CHRISTIN NICHOLS, 21.07.2022, Dieselstraße, Esslingen

Singende Schauspieler:innen seien ebenso zu meiden wie schauspielernde Sänger:innen, heißt es. Dummes Zeug, wie immer bei diesen allzu schmissig formulierten Merksätzen. Wobei mir der Satz beim Auftritt von Christin Nichols im Kulturzentrum Dieselstraße doch mal durch den Kopf geht. Doch dazu später.

Zuerst muss mal wieder die „Parklücke“ gepriesen werden: dieses fluffige Sommerprogramm der Dieselstraße. Die Kombination aus locker bestuhltem Parkplatz, genreübergreifendem Booking und der Profibühne aus dem Foyer heraus, ist einfach perfekt für laue Sommerabende. Und erfreulicherweise hat auch eine stattliche Zahl von Besucher:innen den Weg zum vorletzten Konzert der Parklücke gefunden. Wie immer stilsicher gebucht und mit der Deutsch-Britin Christin Nichols, die übrigens eigens für diesen Gig mitsamt Band in den Süden der Republik gereist ist, mit einem weiteren Highlight versehen.

Nichols hat nicht nur eine beeindruckende Vita als Schauspielerin – wir name-droppen hier mal kurz „Renaissance-Theater“, „Volksbühne Berlin“, „Schauspiel Leipzig“ und „Tatort“ – sie hat mit Prada Meinhoff auch ein Elektro-Punk-Duo am Start, das berechtigterweise einige Aufmerksamkeit erfahren hat. Der Auftritt mit ihrem aktuellen Projekt beginnt erst etwas spröde, was vermutlich am unnötig komplizierten Setup mit drei Gitarren liegt. Das ist soundmäßig unentschieden, musikalisch überflüssig und wirkt irgendwie nur dekorativ („Schauspielernde Sängerin, you know“). Dabei geht die Wahl-Berlinerin durchaus entschlossen zu Werke, gibt sich nahbar, lobt die lokalen Getränke und das Setting. Aber erst als der erste Gitarrist an den Bass wechselt, die Bassistin ans Keyboard und Christin Nichols ihre Gitarre weglegt, nimmt das Konzert Fahrt auf.

Das Programm besteht weitgehend aus ihrem aktuellen Album „I’m Fine“, das eine veritable Zahl hittauglicher Tracks zwischen Elektropop und Indierock aufweist. Alles mit einer ordentlichen Dosis Eighties, manchmal raunend Richtung Nico, immer eher düster oder sarkastisch.  Das Finale eröffnet Nichols mit ihrer demnächst erscheinenden Single „Citalopram“ (Das möge jede:r bitte selbst googeln), um dann mit „Bielefeld“, dem bitter-bösen „Today I Choose Violence“ und „I’m Fine“ das Publikum doch noch aus den Liegestühlen zu bewegen.

Zur Belohnung gibt es in der Zugabe den Elektro-Punk-Knaller „Cocktail“, der nicht nur eine richtige Tanzerei vor der Bühne auslöst, sondern sich auch nachhaltig im Gehörgang verankert und noch nach Tagen nachklingt. Gewiss, dieses Konzert wäre mit einem partywütigen Club-Publikum vermutlich anders abgelaufen, als eher relaxtes Sommernachtsvergnügen hat es aber auch bestens funktioniert.