FÖLLAKZOID, 28.10.2019, Manufaktur, Schorndorf

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Es gibt so Konzerte, die sich so sehr von den Handelsüblichen unterscheiden, dass man schon wieder Schwierigkeiten hat Worte dafür zu finden. Vielleicht ein Hinweis darauf wie eng die eigene Betrachtungsweise, um musikalische Liveauftritte zu beschreiben, eigentlich so ist. Nun gut, dann lassen wir es mal im schiefen Metapherngebälk schön knacken und knirschen beim hilflosen Versuch diesen so faszinierenden Abend zu schildern.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Die Krautelektroniker Föllakzoid kommen aus Santiago de Chile, deren psychedelische Undergroundszene dem Guardian vor ein paar Jahren einen Artikel wert war. Würde man die Band nach ihrer Musik geografisch verorten wollen, wäre das irgendwo in einer dunklen Ecke des Andromedanebels mit einer praktischen Wurmlochabkürzung nach Düsseldorf und das krautdeutsche Rheinland. Und damit wären wir beim Konzertbeginn.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Auf der sehr dunklen Bühne wird eine Kerze angezündet, anschwellende elektronische Geräusche, die an Interferenzen erinnern, erschüttern einen bis ins Mark. Und dann setzt der Beat ein. Ein unerbittliches Ticktack, wie eine zu schnell gehende Uhr. Und bis auf zwei kurze Aussetzer weniger Sekunden, wird der Schlagzeuger diesen Beat mit nur minimalsten Variationen bis zum Ende durchkloppen. 75 Minuten, ticktack, und die Bassdrum dazu immer auf die eins. Gnadenlos. Darüber wabbern minimale düstere Sounds der beiden Keyboarder. Langsam aufbauschend, in Nuancen sich verändernd, wieder abflauend. Die klanglich verwandten Beak sind im Vergleich dazu eine virtuose Progrockband mit opulentem Hang zum Barocken.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Blickfang, wenn man das bei den Lichtverhältnissen so bezeichnen kann, ist der/die Gitarrist(in). Domingo García-Huidobro ist in älteren Einträgen als Name zu lesen, mittlerweile aber eher Domingae. Sie hat Frauenkleider an, untermalt die Musik mit hypnotischen Bewegungen und völlig verfremdeten Gitarrentönen. Dazu wird ordentlich geraucht, und da passt es auch bestens in diese seltsam gespenstisch-erotische Szenerie, dass Domingae schon seit längerem Filme macht, die ebenfalls düstere, verstörende Bilder evozieren . Kein Zufall, dass der Auftritt stark den Charakter eines unklar okkulten Ritus hat.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Relativ schnell wird klar: dieser Abend wird nur aus diesem Songmonolith bestehen. Die unerbittliche Motorik des Krautrocks, das martialische immer auf die Eins des Techno, die Düsternis von Darkwave, und die hypnotische Bewusstseinsmanipulation von Drone und Psychedelic. Man muss sich also gestatten in das dazu passende Mindset abzutauchen, irgendwo was zwischen Hypnose, Kontemplation und innerer Reise. Dann kann man ein Extrem-Markus-Lanz-Reinhold-Beckmann-Gesicht aufsetzen und sich selbst fragen: „Was macht das mit einem?“

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Wäre man der Typ Wochenendraver könnte man sich praktischwerweise einfach nur die Restdrogen der Vortage aus dem Körper tanzen. Aber auch nur so tanzen scheint zu funktionieren. Oder man kann die Augen schließen und angsterfüllte schwarz-weiß Visionen apokalyptischer Weltuntergänge vor dem inneren Auge abspielen lassen. Ebenfalls nicht auszuschließen, dass man nach dem xten Wahlsonntag mit Renazifierungsscheisse anfängt, das Ganze politisch zu deuten. Im Sinne von: dies ist Kunst, die in ihrer Mischung aus Düsternis, anstrengender Monotonie und Verschwimmen von Geschlechtlichkeitsgrenzen jedem Rechten sauer aufstoßen würde. Und in diesen Zeiten reicht auch manchmal so ein Gedanke, um Endorphine auszuschütten.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Auf jeden Fall lässt dieser Auftritt niemanden kalt. Entweder man geht nach einer Weile, weil man die Monotonie nicht aushält, man nicht gepackt wird, oder man wird Teil dieser Messe. Für mich bleibt am Ende ein wirklich ungewöhnlich starker Eindruck. Die ganze Atmosphäre der letzten 75 Minuten war berührend auf eine ganz eigene Art und Weise. Wenn man immer sagt, dass Musik einen an ganz andere Orte entführen kann, hier war es tatsächlich so. Kein sehr idyllischer Ort, aber irgendwie würde man da gerne wieder hin.

Föllakzoid

Foto: Steffen Schmid

Ein Gedanke zu „FÖLLAKZOID, 28.10.2019, Manufaktur, Schorndorf

  • 31. Oktober 2019 um 10:16 Uhr
    Permalink

    Mensch Lino, Deine Rezensionen werden immer besser – sagenhaft und vielen Dank Dir!
    Wobei ich Holgers mathematische Lösung inklusive hübscher Grafiken bei Sunn o))) ebenfalls geil fand!

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