NEW FALL FESTIVAL: GRANDBROTHERS, 28.10.2016, Neues Schloss, Stuttgart

Konzertbericht: Grandbrothers im Rahmen des New Fall Festivals am 28.10.2016 im Neuen Schloss, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Wenn die anderen Konzerte des New Fall Festivals nur halb so gut waren, wie das der Grandbrothers im Neuen Schloss, dann darf man jetzt schon konstatieren: Der Kulturimport aus Düsseldorf ist ein Riesengewinn für Stuttgart. Dabei ist das Konzept eigentlich ganz simpel: ein erlesenes Line-Up und hervorragende Locations, bei leicht erhöhten, aber gerade noch angemessenen Preisen. Während zeitgleich in der Liederhalle Boy und Wanda spielen, finden wir uns im Neuen Schloss ein, genau genommen im Weißen Saal. Eine der Prunkräumlichkeiten, die man sonst nur bei hochministeriellen Anlässen im Fernsehen zu sehen bekommt.

Konzertbericht: Grandbrothers im Rahmen des New Fall Festivals am 28.10.2016 im Neuen Schloss, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Um ehrlich zu sein: das Duo Grandbrothers kannte ich vorher gar nicht wirklich; es war die Neugierde auf das neue Festival und die neue Konzertlocation, die mich gelockt haben. Und nicht nur mich: der beeindruckende Saal ist zu gut Dreivierteln gefüllt. Ein eher junges Publikum, Hipster, eventuell ein paar Musikstudenten und ältere Jazz-Fans. Jedenfalls liegt eine erwartungsfrohe Spannung in der Luft, als der Veranstalter mit einer kurzen Einleitung Erol Sarp und Lukas Vogel ankündigt.

Ersterer nimmt am imposanten Steinway-Flügel Platz, während sich Vogel hinter einem Pult voller Elektronik postiert. Zwischen den beiden Musikerplätzen armdicke Kabelbäume, die irgendwo im Flügel verschwinden. Das Klavier wirkt wie ein Patient auf der Intensivstation, der nur noch mittels komplizierter Technik am Leben gehalten werden kann. Doch der Eindruck täuscht: was hier aufgebaut wurde, ist eine der spannendsten und vor allem lebendigsten musikalischen Installationen, die ich jemals gesehen habe. Vereinfacht gesagt: die beiden spielen den Flügel vierhändig. Erol, als ausgebildeter Jazzpianist, tatsächlich mit der dafür vorgesehenen Tastatur, Lukas über diverse elektronische Geräte, die kleine elektromagnetische Hämmerchen steuern. Diese sind mittels Schraubzwingen am Korpus des Flügels, über eine Traverse über den Saiten und am metallenen Rahmen des Geräts befestigt. Gesteuert wird dies über Computer, ein Drumpad und diverse andere, teils selbstgebastelte Armaturen.

Konzertbericht: Grandbrothers im Rahmen des New Fall Festivals am 28.10.2016 im Neuen Schloss, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Eine weitere musikalische Ebene entsteht dadurch, dass Vogel das Gespielte aufnimmt, live verändert, teilweise loopt und somit aus dem Flügel ein mehrdimensionales, vielstimmiges Melodie- und Rhythmus-Instrument macht. Klingt jetzt vielleicht ein wenig kopflastig, ist es aber überhaupt nicht. Die Melodien sind eingängig, teilweise geradezu simpel, die Rhythmen mal locker plätschernd, mal treibend synkopisch. Irgendwo im Spannungsfeld zwischen Minimal Music, Ambient, Neo Classic und Techno. Steve Reich, John Cage, Brian Eno und Nils Frahm treffen sich in einer Hackerbude.

Unterbrochen wird das Programm nur durch ein paar sympathisch-ungelenke Ansagen, inklusive einer ausführlichen Erklärung der Technik. Die leichtsinnigerweise früh angekündigten zwei Zugaben reichen aber nicht. Die Zuhörer sind derart aus dem Häuschen, dass sie die beiden zu einem dritten Nachschlag herausklatschen. Nach zwei Stunden endet ein fulminanter Auftritt mit stehenden Ovationen und nahezu das gesamte Publikum kommt der Einladung nach, sich das Setup auf der Bühne anzuschauen und Fragen an die Musiker zu stellen. Ein Festival-Einstand vom Feinsten!

Konzertbericht: Grandbrothers im Rahmen des New Fall Festivals am 28.10.2016 im Neuen Schloss, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

P.S.: Den Zuschauerfragebogen haben wir der sympathischen Festival-Crew nur allzu gerne ausgefüllt. Nur zur Sicherheit, falls meine Handschrift nicht leserlich ist: mein Band-Wunsch für nächstes Jahr heißt „Agent Fresco“ ;)

Grandbrothers

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