SHOPPING, 21.11.2017, Komma, Esslingen
Weniger ist mehr. Alte Binsenweisheit. Shopping, das Postpunk-Indie-Disco-Trio aus London beweist sie schlüssig: Eine Gitarre, ein Bass, ein Schlagzeug, drei Stimmen, keine Effektgeräte, keine Firlefänze. Eins, zwei, drei, vier… und ab dafür!
Bereits letztes Jahr waren die drei im Komma, damals noch im kleinen Saal. Madame Psychosis fand darüber ein paar freundliche Worte, aber ihrem Bericht war auch deutlich anzumerken, dass sie eher des Support-Acts wegen dort war. Dies ist heute ganz anders: Shopping spielen im großen Saal und wir sind ausschließlich wegen ihnen da. Eine Vorband gibt’s ohnehin nicht. Und das ist auch gut so: Mitten unter der Woche sind kleine, knackige Gigs genau das, was einem dem Alltag aufhellt, ohne das man den Spaß mit fiesem Schlafdefizit bezahlen muss.
Obwohl es kurz vor neun noch recht mau aussieht, füllt sich der Saal dann doch noch ziemlich gut. Und mit geschätzten hundert Zuschauern ist das eine Kulisse, die man an einem Dienstagabend – erst recht im Umland – erstmal zusammenbekommen muss.
Wenn Sängerin und Gitarristen Rachel Aggs, Billy Easter am Bass und Drummer Andrew Milk etwas gemeinsam haben, dann sind es lustige Frisuren – und beste Laune. Jedenfalls machen sie umgehend klar, dass sie des Spaßes wegen hier sind. Und es dauert tatsächlich keine zwei Titel, um die Zuschauer in Bewegung zu setzen. Die Kombination aus knackharten Bassläufen, simplen, eingängigen Gitarren-Riffs und einem mächtig vorwärtstreibenden Schlagzeug sind geradezu zwingend. Das eigentlich Markante ist aber der Wechselgesang der drei Akteure. Der lapidare Sprechgesang von Andrew Milk kontrastiert aufs Feinste mit den beiden Frauenstimmen. Assoziationen an die B-52’s oder – noch besser, da ebenso dead british – an Elastica oder die Au Pairs drängen sich auf. Allerdings ohne die Verbissenheit der Letzteren.
Wie gesagt: das ganze knochentrocken und komplett schnörkellos, dafür aber mit vollem Körpereinsatz. Rachel Aggs hüpft barfuß über die Bühne, wagt sich mehrmals ins Publikum und hat den ganzen Abend über ein ansteckendes Dauergrinsen im Gesicht. Einziger kleiner Akzent in der Minimalinstrumentierung: ein Bass-Synthesizer, der einmal den Viersaiter ersetzt (hier lässt die mächtige Anlage des Kommas übrigens den Boden beben) und einmal von der Gitarristin gespielt wird, so dass der Zupfbass die Melodie übernimmt. Und ein Schellenring, der zur rhythmischen Beteiligung im Publikum herumgereicht wird. Trotz seiner Reduziertheit ist das Repertoire so abwechslungsreich, dass der Spannungsbogen permanent hoch gehalten werden kann und irgendwann alle in Bewegung sind. Nach 75 Minuten ist der Spaß vorbei und die drei lassen sich aufreizend lange beklatschen, bevor sie sich zu einem Nachschlag nochmal auf die Bühne bewegen.
Ein wunderbar unprätentiöser Gig, der eventuell noch Einfluss auf meine Jahresbestenliste haben wird. Faszinierend, dass man mit jeweils genau einem Instrumentensound für Gitarre, Bass und Schlagzeug ein derart kurzweiliges Konzert gestalten kann. Und wenn man den Shopping-Andrang (hihi!) am Merch als weiteren Gradmesser hinzuzieht, darf konstatiert werden: Dieser Gig dürfte ein voller Erfolg für Band und Veranstalter gewesen sein.