HUNDREDS, JOCO, 04.12.2017, Theaterhaus, Stuttgart
Eine ganze Weile lang hatte ich mich sehr auf den 4. Dezember gefreut – Käpt‘n Peng und die Tentakel von Delphi kündigten sich für diesen Abend Im Wizemann an. Irgendwann spülte es jedoch die Ankündigung einer erneuten Elektro-Akustik-Tour der Hundreds in meine Filterblase – und ab diesem Augenblick freute ich mich nicht nur auf diesen Montag im Advent, ich sehnte ihn förmlich herbei. Das liegt vornehmlich an ihrem Konzert vor zwei Jahren in der Manufaktur, als sie schon mit demselben Konzept das gesamte Publikum sowie die anwesende gig-blog-Fraktion verzauberten und in den höchsten Tönen schwärmend zurückließen.
Als vierter Autor reihe auch ich mich – so viel sei schon verraten – in die Riege der Begeisterten mit ein.
Als Support bringt das Hamburger Geschwisterpaar ein Geschwisterpaar aus Niedersachsen mit: Joco. Mir bislang noch unbekannt, präsentieren Josepha und Cosima ihr zweites Album „Into The Deep“ und beweisen, dass es noch viel tolle Bands gibt, auf die man bisher einfach noch nicht gestoßen ist. Mit Stage-Piano oder Gitarre sowie mit reduzierten Drums und Samples spielen Joco Songs, die von einer Leichtigkeit getragen werden, aber nie belanglos sind. Sogar dann nicht, wenn es zwischendrin einmal einen deutschen Text zu hören gibt – oft der Grat, an dem viele Bands ins Kitschige abgleiten. Die beiden harmonieren stimmlich hervorragend zusammen und ernten mit jedem Song, den sie spielen, einen stärkeren Applaus des sehr aufmerksamen Publikums. Joco bleiben definitiv auf meinem Radar.
Auf diesem sind die Hundreds nie ganz verschwunden. Ihr erstes Album „Hundreds“ ist vielleicht eines meiner meistgehörten Alben zu Beginn dieses Jahrzehnts und, gepaart mit den Erinnerungen an das magische Konzert vor zwei Jahren, wuchsen die Erwartungen in beinahe unerreichbare Höhen. Der Saal im nicht allzu großen und unbegreiflicherweise nicht ausverkauften T2 des Theaterhauses füllte sich nach der Pause recht zügig, was vielleicht an der rigide agierenden Dame am Einlass lag, welche zu spät Kommende am liebsten noch die Hausordnung hätte abschreiben lassen, vielleicht aber eher der gespannten Erwartung. Denn die Lichtinstallationen und zahlreichen Apparate, die man schon die ganze Zeit auf der Bühne betrachten konnte, versprachen einiges.
Genug der unnötigen Worte: Das Cover (Touchy Mob) „Foam Born“ ist das erste Stück und alle doch noch aufkommenden Zweifel, dass ich nach dem famosen Schorndorf-Gig die Erwartungen zu hoch geschraubt hätte, verfliegen mit jedem Takt, den Eva und Philipp Milner hier zelebrieren. Vom ersten Augenblick an ist eine selten zu sehende Intensität auf der Bühne – aber nie bemüht. Vom ersten Song an ist eine intensive Kommunikation zwischen den beiden zu bestaunen, die ein beeindruckendes Zusammenspiel als Ergebnis hat – aber nie zu verspielt. Auch als Florian Wienczny zunächst zusätzlich neben Philipp Milner an den Synthies und später am Schlagzeug Platz nimmt, nimmt die Intensität zu keinem Zeitpunkt ab. Das hat mehrere Gründe: Die Songs sind schon im Original gut arrangiert, aber im neuen Akustik-Kleid erscheint das Arrangement teilweise noch ausgefeilter. Und dieses Gespür für die perfekten Übergänge, wann welches musikalische Element in den Vorder- oder Hintergrund rücken muss, um für die anderen Raum zu lassen oder wann welcher Song ein langes Outro vertragen kann – das erfordert ein hohes Maß an Akribie.
Ein weiterer Grund ist Eva Milner Stimme. Schon bei „Foam Born“ zeigt sich ihre hohe Varianz in Höhe, Ausdruck und Betonung. Scheinbar mühelos verleiht sie den jeweiligen Songs die passende Stimmung: Drängend („Machine“), sehnsuchtsvoll und euphorisch („Grab The Sunset“) oder bedrohlich („Rabbits On The Roof“). Eine Stimme, der man nicht lange genug zuhören kann. Wenn dann noch der Bruder die Zweitstimme übernimmt („Ten Headed Beast“), während er die zurückhaltend hymnischen Klänge aus den zahlreichen Apparaturen oder dem Stage-Piano zaubert. Verzaubert sind vermutlich alle an diesem Abend, es kann eigentlich nicht anders sein. Gebannt wird gewartet bis der letzte Ton jedes Songs verhallt ist. Gespannt wird gewartet, was beim nächsten Song passiert: wie ist das Licht abgestimmt? Wohin schwebt Eva Milner barfuß auf der Bühne? Wer gibt wem den Einsatz oder den Takt vor?
Nach 90 Minuten ist dieses wunderbare Konzert zu Ende und die Gewissheit vorhanden, dass meine Vorfreude auf das nächste Konzert keinesfalls geringer sein wird.
In der Tat ein so schönes Konzert habe ich wenige erleben dürfen. Blöd mit den Superlativen, aber was bleibt mir übrig.