VOODOO JÜRGENS & DIE ANSA PANIER, 17.01.2020, Merlin, Stuttgart
„Ihr seid‘s motiviert“ stellt Voodoo Jürgens während des Konzertes fest. Bereits seit Monaten ist das heutige Konzert ausverkauft. Das buntgemischte Publikum ist tatsächlich motiviert, sehr sogar. Kein Song bei dem nicht textsicher mitgesungen und getanzt oder dezent mitgewippt wird. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach seinem letzten Auftritt ist der Wiener Sänger wieder beim Pop Freaks Festival im Merlin. Der Gig-Blog Kollege berichtete. Das Pop Freaks Festival gibt einen guten Einstieg ins neue Jahr.
Und einen noch wunderschöneren Einstieg vor Voodoo Jürgens Auftritt gibt es von Alicia Edelweiss. Sehr farbenfroh gekleidet, das Gesicht ausfallend verziert, steht die junge Musikerin solo, ganz kokett auf der Bühne. Zu ihrem glockenklaren Gesang begleitet sie sich am Akkordeon. Mit bewusst eingesetzten theatralischen Gesten singt sie über die einseitig gelebte Liebe und muss ab und an einfach laut kreischen. Meine umstehende Nachbarschaft ist von der Art der Performance von Alicia Edelweiss so fasziniert, dass sie ständig alles untereinander kommentieren müssen. Zurecht, sie hat auch etwas Faszinierendes. Denn wer kann so multitasking-fähig sein: einen Hula-Hoop-Reifen um die Nase kreisen lassen und dabei Akkordeon spielen. Alicia Edelweiss kann das sehr gut, es ist nämlich ihr ungebrochener Rekord.
Voodoo Jürgens, die Vokuhila-Frisur leicht verstrubelt, bewegt sich tänzelnden Schrittes, singt im österreichischen Dialekt, mal die Zigarette dazu in der Hand, mal die akustische Gitarre. Wenn es noch die Gitarre vom letzten Auftritt ist, sind zwischenzeitlich viele Aufkleber hinzukommen. Nach „Ansa Woar“ (2016) ist mit S’klane Glückspiel (2019) das zweite Album erschienen. Die viel beschriebene und diskutierte Austropopwelle lasse ich hier mal vorüberziehen. Im Vorfeld hatte ich mir ein Interview angehört, in dem Voodoo Jürgens auf die österreichischen Bands Wanda und Bilderbuch angesprochen wird, dass diese mit ihrer Musik große Hallen füllen. Aber das ist gar nicht sein Ansinnen.
Ins Merlin passt seine Musik genau, um nah dran zu sein an den Geschichten und Menschen, die in den Songs besungen werden: Nachtschattengewächse, im Leben Gestrauchelte, die außerhalb der Wiener Innenstadtbezirke leben. Das Lied „S’klane Glückspiel“ spielt auch nicht im Casino, sondern ist verortet in der einer möglichst dunkel und verrauchten Kneipe mit dauerblinkenden Glücksspiel-Automaten. Ich gebe zu, der Song macht Laune, sich mit an den nächsten Glücksspiel-Automaten zu setzen. Wobei das mit dem Glück bei diesem Spiel so eine Sache ist.
Voodoo Jürgens erweist sich als feiner Beobachter, stets in schwarzhumorigen Texten mit offener Haltung, ohne wertend zu sein. Nach jedem Song auch seiner gut eingespielten Band „Ansa Panier“. Mit Leichtigkeit verbreiten Alicia Edelweiss am Akkordeon und die drei weiteren Musiker an Kontrabass, Schlagzeug, Keyboard, Geige, Tuba und Trompete eine schön anzuhörende und anzusehende Spielfreude mit einer treibenden Mischung Folk-Polka-Pop und Chanson. Es ist von allem etwas dabei.
Niemand wird aus der Ruhe gebracht. Einen kurzen Stromausfall, vom dem die Geige und der Gesang betroffen sind, nutzt Voodoo Jürgens, um endlich mal die Zigarette anzuzünden, die schon die ganze Zeit hinter seinem Ohr klemmt. Spontan wird die Setliste auf Publikumswunsch hin umgestellt. Das Lied von der „Gitti“ soll eigentlich gespielt werden, doch gewünscht wird, dass zuerst das Lied über den „Hansi“ gespielt wird. Da wird erst gar nicht gezögert, Voodoo Jürgens erfüllt den Wunsch, dass „Hansi do Boxer“ gespielt, der in seinem Leben eher mehr Schläge kassiert als ausgeteilt hat.
Die energiegeladene Euphorie flacht beim Publikum nicht ab. „Wir haben alles gehabt, mit dabei Stromausfall und kurze Texthänger“ sagt Voodoo Jürgens. Auch wenn ich es mir insgeheim nicht wünsche, nach zwei Zugaben ist doch Schluss. Berauscht vom Voodoo-Jürgens-Zauber. Ein Glücksgriff!