JOSÉ GONZALEZ & THE GÖTEBORG STRING THEORY, 30.03.2011, Theaterhaus, Stuttgart

Jose Gonzalez

Foto: Steffen Schmid

Ist ja auch mal ganz nett, so ein Konzert im Sitzen und dieser José Gonzalez ist ja sowohl solo als auch als Teil der prima Junip eher als sehr leise Töne spuckender Akustik-Barde bekannt, der keine Säle zum Kochen bringt, zumindest nicht während sondern vielleicht eher applausbedingt zwischen seinen Songs.

Los geht’s aber erst mal mit einem einzelnen blonden Mann mit Gitarre und fusseligem Bart, der gelbe Socken und keine Schuhe anhat und auf einem verlassenen Stuhl auf der nun im Vergleich riesig erscheinenden Theaterhaus-Bühne Platz nimmt. Die fehlenden Schuhe erklären sich recht schnell, da Loney Dear mit seinen Füßen einen Sampler bedienen muss, mit dem er sich ständig selbst aufnimmt und im Loop abspielt. Was da aus wenigen Akkorden, einigen vorsichtigen Klatschern als Schlagzeug und im Verlauf der Lieder mehrstimmiger werdendem Gesang entsteht, füllt die Halle dann aber locker aus. Das ist ja fast schon ein ganzes Orchester oder zumindest eine orchestrale Soundwand, die Emil Svanängen da mit Händen und Füßen erzeugt. Andächtig schweigt und lauscht das sitzende Publikum, summt auf Aufforderung ein A und wirkt zu recht angetan von dieser guten One-Man-Show.

Dann gibt es ein 20-minütige Pause, was auch witzig ist, wenn man öfters auf Pop- oder Rock-Konzerte geht, weil alle, hauptsächlich Mitt- bis Endzwanziger, den Saal verlassen und draußen Weißwein oder so was trinken und versuchen, sich so zu benehmen, wie sie denken dass man sich bei einem ansatzweise ernsthaften Klassik-Konzert benimmt.

Denn schließlich ist José Gonzalez heute ganz und gar nicht alleine unterwegs, sondern hat sich vom, nun ja, Orchesterkollektiv The Göteborg String Theory Unterstützung geholt. Wie man nach Pause und erneuter Platzeinnahme sieht, ist das eine Art Kammerorchester, nur dass alle etwa 20 Musiker alters- und vor allem modetechnisch gerade dem neusten H&M-Katalog entsprungen sein könnten. Der Protagonist Gonzalez, obwohl er ganz vorne sitzt und ein Spotlight für sich alleine hat, rückt da visuell (und später auch akustisch) etwas in den Hintergrund, als sich das Orchester und die beiden Backgroundsängerinnen, die im Nebenjob auch locker bei Haute Couture-Shows aushelfen könnten, hinter ihm aufbauen. Der Gedanke, dass man auch gerne in diesem Orchester oder einem ähnlichen spielen möchte, weil das auf einmal nicht angestaubt sondern wie eine coole Lebensperspektive aussieht, wird durchdacht und als positiv befunden. Wieso müssen die Schweden auch immer alle so locker und entspannt und fröhlich wirken, da regnet es doch andauernd und ist immer dunkel.

Jose Gonzalez

Foto: Steffen Schmid

Leider tut die Abmischung der Göteborg String Theory bei den ersten Songs keinen Gefallen, kaum unterscheidbar die einzelnen Instrumente, ein bisschen zu laut plärrt es verstärkt aus den Boxen. Gonzalez leise Folk-Nummern gehen da gelegentlich im orchestrierten Sound-Orkan unter, dirigiert von Musik-Übungsleiter Nackt (mehr Information ist über ihn nicht herauszufinden, macht aber auch keinen Spaß das zu googlen), der mit seinem Stil zwischen Wahnsinn und energischem Ausdruckstanz wie ein durchgeknallter Professor Snape wirkt und durch sein scheinbar sinnloses Gezappel ständig von der Musik ablenkt.

In den Arrangements wurde hörbar darauf geachtet, zwischen den lauteren Orchesterteilen und Gonzalez leisen Soloparts abzuwechseln, das gelingt größtenteils. Seine immer ein bisschen entrückt wirkenden Gesangspassagen passen meist erstaunlich gut zu den orchestralen Parts, die sparsame Lightshow ist gut abgestimmt, auch der Sound wird mit der Zeit besser. So staunt man über die mal elegisch dahinperlenden, mal bombastisch gestrichenen Lieder, die allesamt auf der Zunge zergehen, erinnert sich kurz daran, dass die auch mal für Flachbildfernseher hinhalten mussten, das Publikum lauscht konzentriert und andächtig und ist dazwischen sichtlich und hörbar begeistert.

Irgendwie ist die Zeit dann so auf angenehme Weise dahingeflossen und plötzlich kündigt Gonzalez, in wirklich passablem Deutsch die letzten beiden Lieder an. Dass er auch mal Massive Attacks Teardrop gecovert hatte, fällt einem nun wieder ein, hatte man aber nicht die ganze Zeit drauf gewartet.

Alle zusammen Verbeugung, Gonzalez und TGST ab. Sehr schönes und vor allem seltenes Konzert, das es so oder so ähnlich hier erst mal nicht mehr zu hören und sehen geben wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.