BIERMÖSL BLOSN, 24.11.2010, Theaterhaus, Stuttgart

Biermosl Blosn

Foto: Andreas Meinhardt

Es ist ganz einfach, das Biermoos gehört zum Haspelmoor zwischen München und Augsburg. Da sollte mal ein Flughafenteil und eine Müllkippe hin, aber das wurde nichts, gut so, Moore sind schöner! „Blosn“ nennt der Bayer in seiner Heimatsprache eine Gruppe, Clique – „Blase“ eben – Bagage ist das aus dem Französischen entlehnte schwäbische Wort dafür. Zieht man die beiden zusammen, bekommt man die Biermösl Blosn und so nennen die drei Brüder und politischen bayerischen Volksmusiker Hans, Christoph und Michael Well ihre Kapelle und die spielen heute im Theaterhaus zu Stuttgart. Obwohl das natürlich ein Auslandseinsatz unter erschwerten sprachlichen Hürden ist, haben die Herren in Stuttgart ein Heimspiel. Der Saal ist proppenvoll und restlos ausverkauft, es wurden sogar bunte Kissen für die Treppensitzer an den Saalseiten ausgegeben. Die Durchgangsbahnhofbefürworter sind im Stuttgarter Publikum heute ganz klar in der Minderheit und als die Musiker von der Bühne verkünden, dass sie herzliche Grüße von der Gesellschaft zum Bau des Transrapid aus München ausrichten sollen haben sie gewonnen.

Ein kleiner Einschub ist hier von Nöten: Es stellt natürlich ein gewisses Problem dar, in einem relativ hochsprachlichen Internetzmusikdarbietungsfachforum, in dem gelegentlich vielleicht ein mutiger Schreiberling noch zu Ausdrücken des Slangs, den wo heute das Jungvolk angeblich spricht, und hochgestochener Popmusikbesserwisserfachsprache greifen kann, um seine Hör- und Seheindrücke adäquat zu schildern, über solch tiefbayrisch verwurzelte Musik zu schreiben. Aber wenn man es mit der Gattung Bavarian Country, also native south german folk music zu tun hat, gehen Dir halt leicht die Vokabeln aus, denn Dialekt verschriftlicht sieht einfach immer ungut aus und klingt einfach nicht. Das lässt man. Christoph Well bemüht sich freundlicherweise redlich, die Hauptbotschaften („se messädsch“) durch kleine Englischübertragungen besser verständlich zu machen, aber da bleibt der Witz leider auf der Strecke. Nun gut, als Schwabe hört man sich dann aber doch schnell rein. Geht schon.

Biermosl Blosn

Foto: Andreas Meinhardt

Die Multiinstrumentalistentruppe sitzt fröhlich auf drei Stühlen inmitten ihrem Instrumentenhaufen und kann aus den Vollen schöpfen. Da liegt so einiges: steirische Harmonikas, eine Harfe, viel zum Reinblasen (Tuben, Bach- und sonstige Trompeten), was zum Zupfen und zum Draufhauen und mehr. Die können mit allem wunderbar spielen! Große Augen machen alle, als die Buben zu drei Alphörnern greifen und sich damit an den Bühnenrand begeben, denn erstens sind die Dinger richtig lang und zweitens muss jedes Instrument von einem kräftigen Besucher gehalten werden („Auf der Schulter neben dem Ohr ist es am Besten, da klingt es dann richtig gut!“). Singen können die Herren auch noch und tun das ausgiebig. Manches kennt man schon von vergangenen Besuchen in Stuttgart, schließlich kommen die Biermösls schon immer ins Theaterhaus, das war noch nie anders. Aber man kennt es dann halt doch nicht, weil was ein echter bayrischer Gstanzlsänger ist, der dichtet neu und spontan und improvisiert. Wenn sich ein Besucher gefragt haben sollte, warum die Sänger gelegentlich einen Spickzettel benötigen, dem sei gesagt, die kennen ihre Texte natürlich bestens, nur ist halt oft die Tinte noch frisch. Wem Gstanzl nix sagt, der soll’s halt nachschauen oder ist mit meiner Kurzerklärung zufrieden, dass es sich dabei um’s Battlerappen der Landbevölkerung handelt. Man geht eigentlich aus jedem Konzert der Herren raus und ist sauer, weil man sich die kurzen Stücke doch nie merken kann. Es kriegen wieder alle ihr Fett weg – und wie! Die Schwarzen, die aus Rom ferngesteuert werden und die, die nach der Pfeife des Münchner Silberrückens tanzen und natürlich besonders unsere, die wo den Bahnhof versenken wollen.

Aber auch das eigene Volk und seine Stammesrituale werden genussvoll durch den Kakao gezogen. Weitere Lieblingsfeinde sind natürlich Milchmultis mit Allerweltsnachnamen und Fernsehbierbrauer. Immer wieder gibt’s auch schöne Instrumentaleinlagen und man lernt so einiges über die Musikkultur unseres Nachbarvolkes, dass ein Kochlöffelschrubbelmostfass ein guter Bass ist, wusste vielleicht noch nicht ein jeder und dass man die mittelalterliche Drehleier auch als musikalisches Penicillin gegen Pest, Syphillis und Schweinegrippe verwenden kann, war vielleicht auch einigen neu. Immer wieder werden uns wichtige Erkenntnisse des Hausener Kreisheimatpflegers Toni Drexler kund getan. So wusste natürlich niemand im „VfB-Abstiegserwartungsland“, dass Mozarts Postkutsche mal in einem Kreisverkehr steckenblieb und er ein Musikstück komponierte, das der Hausener Musikverein beim 125. Jubiläum der heimischen freiwilligen Feuerwehr mit Fahnenweihe zur Welturaufführung bringen konnte. Und was man erst mit den Rippenknochen der Heiligen Algunda von Hausen anstellte, bevor sie heilig gesprochen wurde und diesselben für den katholischen Reliquienkult zu schönen Klosterarbeiten umgebaut werden mussten… Man lernt einfach nie aus! Viel zu kurz sind über zwei Stunden um und nach viel zu wenigen Zugaben, trollt sich das Publikum unwillig. Hoffentlich kommen die Gebrüder Well schnell wieder zu uns. Ein Auftritt in Stuttgart macht doch jedem Spass, wenn er so ein g’mähtes Wiesle vorfindet, oder? Ich bin sicher, bald Platteln sie wieder am Pragsattel!

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