KÄPTN PENG & DIE TENTAKEL VON DELPHI, 04.12.2017, Im Wizemann, Stuttgart
Vor ein paar Jahren geisterte eine lustige Untersuchung durch die einschlägigen Musik-Blogs. Streng wissenschaftliche Fragestellung: Welcher Rapper hat den größten Wortschatz? Als Maßstab wurden Shakespeares Dramen und Moby Dick herangezogen. Gewinner war übrigens Aesop Rock mit 7.392 Worten. Leider wurden Käptn Peng & die Tentakel von Delphi in dieser Analyse nicht betrachtet. Ich bin mir aber sicher: sie hätten nicht nur die gesamte HipHop-Possee abgehängt, sondern auch die Größen der Weltliteratur. Was Robert Gwisdek alias Käptn Peng über sein Publikum ausschüttet, stellt in punkto Wortschatz, Sprachgewalt, Dichte und Witz wirklich alles in den Schatten, was ich jemals im Bereich Sprechgesang gehört habe.
Und es ist erstaunlich, was für ein breites Publikum er damit erreicht. Die Schorndorfer Manufaktur, die ihn gebucht hat, hätte für diesen Gig niemals ausgereicht und auch das dreimal so große Wizemann ist seit Wochen ausverkauft. Dort hat sich jedenfalls ein selten buntes Völkchen versammelt. Vom pausbäckigen Grundschüler bis zum graubeschopften Rentner ist wirklich alles dabei. Feuilleton-Leser und Jugendliche in HipHop-Tracht. Ganze Familien sind mit Kind und Kegel angerutscht. Wenig familiengerecht ist es allerdings, den bekanntermaßen umfangreichen Auftritt auch noch durch eine Vorband zu verzögern. So beginnt Käptn Pengs Performance leider erst um zehn vor neun und wird mit einer Dauer von „zwei Stunden und zehn Minuten“ angekündigt. Beim Opener „Pförtner“ haben sich Käptn Peng und seine vier Musiker kleine Leselampen vor die Stirn geschnallt und agieren im Halbdunkel. Ein schicker Effekt und ein Auftakt zu einer bemerkenswert guten Lightshow, die ebenso originell und abwechslungsreich ist wie das musikalische Programm.
Was dann in den nächsten zwei Stunden auf das begeisterte Publikum einprasselt, ist nicht nur eine Reihung überraschender Metaphern, kurioser Wortneuschöpfungen und gewagter Reime, es ist auch eine rasante Reise durch Käptn Pengs pralle, surreale Fantasiewelt. Die Tentakel von Delphi sind mit zwei Schlagzeugern einem Gitarristen und einem Multiinstrumentalisten (u.a. Kontrabass und diverse Keyboards) extrem rhythmusorientiert aufgestellt, sind aber in vielen Stilen – bis hin zu Tango oder Bossanova – unterwegs.
Zweimal im Set hat die Band allerdings Sendepause und Käptn Peng liefert sich eine klassische Rap-Battle mit seinem Bruder Shaban (tatsächlich sein Bruder Johannes Gwisdek). Großartiger HipHop ohne Klischees. Überhaupt: der Gig strotzt von musikalischen Ideen und ungewöhnlichen Darbietungen. Seien es die liebevoll ausgestaltete Bühne, die improvisierten Fuchsmasken oder der Dialog mit einer Socke als Handpuppe.
Und hier muss nochmal das erstaunliche Publikum erwähnt werden. Dass zum Ende der „Sockosophie“ zwei Dutzend Socken auf die Bühne geworfen werden, beweist sicheres Repertoire-Wissen und gute Vorbereitung. Beeindruckend ist vor allem, mit welcher Sicherheit die hochkomplexen Texte lautstark mitgesungen werden. Keine Frage: Käptn Peng ist der Benchmark für intelligenten deutschen Sprechgesang. Ein fulminanter Gig für Herz und Hirn. (Und meine Jahresbestenliste muss nochmal neu sortiert werden)
Setlist
Pförtner
Neue Freunde
Backpfeifenernte auf dem Alphabeet
Spiegelkabinett
Tango im Treibsand
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ
Meister und Idiot
Flotten von Mutanten
Werbistich
Monster
WobWobWob
Todesbossa
PI
Sockosophie
Füchse
MC HomoSapiensSapiens
Im Labyrinth
Der Anfang ist nah
Tier
Platz da
Schöner Bericht und schöne Fotos
( die Vorband war auch nicht so mein Fall)