JELLO BIAFRA & THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE, 22.08.2009, Backstage, München
Endlich ist Jello Biafra (alias Marshall Lawless, Count Ringworm, Ocupant, Herpes Simplex, Mr. Tweezers, Judas Greenchurch, Humpty Dracula, Dyke van Dick, Smegma Pigvomit, Mucus Melonoma, Fishface Frecklefingers, Sherlock Mansons, Smarter Brother) wieder in Deutschland auf Tour, und zwar nicht um eine seiner (sehr zu empfehlenden) Spoken Word-CDs vorzustellen, sondern zum „Rockin’ Out“ wie er es selbst sagt. Er ist 50 geworden und hat sich zum Geburtstag eine neue Band sowie Europa-Tour gewünscht. Das habe ich jedenfalls aufgeschnappt. Es gibt unzählige Formationen mit denen Biafra schon zusammengearbeitet hat, wohl ähnlich viele wie er Aliasnamen hat.
Zuletzt Jello Biafra with The Melvins und jetzt obige Truppe. Prominentester Mitspieler dürfte der Faith No More – Basser Billy Gould sein, der leider mit genau dieser Band momentan selbst auf Tour ist. Kein Unbekannter steht allerdings in München hinter dem Viersaiter: Andrew Weiss sein Name, besser bekannt als der dritte „Weener“ (Weener habe ich soeben erfunden). Er ist Hausproduzent von Ween und hat daher meine ich bei jedem Ween-Album auf dem Regie-Stuhl gesessen. Am Schlagzeug sitzt sein Bruder, die Gitarristen sind auch aus anderen Bands entliehen, einer von Tumor Circus. Vorgruppe ist das Duo Dudeman, ebenfalls USAler, sauberen schnörkellosen Rock liefern die Dudes ab.
Dann geht ein Ruck durch das gut gefüllte Backstage, erst betritt die Band die Bühne, Andrew Weiss natürlich wie Gene und Dean Ween barfuss, dann kommt Sänger Biafra in einem Kimono oder Boxmantel auf die Bühne gestürmt und ab geht die Post.
Das erste Stück ist, wenn ich mich richtig erinnere, eines vom noch nicht veröffentlichen Album der neuen Band, das Zweite kennt man als Biafra-Freund: New Feudalism. Biafra bringt als Beispiel für die Bedeutung seines Textes unseren „Lieben Ex-Kanzler“ Schröder, der nach Abgabe der Macht jetzt in Russland bei Gasprom sitzt. Selbst die Leute aus der Bush-Administration seien nicht so weit gegangen wie Schröder. Biafra ist ein politischer Künstler, es sollten noch weitere Ansprachen kommen. „New Feudalism“ ist als Protest gegen das WHO-Treffen 1999 in Seattle entstanden, wo Biafra zusammen mit Krist Novoselic (Nirvana) und Kim Thayil (Soundgarden) live zum Mobanheizen gespielt hat. Das Ergebnis ist unter „No WTO-Combo“ Live From The Battle in Seattle veröffentlich worden (wie immer auf seinem eigenen Label Alternative Tentacles) und hat mindestens die Energie von Rage Against The Machine. Das Cover hat Shepard Fairey damals gestaltet, heute weltbekannt durch die Gestaltung des Obama-Hope Motivs.
Weiter geht es mit „Let’s Lynch The Landlord“, dem Evergreen von Dead Kennedys, der bekanntesten Band von Jello Biafra – und das gesamte Backstage freut sich, wie frisch das Stück rüberkommt. Zu fast jedem Lied gibt es eine kleine Anekdote, es wird viel über die Zustände in Kalifornien („broke!“) berichtet, und natürlich heftig über den „Terminator“ (Arnold Schwarzenegger) abgekotzt, wie „chickenshit“ und unfähig zum Regieren er doch sei. Auch mal ganz neu ist, wie Biafra viele Stücke in den Gesangspausen mimisch und mit Verrenkungen untermalt, außerdem ist er ein großer Luftpianist, nicht dass ich schon viele zuvor gesehen hätte, aber so macht das ein Könner.
Titelauswahl ist eine schöne Mischung aus weiteren Klassikern der bereits erwähnten Bands, natürlich kommen die Kennedys-Stücke am besten an, die unvermeidlichen „Punks“ geraten fast in Extase, einer wird jedoch jäh aus selbiger gerissen, als der doch recht „stabil“ gewordene Frontmann unvermittelt den Sprung ins Publikum macht und den Punker fast plättet.
Jello duscht praktisch auf der Bühne, leert etliche Wasserflaschen über seinen stattlichen Körper, und wäscht sich ordentlich die verbliebenen Haare und zwar am Bühnenrand.
Da es ihm dann doch zu rutschig wird schrubbt er mit einem Handtuch die Bühne, und hält anschließend das Drecksteil über die Piranha-Meute. Dann fragt er: „Who wants to eat this towel“? Er ist ebenso fassungslos wie ich, als ihm tatsächlich Zungen aus der ersten Reihe entgegengestreckt werden. Nach zwei Zugaben ist dann Schluss, hat Spaß gemacht. Morgen geht der Punkrock-Sommer weiter mit einem Ramone in Stuttgart. Punks Not Dead!
Wow, Jello Biafra könnte glatt mein Oberkörper-Double sein.
Sehr guter Bericht und knallhart recherchiert
– Fakten Fakten Fakten!
kannst ja bei gefährlichen Beer-Stunts für ihn einspringen. Nutz sie aus, diese Ähnlichkeit!
Hab den Bericht erst gerade eben gelesen (es wird einfach zu viel veröffentlicht aufm Blog ;-)
Das ist ja große Recherchenschule, Henry Nannen hätte seine Freude daran gehabt. Super interessant für einen Not Punk, Alive!