SHARON VAN ETTEN, 02.12.2014, Zwölfzehn, Stuttgart
Schon wieder New York, schon wieder Brooklyn. Und schon wieder prasselt ein musikalischer Goldregen in Form von Sharon Van Etten ein. Das Konzert der She Keeps Bees, ebenfalls aus Brooklyn, klingt immer noch angenehm in meinen Gehörgängen.
Das Zwölfzehn ist heute sehr gut besucht. Das rege Gemurmel wird durch die ersten Klänge vom Support-Gast Marisa Anderson leicht eingedämmt. So unaufmerksam wie das Publikum anfänglich auch war, so lässig stimmt Anderson sich auch ein, um dann countrymäßig durchzustarten. Ihr faszinierendes Spiel auf der Lap-Steel Gitarre bringt auch die letzten Plappermäuler dazu, endlich den Fokus Richtung Bühne zu lenken. Endlich erhält sie gebührenden Applaus. Nach dem halbstündigen schönen Vor-Gig geht es eine halbe Stunde später mit Sharon Van Etten und Band los.
Die kleine Bühne lässt nicht viel Raum für Distanz – und das ist gut so. In den USA und in UK füllt Sharon Van Etten große Hallen. Hier schlängeln sich die Sängerin mit Gitarrist Doug Keith, Drummer Darren Jessee, Bassist Brad Cook und Keyboaderin Heather Woods Broderick die Bühne hoch, welche knapp an Quadratmetern ist.
Mit einem unkomplizierten „Thanks for coming“ startet das Set mit „Afraid Of Nothing“, „Taking Changes“ und „Tarifa“ vom aktuellen Album „Are We There“ . Van Etten bringt eine Bandbreite an Instrumenten mit, die während des Konzertes abwechselnd zum Einsatz kommen. Akkustikgitarre, E-Gitarre und Omnichord, das die zarten Klänge bei „Break me“ besteuert.
Für ein sanftes ruhiges Stück gibt es noch einen Rollentausch. Sharon Van Etten huscht ans Keyboard, die Keyboarderin an Van Ettens Mikro und der Rest der Band tritt ab. Wie geisterhaft herangeweht, kommen immer wieder die Harmoniebögen des zweistimmigen Gesangs von Van Etten und Keyboarderin Heather Woods Broderick. Die beiden scheinen ein eingespieltes Team und musikalische Fixpunkte füreinander zu sein. Es ist nicht nur der Gesang, der fasziniert, auch ihr apartes Aussehen. In der unmittelbaren Nachbarschaft wird wie wild fotografiert, als müsste jeder Wimpernschlag festgehalten werden. Aber beide Damen sind da ganz unaufgeregt. Zwischendurch gibt es immer mal wieder Small Talk mit dem Publikum, und für Zwischenrufe nach Songwünschen gibt es ein Lächeln von Van Etten zurück.
Trennung und der damit verbundene Schmerz werden in den getragenen Stücken „I Love You But I Lost“ und „Your Love Is Killing Me“ besungen und durch die Musik verarbeitet. So verletzlich wie die Songs klingen mögen, bekommen sie durch die Stimme von Van Etten Kraft und Energie. Es gibt noch zwei Zugaben. Der letzte Ton von „Serpents“ ist noch nicht verklungen, da gibt es schon lauten Applaus und das Verlangen nach weiteren Zugaben. Gibt es nicht, macht aber auch nichts. Dass man hier noch einen musikalischen Endjahres-Juwel präsentiert bekommen hat, dürfte nach den anderthalb Stunden wohl klar sein.
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