DIE ORSONS, 26.10.2019, Schleyerhalle, Stuttgart
Mutter vor Gericht für den Tierpark
Mittelschwergedicht Edith Hilpert
Mittelschwer gerichtetes Nilpferd
Motorgewicht Volksoper
Mittelmeer gewichteter Rekord
Mittel zur Geschichte des Hip Hops
Die Spracherkennung für Notizen auf dem Smartphone während eines lauten Konzerts zu benutzen hat offensichtlich seine Grenzen. Tippe ich es also ein:
Die Mittelschwergewichte des Hip Hops, Tua, Kaas, Maeckes und Bartek (alle bei Chimperator) reißen zum Schluss ihrer Show zusammen mit den 3000 Fans die ausverkaufte Porsche-Arena ab. Dazu später, denn erst mal:
Egal wo du bist, lass dich nicht runterziehen von Feuerbach
Pre-Act Future Franz (Daniel Strohhäcker) hat das gesungene Wort. Seine Begleitung kommt vom digitalen Abspieler. Für Maeckes und Tristan Brusch, der im Januar 2020 ins Wizemann kommen wird, hat Future Franz schon produziert, der kann also Musik machen. Gerade die Brusch-Produktionen entbehren nicht einer ausgefuchsten Musikalität und Witz. Tristan Brusch kann auch gut singen. Future Franz kann das nicht, dafür trällert er unerschrocken in seinem DIY-Stil lustig-lakonische Lieder, sehr unterhaltsam. Future Franz ist das Gegenteil von Autotune. Mut zum schiefen Ton. Nicht alle Gäste haben die Fähigkeit, dem etwas abzugewinnen. Einer brüllt:
Du bist nur schlecht, Frechheit.
Und findet sich komisch dabei. Mutiger und lustiger wäre es, das Gegenteil zu schreien.
Punkt 20.20 Uhr bläst sich ein baumgroßer Vogel (?) mit vielen kleinen Ärmchen und langer Schnauze in Baustellen-Pylonen-Optik auf (also die Bühnendeko, warum auch immer) und die vier Rapper aus Stuttgart und Reutlingen springen auf die Bühne. Ein Gerätebediener und ein Schlagzeuger klöppeln und trommeln dazu. Die Orsons! Begeisterungswellen klatschen an die Wände der Arena.
Mit „Grille“ startet das Konzert, genauso wie das in diesem Jahr veröffentlichte Album. Klingt zunächst erst mal wie viele andere aktuelle Rap-Produktionen mit schleppenden Beats, Electro-R&B-Geheule usw. Aber textlich machen Die Orsons das etwas anders. Keine Schwanzvergleichstexte, vielmehr wird sogar der über allem schwebende Autotune ironisch zum Thema selbst. In „Dear Mozart“ heißt es
D-D-Dear Mozart, ich bin-ich bin ein Musiker aus der Future
Bruder, ich treff‘ keinen Ton
Aber de-de-de-der-der Computer, tata, tata, tata, tata, tata
Aber der Computer, tata, tata, tata, tata, tata
Und dieses Tata, tata … ist die Anfangsmelodie von Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“. Hat fast schon Stand-Up-Qualitäten. Autotune scheint dem Zeitgeist geschuldet zu sein, jedenfalls wird für „Soulja Boy“ lediglich Gitarre, Schellenkranz und unverfremdete Stimme ausgepackt. Geht also auch.
Erstaunlich normal und freundlich ist das Publikum. Da werden einem Türen aufgehalten, Chiemseepullis getragen, ein Pärchen küsst sich, bevor sich ihre Wege zum WC trennen. Der hohe Anteil an weiblichen Fans fällt auf. Der hohe Anteil an Kitsch grenzenden und überschreitenden Love-Songs fällt auf. Eine Korrelation dieser beiden Beobachtungen möchte ich nicht unterstellen, weil sonst me-too. Sehr schöner beatfreier Elektro-Schmuser: „Das Geschenk“:
Ist ’n bisschen komisch eingepackt
Vielleicht ’n bisschen zerquetscht
War aber auch lange im Rucksack drin
Es ist nur der Rest
Meines Lebens
Obligatorischer Schluss: „Schwung In Die Kiste“. Ein wirklich cooler Track, und es wird aus der PA noch mal alles herausgedrückt, was die Tieftöner hergeben, allein schon deshalb, weil es im Text heißt:
Eure Beats haben Bass, uns’re Beats haben Besser.
Da muss man dann auch liefern – aber Die Orsons kriegen das hin.
Spaßfakt zum Schluss (Quelle: wikipedia.de):
Im Dezember 2017 wies das Landgericht München I eine Klage gegen Die Orsons wegen einer vermeintlichen Persönlichkeits- und Urheberrechtsverletzung ab. In dem Song Schwung in die Kiste hatte die Gruppe ein Sample mit der Stimme einer Schaustellerin verwendet. Das Gericht urteilte, dass die Wortfolge „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let’s go, let’s fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“ mangels Schöpfungshöhe kein geschütztes Werk im Sinne des § 2 Urheberrechtsgesetz darstellt.
Die Setlist:
Grille
Vodka Apfel Z
Hin und her
Ventilator
Sog
Feuer & Öl
Schneeweiß
Sowas von egal
Lagerhalle
Nimm’s leicht
Souljah Boy
Phase / Apfelschnitzschneider / Gettin‘ jiggy with it
Partykirche (Maeckes)
Bessa Bessa
Nummer warte mal
Das Geschenk
Dir dir dir
Zugabenrunde:
Dear Mozart
Rosa, Blau, Grün
Jetzt
Schwung in die Kiste