TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Thrash Metal-Package im cleanen Wizemann statt im altehrwürdigen LKA? Warum nicht – war im Paket ursprünglich mit Exodus eine der wichtigsten Bands des Genres angekündigt, die es seinerzeit nur haarscharf nicht zu den „Big Four“ (Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth) geschafft hatte. Leider haben es Exodus auch nicht ins Wizemann geschafft, familiäre Komplikationen führten zur Tourabsage.

Jetzt also nur zwei Metal-Dinosaurier im wie erwartet gut gefüllten großen Saal. Bei schönem Sommerwetter herrscht schon im Außenbereich reges Gedrängel von Metalheads in klassischer Uniform: Bandshirt plus mit Patches übersäter Kutte, das Haupthaar wahlweise wallend oder mangels Masse von verwegenem Piratenkopftuch bedeckt. Gendern lohnt sich in diesem Konzertbericht nicht, die Frauenquote lag unter zehn Prozent.

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Dafür ist die Stimmung gelöst und viel friedlicher als bei vielen anderen Konzerten – trotz oder wegen des ungestümen Bierkonsums? Zu dieser sommerlichen Feelgood-Stimmung passt die erste Band Voivod aus Kanada wie die Faust aufs Auge (eine Phrase, die man nur beim Metal benutzen darf). Die scheinbar kleinste Band im ursprünglichen Package hat eine erfreulich große und motivierte Fanbase, von Anfang an ist die Stimmung prächtig. Und welche „Support“-Band darf sich schon zwischen den Songs wohlwollender Sprechchöre erfreuen?

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Sind halt auch grundsympathische und leicht verwitterte Typen, Sänger und Drummer schon seit vierzig Jahren dabei. Frontmann Denis „Snake“ Belanger finde ich in seiner hüftsteifen John-Wayne-Haftigkeit besonders überzeugend. Musikalisch zündet es bei mir aber auch beim dritten Live-Erleben nicht so richtig – obwohl ich die Band prinzipiell überzeugend finde. Eben, weil sie vieles anders gemacht hat als die Konkurrenz. Die Haltung ist (oder besser war) fast schon ein bisschen Punk, zum Thrash kam deutlich früher als bei der Konkurrenz eine gute Dosis Prog dazu, teils auch recht komplexe bis dissonante Passagen. Ich finde das mutig gedacht, live aber schwer umsetzbar. Die Crowd ist aber wesentlich begeisterter als ich, die Stimmung bei Band und Fans ist absolut großartig und richtig ansteckend. Bonuspunkte gibt es für die T-Shirts von Sänger (Saxon) und Drummer (PIL).

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Dann geht es weiter mit Testament, leider (die zweite Enttäuschung des Abend) ohne Slayer-Drummer Dave Lombardo, der die Kalifornier zuletzt wieder häufiger unterstützt hat. Testament vermarkten sich als Bay Area-Veteranen (regionaler Hotspot der ersten Thrash Metal-Bands), klugscheißende alte Säcke wie ich sind da aber etwas kleinlich, weil Testament schließlich erst 1987 am Start waren, als die erste und beste Welle der Speedmetaller fast schon vorüber war.

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Will aber nicht allzu streng sein und erfreue mich der Tatsache, eine zweifellos wichtige Band der zweiten Generation heute noch in vergleichsweise kleiner Location erleben zu dürfen. Es geht auch gleich gut los, der Sound fürs Wizemann erstaunlich laut und auch nicht mehr ganz so matschig wie bei Voivod. Im Bühnenbild mischen sich römischer Klassizismus und Herr der Ringe-Ästhetik, die Band dagegen absolut down-to-earth: Vor allem Shouter Chuck Billy ist eine Naturgewalt, ein Mann wie ein Fass auf erstaunlich dünnen Beinen – vor allem aber mächtig bei Stimme und erkennbar mit Sonne im Herzen.

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Das ist dann auch ein großes Plus, dass die Band ihre standardisierten Posen und die obligatorische Publikumsanimation mit glaubhaftem Spaß zelebriert. Man hat durchgehend das Gefühl, dass sich die nicht mehr ganz jungen Herren selbst darüber freuen, nach so vielen Jahren noch immer erfolgreich dabei zu sein.

Ich könnte jetzt über die teils mäßige Qualität der Songs (vor allem der weniger schnellen) nörgeln oder die fehlende Eleganz (wie bei den jungen Metallica) der Thrash-Attacken bemängeln, lasse mich aber vom euphorisierten Publikum davon überzeugen, hier und jetzt ein Thrash Metal-Feuerwerk zu erleben. Die echten Knaller kommen in der letzten Viertelstunde, denn hier gilt wie immer: je rasanter desto besser!

TESTAMENT, VOIVOD, 03.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart

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