THE DÜSSELDORF DÜSTERBOYS, 16.01.2020, Merlin, Stuttgart

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

So plötzlich, wie jedes Jahr Weihnachten vor der Tür steht, so schnell ist es auch schon wieder Zeit für das kleine, aber überaus feine Festival „Pop Freaks“ im Kulturzentrum Merlin. Und genauso sicher ist, dass Arne Hübner mit feinem Gespür Bands in die Augustenstraße lockt, die zu Jahresbeginn den musikalischen Horizont erweitern. Umso erfreulicher ist es dann, dass das Merlin gleich am ersten Abend für das Konzert der The Düsseldorf Düsterboys aus Essen ausverkauftes Haus vermelden kann (und für den zweiten Abend bei Voodoo Jürgens ebenso).

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

Die vier Musiker Peter Rubel, Pedro Crescenti (jeweils Gitarre und Gesang, beide auch bei der Band „International Music“), Edis Ludwig (Schlagzeug) und Fabian Neubauer (Tasten) sorgen für einen besonderen Auftakt. Auf den ersten Blick ist alles sehr statisch: Das Licht, die Positionen der Musiker und auch die Songs wirken sehr ähnlich. Man muss genau hinhören, was das Publikum tatsächlich auch sichtbar und hörbar macht. Da wird sich immer wieder angeschaut im Publikum, sich angegrinst, in sich hinein geschmunzelt – alles aufgrund zweier Aspekte. Zunächst wegen der Texte. Verschroben wirken diese zum Teil oder banal, was sie allerdings keineswegs sind. Hier wird die große Geschichte nicht episch ausgebreitet in möglichst vielen Strophen, sondern verpackt in kleine lyrische Päckchen, die man als Zuhörer*in auspacken und entschlüsseln muss. Exemplarisch kann ich gar keinen Song als Beispiel nennen, da alle auf eine ähnliche Weise sprachlich reduziert sind. Es sind daher immer Nuancen, manchmal ein unterschiedliches Wort zum Vers davor, der alles auf den Kopf stellt.

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

Hinzu kommt die musikalische Komponente, die analog zu den Texten erst einmal simpel erscheint. Ein bisschen Gitarrenzupfen, ein paar gedrückte Tasten und ein gerader Rhythmus auf dem sehr tief gestimmten und mit viel Hall (wie alles) abgenommenen Schlagzeug. Manchmal scheint das tonal auch nicht astrein, sondern durchaus schief zu klingen. Die Kunst der vier Musiker ist, dies genauso, etwas schief, klingen zu lassen, obwohl es dabei fantastisch gespielt ist. Interessanterweise sieht dies auch der Kollege der StZ so ähnlich („Nicht falsch, höchstens verstimmt“). Was dagegen nie schief klingt, ist der zweistimmige Gesang von Rubel und Crescenti. Der stellt das Gegengewicht zum manchmal wunderbar verschrobenen, verstimmten instrumentalen Anteil und den Texten der Songs dar. Tolle Harmonien werden hier in die Mikrofone gehaucht und gesungen, äußerst kunstfertig und grazil.

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

Das erinnert an Volkslieder oder auch Schlager und Songwriting aus den 50er/60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Oder auch an die minimalistische, subtilere Variante Insterburg und Co oder, etwas aktueller, Rainald Grebe – ohne die zahlreichen Pointen. Die Band ist das musikalische Häkeldeckchen auf dem schweren, gläsernen Couchtisch neben dem Drehaschenbecher. Wie lange Nachmittage inmitten rustikaler Eichenschränke, während die Großtante die Schachtel „Edle Tropfen in Nuss“ leert. Alles ein bisschen schaurig, aber vielmehr schön und vor allem wohlig. So wie der Sound, den die Vier ins vollbesetzte Merlin zaubern. Manchmal eiert ein Song so charmant wie die viel zu oft abgespielten Platten der Oma oder die eigenen Kassetten ein paar Jahre später.

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

Am Ende sind alle begeistert – die älteren Semester, weil sie an einen Sound erinnert werden, den sie so ähnlich vielleicht schon einmal gehört haben könnten. Und die jüngeren Besucher*innen hören vielleicht etwas ganz Neues. Und The Düsseldorf Düsterboys kreieren durch ihre Indifferenz und Rätselhaftigkeit, durch ihre Verstimmtheit und Virtuosität tatsächlich etwas Neues. Ob sie noch zweimal auf die Bühne kommen und zahlreiche Zugaben spielen, weil sie dem begeisterten Publikum einen Gefallen tun möchten oder weil sie einfach noch ein bisschen Lust haben zu zocken – wer weiß! Auch das kann man entschlüsseln oder eben einfach nicht und schlicht genießen.

Düsseldorf Düster Boys

Foto: Steffen Schmid

2 Gedanken zu „THE DÜSSELDORF DÜSTERBOYS, 16.01.2020, Merlin, Stuttgart

  • 23. Januar 2020 um 19:55 Uhr
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    Das ist mein Lieblingsbandname aller Zeiten :-)

  • 24. Januar 2020 um 10:15 Uhr
    Permalink

    Jawoll: „Die Band ist das musikalische Häkeldeckchen auf dem schweren, gläsernen Couchtisch neben dem Drehaschenbecher.“

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