RY X, 05.03.2016, Schocken, Stuttgart
Ry Cuming und Stuttgart. Das passt. Seinen letzten Gig hier – im Juli mit seinem Band-Projekt Howling im clubCANN – habe er in guter Erinnerung, erzählt der sympathische Australier. Und auch der heutige, dieses Mal allerdings als Ry X im Schocken, wird ein gelungener werden. Beim aktuellen Tourplan reiben wir uns wieder die Augen: Manchester, Glasgow, London, Berlin und Stuttgart, ein ganz schön illustrer Kreis für unser „Städtle“. Ok, bei der großen Album-Release-Tour im Mai sind wir dann nicht dabei – aber die wesentlichen neuen Titel gibt’s ja schon heute. Und das will sich keiner entgehen lassen: das Schocken ist komplett ausverkauft.
Zum Warmup setzt sich Jens Kuross ans Keyboard und gibt eine handvoll Songs zum Besten. Klassische E-Piano-Sounds, eine markante Stimme und dazu ein Vortrag in leicht altmodischer Crooner-Manier, das bringt den Laden zur Ruhe und wird mit ordentlich Applaus bedacht. Jens Kuross werden wir übrigens wenig später als Bandmitglied von Ry X wieder treffen.
Das Publikum – die Mehrheit dürften heute die Frauen stellen – drängt sich nah an die Bühne, aber man lässt sich Zeit mit dem Umbau. Erst wollen noch viele Kerzen angezündet, der Sound ein letztes Mal feinjustiert und der Raum dezent eingenebelt sein, bevor dann die Band Punkt neun Uhr die Bühne betritt. Selten haben wir das Schocken derart stimmungsvoll ausgeleuchtet gesehen. Außer den Kerzen schummern nur ein paar dezente gelbliche Scheinwerfer, sogar die Thekenbeleuchtung wird ausgeknipst. Der Club als kuschelige Wohlfühlzone.
Mit den sparsamen Pickings von „Shortline“ eröffnet Cumings das Set, seine markante, hohe Stimme steht prägnant im Raum. Die Tontechniker haben ganze Arbeit geleistet: kristallklar und schon fast räumlich greifbar ist der sparsame instrumentierte Sound. Und auch in den lauteren, basslastigen Passagen passt alles (bis auf die leise mitscheppernden Lüftungskanäle). Der letzte Schwätzer an der Theke wird von einem Mitglied der Band-Entourage freundlich zum Schweigen ermahnt und so ist der perfekte Rahmen für ein intimes Club-Konzert gegeben.
Und spätestens als sich Ry bei „Sweat“ seiner Jacke entledigt um den restlichen Abend im Feinripp zu bestreiten, zeigt der Blick in die glänzenden Augen der umstehenden Damen: dies ist wohl der Typ Mann, von dem Frauen träumen. Gutaussehend, maskulin und soooo gefühlvoll. Immer wieder betont der sensible Vollbartträger, wie schön dies alles sei. Dass man seine Arbeit schätze, das viele positive Feedback, diese Unterstützung für seinen Weg. Man nimmt es ihm gerne ab, mir ist der Abend schon fast ein wenig zu gefühlig. Andererseits: in einer Welt voller Chaos und Gewalt sollte man ihm für diese Lektion in Eskapismus schon fast dankbar sein.
Bei genauem Hinschauen offenbart es sich: meist sind es einfache, schon fast klassische Folk-Songs, die Ry Cuming komponiert. Seine elektronischen Arrangements und die sparsam eingesetzten – teilweise von Jens Kuross live gespielten – Beats machen aber verträumte Kleinode mit hohem Wiedererkennungswert daraus. Schon in der Mitte des Sets gibt es seinen Über-Hit „Berlin“, wenig später auch „Howling“ und nach neun Titeln und einer Zugabe endet der Abend nach einer guten Stunde. Angesichts eines Eintrittspreise von 25 Euro ein eher kurzes Vergnügen, andererseits ein rundes Set ohne Längen, und die Besucher verlassen das Schocken mit durchweg zufriedenen Gesichtern.