NAPALM DEATH, MACABRE, IMMOLATION, 22.11.2010, Universum, Stuttgart

Napalm Death

Foto: Steffen Schmid

Das Uni ist ordentlich gefüllt an diesem Abend – spielen doch heute vier Bands, von denen wir allerdings nur drei sehen. Macabre , ein Trio aus den USA, sind schon am Spielen, als wir den Club betreten. Eine Band, die ich nur vom Namen kenne. Sympathisch ist gleich mal, dass zumindest der Sänger gar nicht nach typischem Metaller aussieht. Das Mikro hat er nach Art von Madonna am Metal-Head angebracht, der Sound ist eher mittelprächtig und von regelmäßigem Knacken und Spratzeln begleitet. Vor jedem Stück, die offenbar so ziemlich alle von realen Killern handeln, gibt der Sänger einen kurzen Bericht zu Täter, Opfer und Tathergang und Hintergrund ab. Sogar ein deutscher Killer wird besungen, der „Vampire of Düsseldorf“. Die Stücke werden mit ordentlich Speed runtergedroschen, alles mit einem Augenzwinkern – sehr unterhaltsam, kann man empfehlen.

Foto: Steffen Schmid

Weniger empfehlenswert sind dann Immolation. Die Band verkörpert für mich jeden Grund, Heavy Metal nicht zu mögen: Stumpf aber nicht gut stumpf wie z.B. Motörhead, kein Funke Originalität, jedes Stück klingt gleich, wobei der Sound den ganzen Abend lang überzeugen kann. Zuzuordnen sind die Langmähnigen wohl eher dem ernsthafteren Death-Metal. Die Geschwindigkeitslatte wird noch mal ein Stück höher gehängt, aber auch das kann die Band für mich nicht mehr retten. Gut möglich, dass ich mit meiner Meinung sehr allein im Saal bin, denn die Horns werden ausgepackt, die Haare fliegen, und die Band kassiert ordentlich Applaus – von mir gibt’s nur Blickfett. Die aktuelle Heimat (im Sinne von Label) der Band ist, wie wir noch erfahren, unser guter schwäbischer „Blascht“ aus Donzdorf.

Immolation

Foto: Steffen Schmid

Napalm Death sind der eigentliche Grund, warum Gig-Blog heute Abend anwesend ist, denn wir verstehen was von guter Musik. Und die Briten sind nicht nur gut, sondern haben auch eine sehr interessante Band-Biographie, auf die kurz eingegangen werden muss. Bereits 1981 gegründet, hat die Band zig Personalwechsel hinter sich, wobei von der Originalbesetzung kein Mitglied mehr übrig ist. Bemerkenswert ist, was die ehemaligen Mitglieder an Karrieren hingelegt haben, und es gibt sie mit ihren eigenen Bands großteils immer noch. Der ehemalige Sänger Lee Dorrian war erst kürzlich mit seiner Band Cathedral in der Röhre – Gig-Blog hat natürlich berichtet. Bill Steer ist nach wie vor mit seiner Band Carcass unterwegs – es sind erklärte Lieblinge von John Peel gewesen. Der umtriebigste dürfte Justin Broadrick sein, der mit Godflesh Indie-Musikgeschichte geschrieben hat, als Techno Animal z.B. Jon Spencer Blues Explosion begleitet und zig Kollaborationen, aktuell „The Bug“, abgeliefert hat. Diese Truppe hat mit „Scum“ (1987) einen Meilenstein geschaffen. Ein Album, dass in jede ernstzunehmende Plattensammlung gehört! Der Track „You Suffer“ steht angeblich im Guinnes-Buch, als kürzestes Musikstück mit ca. 1 Sekunde Länge. Von Pitchfork hat die Reissue 8,4 Punkte bekommen – das will schon was heißen.

Napalm Death

Foto: Steffen Schmid

Mit diesen Scum Ära Napalm Death, die angeblich legendäre Konzerte in Jungendhäusern und Micro-Clubs auf der schwäbischen Alb absolviert haben, hat die Band heute Abend – vom Personal her – nichts mehr zu tun. Wie kann es dann sein, dass Napalm Death trotzdem noch was taugt und glaubwürdig ist? Weil Alben wie „Harmony Corruption“ und „Utophia Banished“ auf Scum folgten, und die auch super waren/sind. 1994, zur Rage Against The Machine Ära hatten sie (in Zusammenarbeit mit Gunshot) einen veritablen Club-Hit namens „Mind Of A Razor“ – das damals beliebte Konzept HipHop-Vocals, und die Energie des Metal – ein fieser Spitzentrack.

Napalm Death sind zu Monolithen geworden, schon ewig dabei hauen sie praktisch ohne längere Unterbrechung Platten raus, und gehören wohl zu den fleißigsten Tourern aller Zeiten – vergleichbar mit Kollegen wie Slayer oder Motörhead. Im Gegensatz zu diesen Bands spielen Napalm Death immer noch in kleinen Clubs, vom Spirit her kann man aber den Slayer-Vergleich noch mal heranziehen, denn auch Slayer haben ihre Wurzeln im Punk/Hardcore – genau wie Napalm Death.

Klar wird das, als Sänger „Barney“ die Bühne stürmt, und in bester Hardcore-Manier die Show startet – das ist deutlich mehr Punk/Hardcore als Heavy/Death Metal. Unermüdlich speit er seine Anti-Kriegs/Kapitalismus/Umweltzerstörungslyrics mit tiefster Stimme aus. Zwischen den Stücken gibt’s mit breitestem britischen Akzent sympathische aber auch nachdenkliche Ansprachen. Die Stücke sind nach wie vor kurz und heftig, und so kommt eine ganze Latte zusammen. „The World Keeps Turning“ (Hit) kommt, von der Scum kommt das Titelstück, und ich muss schon kurz daran denken, dass das Stück nicht von der Band auf der Bühne ist. Irgendwie schon komisch. Alle Stücke knallen ganz ordentlich, Barney grummelt tief, der Gitarrist ist für die schrillen Schreie zuständig. Teilweise ist das Dargebotene nur schwer mit den Stücken auf dem Tonträger in Verbindung zur bringen (Sound).

Es folgt eine sehr gelungene Cover-Runde, von Siege „Conform“, von den Italienern Raw Power kommt „Politicians“.

Etwas zeitversetzt – ich hatte schon Angst sie lassen es aus – kommt noch „Nazi Punks Fuck Off“ von Dead Kennedys – ein rares Exemplar von Cover besser als das Original – in diesem Fall würde ich sogar behaupten, easy eines der besten Cover aller Zeiten.

Ihren für mich größten Hit bringen sie noch zum Schluss: „Suffer The Children“, der Soundtrack zum Durchdrehen. Für damalige Verhältnisse (1990) auch ein gutes Video – wer alt genug für Headbangers Ball ist dürfte es kennen – hätte allerdings auch ohne Probleme bei 120 Minutes laufen können – Napalm Death eben.

Napalm Death

Immolation

7 Gedanken zu „NAPALM DEATH, MACABRE, IMMOLATION, 22.11.2010, Universum, Stuttgart

  • 24. November 2010 um 12:27 Uhr
    Permalink

    Aus ungefähr der selben Zeit wie „You suffer“ gab es mit „Mega-Armageddon Death“ von den großartigen Electro Hippies (Peel Session 1987) und „E“ von Wehrmacht (Biermacht-Demo 1986) zwei Stücke, die noch etwas kürzer waren, daher wäre ein angeblicher Eintrag im Guinness-Buch falsch.

  • 24. November 2010 um 12:35 Uhr
    Permalink

    Stücke von unter einer Sekunde – die mußt Du mir unbedingt bei meinem nächsten Besuch zeigen. Wir könnten dann gleich mit einer Atom-Stopp-Uhr den Spitzenreiter ermitteln, und das ganze mit Bass und einem Kopftopfdeckel unterbieten. Du hast doch einen Bass, oder täusche ich mich?

    Guinness – Wir kommen.

  • 24. November 2010 um 12:38 Uhr
    Permalink

    Ach Ali, nach „Siege“ mußte ich nicht lange suchen…hehe, eine kaum zu erfassende Quelle habe ich da…

  • 24. November 2010 um 14:10 Uhr
    Permalink

    Siege sind auch wirklich klasse und waren ziemlich derb für ihre Zeit, das Demo von 1984 wurde inzwischen mehrfach gebootlegged, um es für die Nachwelt zu erhalten.

  • 26. November 2010 um 10:03 Uhr
    Permalink

    „Mr Albert Fish, was children your favourite dish“ Macabre sind Poeten

  • 3. Januar 2011 um 09:05 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank! Super Fotos aus Kassel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.