SHOPPING, FIZZE, 06.02.2016, Komma, Esslingen
Gibt’s keine wissenschaftliche Erklärung dafür, wieso manche Konzerte wahnsinnig gut besucht sind, und bei anderen, die den Zulauf ebenso verdient hätten, außer den Veranstaltern und einer Handvoll Stammgästen niemand auftaucht? Eine These: In reichweitenstarken Musikmagazinen oder anderen Kanälen, die man selber nicht als Infoquelle nutzt, andere aber schon, werden bestimmte Acts einhellig gut besprochen. Infolgedessen finden sich ganz unerwartet erstaunlich viele Menschen bei einem Konzert ein, von dem man erwartet hätte, dass man mal wieder unter sich bleibt. So geschehen am Samstag bei Fizze und Shopping im Komma in Esslingen.
Fizze, das Soloprojekt von Moritz Finkbeiner, hatte ich vom Nice-Noise-Now-Festival beim Kunstmuseum im Sommer als sehenswert in Erinnerung, von Shopping habe ich vorher zugegebenermaßen noch nichts gehört.
Ziemlich pünktlich um viertel nach neun betritt Fizze die in rotes Licht getauchte Bühne. Anders als beim Festival im Sommer tritt er alleine auf. Mit Klebeband hat er eine schwarze Box vor dem Mund befestigt, die aussieht wie ein Stimmverzerrer, vermutlich aber hauptsächlich der Verfremdung der Künstlerpersönlichkeit dient. Musikalisch schließt Fizze eher an die Acid-Noise-Band Mosquito Ego an als an Finkbeiners Sunshine-Pop-Formation Monsieur Mo Rio. An die erinnert heute nur ein silberner Bandaufkleber am Keyboard.
Was hier mit Synthesizer, Samples und der flachen Hand auf den Tasten fabriziert wird, polarisiert natürlich. Für die einen ist es anstrengender Krach und Provokation und bewirkt als Reaktion bestenfalls ratloses Schulterzucken. Andere finden das Minimalistische, Nervöse, Repetitive, Brachiale interessant und durchaus musikalisch. Schwer zu sagen, wie der Auftritt auf jemanden wirkt, die oder der mit dem sonstigen Schaffen und Wirken von Moritz nicht vertraut ist. Als ein Element von vielen fügt sich Fizze eigentlich gut in das facettenreiche Gesamtwerk des Künstlers und Veranstalters Moritz Finkbeiner ein. Experimentelles und das Sondieren von musikalischen Grenzbereichen sind ja auch bei von ihm organisierten Veranstaltungen an der Tagesordnung.
Ansagen oder Erläuterungen gibt es heute keine, höchstens mal ein diabolisch anmutendes Grinsen oder eine vielsagend hochgezogene Augenbraue. Es bleibt Platz für eigene Interpretationen. Vielleicht kann man das Ganze als kompaktes Statement der Verweigerung lesen. Nach knapp fünfzehn Minuten ist der Auftritt vorbei, fand ich genau die richtige Dosierung.
Nach einer kurzen Pause geht es um viertel vor zehn weiter mit Shopping, dem Hauptact des Abends. Auf die kleine Bühne unter dem Kronleuchter passt das Trio (Gitarre, Schlagzeug, Bass) gerade so drauf, viel Bewegungsfreiheit bleibt nicht mehr und das Publikum kommt auch ziemlich nah.
In der ersten Reihe viele begeisterte junge Frauen, das Identifikationspotenzial scheint hoch, schließlich sind auch zwei Drittel von Shopping weiblich. Gespielt wird Post-Punk mit enorm viel Energie, dominantem Bass und prägnanten Gitarrenhooks. Alle drei Bandmitglieder singen, wobei der Schlagzeuger eher spoken-word-artige Parts beisteuert. Alles sehr britisch und erinnert mich, ohne jetzt sehr viel Ahnung von diesem Genre zu haben, spontan an Elastica oder den Auftritt von The Tuts. C. bringt Vampire Weekend als Vergleich ins Spiel, passt.
Zu hören sind ein gutes Dutzend Stücke plus Zugaben. Die Band macht launige Ansagen und fühlt sich trotz kollektiver Ende-der-Tour-Erschöpfung sichtlich wohl auf der Bühne.
Gefällt mir aufgrund der positiven Energie gut, musikalisch aus meiner Sicht nicht besonders aufregend oder neu. Wie nachhaltig der kleine Hype um die Band ist, wird – wie immer – die Zeit zeigen.