SVAVAR KNÚTUR, 22.03.2020, Wohnzimmer in Reykjavik, online, Facebook

Svavar Knutur

Foto: Carsten Weirich

So, nun habe auch ich coronabedingt meine erste Erfahrung in Sachen Live-Konzert aus der Streaming-Buchse gemacht. Ist mit einem normalen Live-Konzert nicht wirklich zu vergleichen. Aber auch halbgut ist am Ende doch wieder doppelt so gut wie nichts. In Mathe hab ich damals aufgepasst.

Eigentlich hätten wir unseren isländischen Lieblings-Troubadour diesen März bei seinem Auftritt in der Krone in Alt-Hoheneck verpasst. Wir wähnten uns da noch in Costa Rica mit einem Cocktail in der Hand und einem Faultier auf der Schulter. Oder so ähnlich. Ist ja jetzt eh egal. Immerhin sind wir gar nicht erst losgekommen und haben uns so eine Menge Stress erspart und haben auch niemanden anstecken können. Und in einem möglichen Ernstfall ist die Quarantäne zuhause bei Netflix und Pizza halt doch was anderes als in einer schwitzigen mittelamerikanischen Turnhalle mit gefühlt 8.000 anderen Infizierten.

Da das Leben aber auch hierzulande schon mal unterhaltsamer war, habe ich mit großer Freude vernommen, dass, wie viele andere Künstler, auch Svavar Knútur ein kleines Konzert via Livestream überträgt. Hab ich mir noch nie angeschaut sowas. Bislang war ich auch kein großer Freund von Konzertvideos. Entweder guter Sound von der Platte oder eben die Live-Atmosphäre. Für mich schien ein Konzertvideo immer das Schlechteste von beidem zu vereinen. Ich hab Angst, dass das ähnlich wird. Aber gut, in diesen Zeiten kann man halt nicht so wählerisch sein und ein bisschen Farbe im etwas ergrauten Alltag kann ja nicht schaden.

Also Bier aufgemacht, in Schlabberklamotten ab aufs Sofa, Laptop hochgefahren und schon sind wir mittendrin. Svavar begrüßt uns aus seinem Wohnzimmer in Reykjavik und trinkt erstmal seinen Kaffee fertig. Im Hintergrund sein CD-Regal, eine Vitrine mit Geschirr und ein sehr cooles Gemälde einer isländischen Künstlerin. Es zeigt den Oberkörper einer etwas üppigeren Frau, die in ihre Jeans schlüpft. Hat was. Eigentlich wollte Svavar heute mit Streichern spielen. Das ist aber krankheitsbedingt (hoffentlich nichts Ernstes) erstmal verschoben worden. Also nur Svavar mit Gitarre und Ukulele. Dass das mehr als genug sein kann, hat er ja schon oft genug bewiesen.

Svavar spielt ziemlich melancholische isländische und englische Stücke wie „Lady Winter“, „Brot“, „Clementine“, „Emotional Anorexic“, „Januar“ oder „Ölduslóð“. Er macht das wie immer äußerst sympathisch mit viel Inbrunst und Humor. Er witzelt darüber, dass das Corona-Virus mit Finnland sicher nicht umgehen kann, weil die eh nicht so auf Kontakt zu anderen Menschen stehen oder über isländische Hipster, die sich jetzt nicht mehr über zu viele Touristen in ihrer Stadt beschweren können. Zwischendrin nippt er an seinem Bier oder lacht über die Einwürfe seiner Kinder aus dem Off. Die reichen ihm dann auch mal eine Teenage Mutant Ninja Turtles-Figur ins Bild, damit er sie gegeneinander kämpfen lassen kann. Zwischen den Songs zeigt uns Svavar via Webcam die Aussicht von seinem Balkon und das isländische Wetter. Das alles gibt dem Ganzen eine gewisse Dynamik und eine andere Art von Live-Atmosphäre. Von seinen Fans, die er oft namentlich begrüßt, hagelt es im Chat derweil Herzchen, Musikwünsche und Grüße aus ganz Europa und sogar Nashville.

Neben der üblichen svavaresken Mischung aus guter Laune und wunderschön melancholischer Musik spricht unser Lieblingstroubadour aber auch (heutzutage ja auch fast unausweichlich, sofern man denn überhaupt mit seinen Zuhörern spricht) das Thema Coronavirus an. Zum Beispiel, dass wir auch die Chance dabei sehen sollten unsere Gewohnheiten und unser Leben zu hinterfragen. Und er macht Mut. Probleme und Krisen seien wie Gewichte, die es zu stemmen gilt. Mit jedem Mal wird man besser. Da hat er natürlich nicht ganz unrecht. Am Allerwichtigsten ist ihm aber der Appell kleine Konzertlocations zu unterstützen. Die Künstler selbst würden sich schon irgendwie durchboxen. Aber sie brauchen eben auch Konzertlocations, in die sie zurückkommen können. Auch da hat er recht.

Nach rund 70 Minuten verabschiedet sich Svavar mit „True Love Will Find You In The End“ von uns. Wir sollen alle gesund bleiben und uns um die Menschen um uns herum kümmern. Konzerte wie dieses will er jetzt übrigens wöchentlich machen, mal solo und mal mit befreundeten Künstlern. Dabei geht dann, wie auch heute, der virtuelle Paypal-Hut rum.

Ich muss sagen, dass das Ganze schon sehr nett war. Natürlich fehlt die Wucht von Svavars Live-Präsenz, die einen sonst regelrecht vom Hocker pustet. Und natürlich ist auch die Atmosphäre eine andere. Trotzdem hat es Spaß gemacht und immerhin hatten wir wieder ein wenig Abwechslung und Ablenkung. Solange man also nicht live auf Konzerte gehen kann, ist das schon eine feine Sache. Und wer weiß schon wie lange es dauern wird, bis sich auch in dieser Hinsicht unser Leben wieder normalisiert. Also gilt wohl auch nächsten Sonntag wieder das Motto unseres Lieblingsisländers… „Enjoy a little bit of Svavar in your life“.

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