Man fühlt sich in die USA der späten 50er versetzt, wobei sich Pokey mit seinem grünen Flausch-Sweater (Modefachleute mögen mir verzeihen!) doch deutlich vom konservativen Braun und Beige seiner Mitspieler abhebt. Dabei sehen die sympathischen Bandmitglieder wie echte Südstaaten-Gentlemen aus, die geradewegs aus der Kulisse von „Vom Winde verweht“ gestolpert sein könnten.

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Der 40-jährige Frontmann erweist sich schnell als charmanter Troubadour, der das Publikum souverän um den Finger wickelt. Und dann diese Stimme! Pokey intoniert kristallklar und messerscharf, vom versierten Live-Mischer mit wohldosiertem Hall veredelt. Diese Stimme ist eine Waffe – die Pokey aber anfangs eher zurückgenommen einsetzt. Wie auch die Musik selbst erstmal recht untertourig daher kommt. In mittlerem Tempo zu lässigem Shufflebeat wird zunächst nur angedeutet, was hier möglich ist.

Was ist das überhaupt für Musik, die die fünf extrem kompetenten Musiker hier so nonchalant darbieten? Mit Referenzen und Genre-Klassifizierungen bin ich ja nicht verlegen, aber dieser Mix hat so viele stilistische Wurzeln, dass eine reine Aufzählung fast schon ein wenig beliebig klingt.

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Jedenfalls höre ich R&B und Western Swing, Latenight-Jazz und Rock’n’Roll (mit angezogener Handbremse), Early Soul und TexMex, Rockabilly-Groove und Mambo-Beats, der Vibe ist viel mehr 50er als 60er Jahre, teils auch noch deutlich früherer Herkunft. Die Songs geraten im Verlauf des Konzerts immer beschwingter und partytauglicher, tanzbar und eingängig.

Man hört Nick Waterhouse durch (Pokey ist aber wesentlich vitaler!) und den großen Lyle Lovett, Sam Cooke und diverse Country-Crooner. Seine sonnige Bühnen-Persona erinnert mich an Jonathan Richman und wenn man ihm Koteletten aufmalen würde, sähe er fast wie Joe Strummer aus!

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Ein wilder Mix also, der von der Band in einen erstaunlich runden und eigenständigen und dabei recht undogmatischen Retro-Sound überführt wird, oft begleitet von dreistimmigem Satzgesang. Drummer und Kontrabasser fungieren überwiegend als Taktgeber – für letzteren wird übrigens im Publikum spontan Geld gesammelt, damit er sich die 500 Dollar teuren Schwarzmarkttickets für ein Devo-Konzert in den USA leisten kann.

Als echter Tausendsassa erweist sich der Gitarrist, der im Verlauf des Konzerts auch mehrfach souverän zur Taschentrompete greift und der Musik wahlweise einen romantischen Calexico-Touch verleiht oder sogar an Louis Armstrongs Hot Five erinnert – das muss man erst mal hinkriegen!

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

Auch der Tastenmann hat es faustdick hinter den Ohren und schafft es sogar, ein Solo auf seinem Retro-Mini-Keyboard wie Emerson, Lake & Palmer zu beginnen, dann allerdings elegant in Richtung Souljazz abzubiegen und sich mit dem Gitarristen ein funkenschlagendes Duell zu liefern.

Kein Wunder, dass diese geschichtsbewusste Musik dank perfekter Inszenierung (und gewohnt traumhaftem Manufaktur-Sound) dann auch bei allen Anwesenden zündet: Es wird (paar-) getanzt und zum Walzertakt geschunkelt, und nach knapp zwei Stunden und mehreren Zugaberunden ist das manchmal ja ein wenig träge Manufaktur-Publikum nicht mehr zu halten. Nach Konzertende schafft es ein verschwitzter Fan sogar, den auch nicht wenig transpirierenden Pokey LaFarge zum Feinripp-Unterhemdentausch zu motivieren. Bewegende Szenen nach einem denkwürdigen Konzertabend.

POKEY LAFARGE, 01.08.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Holger Vogt

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