AMON AMARTH, CARCASS, 19.11.2013, MHP-Arena, Ludwigsburg
Zu oft müssen wir ja beklagen, dass Konzerte von schwer verehrten Bands schlecht besucht sind. Ein Problem, welches die Veranstalter von Rock- oder Metalkonzerten in der Arena nicht zu kennen scheinen. Die zwei anderen Shows, von denen ich berichten durfte (Volbeat + Entombed, Motörhead + Anthrax) waren zwar beide noch besser besucht, aber auch heute ist – zumindest bei Amon Amarth, der Stehbereich ziemlich gut gefüllt mit Menschen in schwarzen (Amon Amarth) – T-Shirts. Alle sind sie gekommen: Die Kutten, Vikinger, der Typ mit einer Kuhmütze, viele Typen mit einer Lederschale ums Handgelenk, oder gleich hoch bis zum Ellenbogen, die Schutz bietet im Kampf Mann gegen Mann mit schweren schmiedeeisernen Waffen. Das Accessoire des Abends ist aber ganz ohne Zweifel mit erdrückender Übermacht: Der Hammer des Thor. Dann ist da aber noch die andere Fraktion, die entweder Carcass-T-Shirts tragende, oder eher so normal bis besser gekleidete. Die sind ziemlich sicher alle eher nicht wegen der Hauptband da sondern wegen der Vorband aus England.
Weil ich auch zu letzteren gehöre, und es von meiner Seite viel weniger zu Amon Amarth zu sagen gibt, wird heute mal der Bock von hinten aufgezäumt.
Amon Amarth – kenne ich nicht. Der Name ist mir ein Begriff, weil ich schon öfter Typen mit Shirts der Band gesehen habe, und in der Nähe meines Arbeitsplatzes eine gut auch mit anderen Stickern aus dem Metallbereich verklebte Karre steht. Auf der Heckscheibe wird ganz fett Amon Amarth beworben. Eher unwahrscheinlich dass ich mir überhaupt mal was angehört habe von der Band. Das Debüt – laut Discogs von 1996 – da war Death Metal bei mir schon ziemlich durch, die glorreichen Tage vorbei. Dazu kommt, dass die Band aus Skandinavien kommt, und mir allgemein DM-Bands aus dem hohen Norden nicht so zugesagt haben. Ausnahme: Entombed. Mit Black Metal verhält es sich umgekehrt – früher albern gefunden, heute gefallen mir auch die alten Sachen aus der Nähe des Polarkreises ziemlich gut.
Amon Amarth – ein Name aus „Der Herr der Ringe“ – man kann sich also schon ungefähr vorstellen, in was für eine Richtung das gehen wird. Das Bühnenbild: Kampfszene. Wahrscheinlich Wikinger gegen Feind im Streitwagen. Der Sänger spielt kein Instrument, wir haben also vier Mann vorne in Reihe, die gerne den „Helikopter“ zu ihrem melodischen Death Metal anschmeißen. Die Fans grölen die Melodie eines der ersten Stücke im Stil von „Seven Nation Army“ mit. Die Stücke kommen mir ziemlich aalglatt vor. Im engeren Sinne für das Metal-Publikum massentauglich. Die Doublebassdrum wird regelmäßig bemüht, es gibt ein bisschen Dampf im Sinne von Rauch aus vier Maschinchen, und die üblichen Ansagen und Anfragen mit extra tiefer Stimme, ob auch alle Spaß haben. Haben die Fans. Zwischendurch sind Lieder dabei, bei denen ich schon denke, gar nicht mal so übel. Aber im Großen und Ganzen kann ich mit dieser Show, diesem Style nichts anfangen. Einem kürzlich verstorbenen deutschen Mitarbeiter von „Metal Blade“, dem Label von AA wird noch kurz gedacht. Unsympathen sehen anders aus. Was man der Band noch sehr positiv ankreiden muss, ist die Tatsache, dass sie Carcass mit auf große Europa-Tour genommen haben. Es wäre uns sicher nicht vergönnt gewesen, sie in einer solchen Halle auf großer Bühne und dickem Sound sehen zu dürfen.
Carcass kenne ich schon ewig. Schätzungsweise so mit 13/14 die ersten Tapes gehabt. Allgemeine Zustimmung herrschte beim Output des englischen Labels „Earache“, bei dem auch Caracass unter Vertrag waren. Ich beschreibe jetzt mal lieber nicht, wie wir den Namen „Earache“ früher ausgesprochen haben. Da gab es aber noch ganz andere Schnitzer. „Skid Row“ wurde mal von einem älteren Kumpel, der es eigentlich schon hätte besser wissen müssen mit „Raue Haut“ übersetzt. Respektablen Autoritäten mit gewachsener Kutte, Kreidler Flori, Pickeln und Bartflaum hat man sowas einfach geglaubt, wenn man zu den Jüngeren in der Clique gezählt hat. Carcass haben bei mir in der Einordnung so zwischen Death Metal und Grindcore gelegen. Mit Gitarrist Bill Steer war ein ehemaliges Mitglied der zuvor zerbrochenen Napalm Death an Bord, also lag Grindcore nicht weit entfernt. Mit den Alben „Necroticism – Descanting The Insalubrious“ und noch mehr mit dem 1993er Meisterwerk „Heartwork“ wurden sie jedoch für ihren melodischen, höchst unpeinlichen Death-Metal-Sound berühmt. Mit den verschiedenen Metalbands die man so mochte und teilweise noch bis heute mag, hat man ja häufig Verbindungen geknüpft. Motörhead – Säufer. Sepultura – Skater. Deicide (nie gemocht) – übelste Satanisten.
Carcass bedienten ein anderes Image. Hartnäckig hat sich das Gerücht gehalten, dass die Band aus Medizinstudenten besteht, die original an Leichen rumsägen, und das in ihren Songs verarbeiten. Denn Designs, Texte (Kauderwelsch aus medizinischen Fachausdrücken) und Bilder gingen immer in die Richtung Seziertisch, Operationsbesteck, sprich der Tod nicht im klassischen Sinne mit Totenkopfdesigns von Pushead, sondern subtiler. Ich hatte davor ziemlichen Respekt, und Carcass hatte ich damals als total Intellektuelle angesehen, die in jungen Jahren die Sau rauslassen, nebenher studieren und später als hochdotierte Ärzte arbeiten. Es wäre heute ziemlich problemlos, das Gerücht zu überprüfen. Mache ich aber nicht. Es ist mal ganz ganz schwer davon auszugehen, dass da überhaupt nichts dran ist. Was ich erst mit und via Internet gerne erfahren hatte war, dass John Peel großer Carcass-Fan war. Balsam für die Seele, Genugtuung pur.
Hauptsache sie sind wieder da. Schon länger heißt es, dass an einem neuen Album gearbeitet wird, und dieses Jahr war es dann soweit. Keine wirkliche aber eine sehr angenehme Überraschung war dann, dass sie wie so viele andere Veteranen beim schwäbischen Nuclear Blast das neue Album „Surgical Steel“ veröffentlicht haben. Damit zementiert das Label mal wieder den Status das größte unabhängige Metal-Label auf dem Planeten zu sein. Weitere gute Nachricht: Die Platte, die erste seit 1995(!) ist nicht in die Hose gegangen. Beim Artwork stimmt auch alles, was ja keine Selbstverständlichkeit ist. Immer wieder gerne zitiertes Negativstbeispiel: Danzig. Der Niedergang lässt sich an der stetig steigenden Schrecklichkeit der neuen Cover ablesen. Die neue Kreator, wenn auch nur eine Liveplatte, übrigens auch ziemlich schrecklich.
Zu den Instrumentalklängen vom Opener der neuen Platte laufen Carcass, die noch zur Hälfte aus Originalmitgliedern bestehen, unter dicken Applaus auf der Bühne ein. Ich hatte gehofft, dass das Set mit dem ersten Stück der „Heartwork“ beginnen wird, und der Wunsch wird erfüllt. „Buried Dreams“ ist einer der ganz großen Hits. Schon die ersten 30 Sekunden sind heavier, als alles was ich nachher von Amon Amarth gesehen haben werde. Besser geht es nicht. Klingt super, sieht mit dem Bühnenbild aus OP-Besteck und zwei Leinwänden dazu noch top aus. Wer deshalb gekommen ist, hat das Begeisterungsgesicht drauf, ich bin nicht der einzige. Ich wusste gar nicht mehr, wie klein Sänger/Basser Jeff Walker ist. Lange, lange, lange ist es her, dass ich sie live gesehen habe. In Ludwigsburg spielen sie nicht zum ersten Mal, wie Walker berichtet, „1990 Rockfabrik“, und ein Gruß an einen Micha geht raus. Wer es sich anschauen will, hier bitte.
„Incarnated Solvent Abuse“ – hier läuft das Carcass-Mixtape, das ich mir vor der Show noch zusammengeklickt habe. Wer alt genug ist um Headbanger’s Ball mit Vanessa Warwick zu kennen – das Video zu diesem Stück lief in der Heavy Rotation, damals in der medialen Steinzeit. So viele gute Riffs, so viele schöne Leads, und das alles in fünf Minuten gepackt. Verschwenderisch ist das. Soweit ich es beurteilen kann ist Bill Steer ein super Gitarrist, der trotz ewig langen Haaren irgendwie nicht nach Heavy Metal aussieht. Eher so aus der Zeit gefallen, 60s/70s, mit seiner Gibson, und dazu super dürr.
Weiter geht es mit Stücken von der neuen Platte, die ich erst 2x anhören konnte. Ich würde sagen, geht ziemlich in Richtung „Heartwork“, und das kann nicht schlecht sein. Auf jeden Fall keine Filler die Stücke, auch wenn die Hits natürlich hervorstechen.
Dann kommt was ganz was altes „Genital Grinder“, für „die Fräuleins“ wird ein geschundener Dings abgebildet. Das kurze Stück ist voll super, ewig nicht gehört. Unterhaltsam ist er zu der super Performance auch noch der Walker. „How many Vikings in the audience?“ „How many Pathologists in the audience“. Vikinger vs. Pathologen. Super.
Noch ein Hit vom Mixtape: „Corporal Jigsore Quandary“. Diese Titel. Überstunden sollte ich mir aufschreiben lassen. Das Lied natürlich super. Groovy Death-Metal. Ein Stück von gleicher Quälität wie „Incarnated Solvent Abuse“ – ist auch von der gleichen Platte.
Zum Abschluss erkenne ich noch ein Medley aus „Ruptured in Purulence“ von der „Symphonies Of Sickness“ und dem wohl bekanntesten Stück der Band „Heartwork“ mit dem markanten extrem guten Riff. Noch ein weiteres Highlight.
Begeistert. Hoffentlich kommen sie zurück auf Headliner Tour. Gerne wieder in die Rofa. Würde voll werden natürlich, aber könnte schätzungsweise passen. Der von Jeff Walker erwähnte Micha soll das bitte bitte klarmachen.
Nachtrag für alle Erbsenzähler…
Herr Walker hat als er über 1990…die Rofa…Atrocity…nuschelte, wohl Grüße an den „Matze“ Mathias Röderer (ex-Atrocity) gerichtet.
Jedenfalls konnte ich das glaube ich aus dem Genuschel raushören!?;-) Oder was auch immer! hehehe