ÓLAFUR ARNALDS, 08.10.2018, Forum, Ludwigsburg
Wer sich den Tourplan von Ólafur Arnalds anschaut, kann nur staunen: 105 Konzerte hat der rührige Isländer für 2018 und 2019 auf dem Plan. Und das weltweit und nur in den feinsten Locations: von der Oper in Sydney über die Royal Albert Hall und Elbphilharmonie bis hin zum Wiener Konzerthaus. Alles dabei, was die Herzen von Musikfreunden höher schlagen lässt. Und das Forum in Ludwigsburg. Ein Zweckbau der späten Achtziger Jahre, dessen spröder Charme nicht ganz an die berühmten Musiktempel heranreichen kann. Das ändert aber nichts dran, dass der große Saal nahezu ausverkauft ist.
Ein äußerst gemischtes Publikum hat sich eingefunden – vom langbärtigen Island-Fan bis zu eleganten Kulturbürgern ist alles vertreten. Altersmäßig von Jugend bis Rente alles dabei. Als der schlaksige, graumelierte, sonst aber sehr jugendlich wirkende Arnalds die Bühne betritt, brandet ihm ein höflicher Begrüßungsapplaus entgegen. Das fühlt sich eher wie ein Kammer- als wie ein Popkonzert an.
Sein aktuelles Album „re:member“ steht im Zentrum des Abends. Ganz entspannt platziert er sich am Konzertflügel, der vorne an der Bühnenkante steht. Ein Streichquartett hat er um sich arrangiert. Im Hintergrund stehen zwei weitere Klaviere. Der Abend beginnt unprätentiös mit locker dahingespielten Pianomelodien. Wie fast alles in Arnalds Werk handelt es sich um eine simple, eingängige Melodie. Die permanenten Wiederholungen bei kleinsten Variationen lassen sich fast im Bereich Minimal Music verorten. Steve Reich und Philip Glass darf man gerne als Referenzen heranziehen. Das ist – vor allem wenn man den Lärm und Dissonanzen gerade draußen gelassen hat – wirklich schön.
In weiteren Songs wird den exquisit aufspielenden Streichern mal mehr oder weniger Raum gegeben. Wenn dann aber noch Synthie-Sounds, Tiefbässe und ein Schlagzeuger dazu kommen, dann kommen auch Kiasmos-Fans auf ihre Kosten. Zumindest von der Dynamik her stellen diese Ambient-Tracks die Höhepunkte des Sets dar. Zumal dann auch die exzellente Lichtinstallation spektakuläre Effekte und virtuelle Lichträume in den dezent eingenebelten Saal stellt. Der Reiz besteht natürlich im Wechsel zwischen den kleinen Piano-Melodien und den opulenteren Werken. Dazwischen plaudert Arnalds charmant mit dem Publikum. Und erzählt zum Beispiel die Geschichte der beiden Klaviere, die er in zweijähriger Arbeit und mit viel Technik so hat umbauen lassen, dass sie von einem zentralen Keyboard gesteuert werden können und sein zentrales Klavierspiel mit mehreren Schichten von perlenden Klavierläufen ergänzen.
Die Schönheit all dieser Arrangements – vielleicht ein Problem des ganzen Genres „Neo-Klassik“ – birgt auch eine Gefahr: die Grenzen zu Pathos oder Kitsch sind manchmal verdammt nah, und wenn dann ein Melodie allzulange gefällig vor sich hin plätschert, dann ist Richard Claydermann nicht allzu fern. Böse Zungen könnten das Ganze vielleicht sogar als Wellness-Soundtrack abqualifizieren. Dabei zeigt Arnalds die Stärke seiner Kompositionen (die sich übrigens alle hervorragend als Filmmusik eignen würden), als er beim Ausfall der Soundanlage ein Klavierstück solo und unverstärkt zum Besten gibt.
Es ist auch das einzige der leisen Lieder, das nicht vom penetranten Grundrauschen der Anlage beeinträchtigt wird. Ganz besonders das letzte Lied des Abends, eines für seine verstorbene Großmutter, ist derart zart hingehaucht, dass es fast im Rauschen untergeht. Und dieses Lied hätte der Höhepunkt des Abends werden können. Subtiler und eleganter kann ein Abschied nicht vertont werden. Wenn nicht das Streichquartett, das bereits die Bühne verlassen hatte, die Melodie als „Fernorchester“ hinter der Bühne aufgenommen und weitergeführt hätte. Das ist leider derart überzuckert, dass es einen klebrigen Nachgeschmack nach einem sonst sehr gelungenen und perfekt durcharrangierten Konzertabend hinterlässt. Schade, hier wäre noch weniger noch mehr gewesen.