REVEREND CHRISTIAN DABELER & YVY POP, 17.03.2024, Merlin, Stuttgart

REVEREND CHRISTIAN DABELER & YVY POP, 17.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Fabian
Foto: Fabian

Sorry not sorry Leute, es ist mal wieder Spontanberichtalarm im Hause Gig Blog. Da geht man nichts ahnend am Sonntagnachmittag ins Merlin, um das Wochenende mit einem Chai Latte und homemade San Sebastian Cheesecake ausklingen zu lassen und dann trägt sich schon wieder etwas zu, das unbedingt für die Nachwelt festgehalten werden muss.

Doch der Reihe nach. Lesung und Musik mit Reverend Christian Dabeler & Yvy Pop (Mondo Sangue) stehen heute auf dem Programm. Dass das gut wird, war eh klar. Dass wir am Ende alle zu Tränen gerührt in die Nacht wanken, kam dann doch etwas überraschend.

Schon beim Soundcheck mit dem Klotz + Dabeler-Stück „Hunger“ denke ich, wow, wie Yvy mit ihrer tollen Stimme einfach wieder profimäßig auf den Punkt abliefert, das gibt’s doch nicht. Dabei ist das weder ein ihr jahrelang vertrautes Musikprojekt, noch wurde vorher großartig gemeinsam geprobt. Wann hat sie sich denn das bitte wieder draufgeschafft?

Teil eins der Show bildet dann aber erst einmal die Lesung aus „Tamara und Konsorten“, einer Kurzgeschichtensammlung, erschienen im Verbrecher Verlag und verfasst von Dabeler und seiner 2013 verstorbenen Partnerin Almut Klotz (Lassie Singers).

Die Geschichten wurden erst jetzt veröffentlicht, da short stories laut Dabeler (bzw. laut Verlag) in Deutschland keine Tradition hätten und sich entsprechend schlecht verkaufen ließen. Interessant.

Yvy Pop und Dabeler lesen im Wechsel und trinken dazu Weißwein. Die Geschichten finde ich gut und aus meiner Sicht auch kurzweiliger als ein über hunderte Seiten ausgebreiteter Plot.

Almut Klotz habe sich allzu offensichtlichen, autobiografischen Elementen immer verweigert, erläutert Dabeler. Die Stories sind entsprechend eher unkonventionell angelegt, mit Figuren aller Altersgruppen und Geschlechter, überraschenden Plot-Twists (Roberto Schmidtke) oder unerwarteten Zeitsprüngen (Hate & Hyperbolic).

Habe ich es richtig in Erinnerung, dass beide jeweils zwei Stories lesen, oder hatte Yvy doch etwas mehr Leseanteil? Auch hier zeigen sich wieder die Professionalität und das stimmliche und schauspielerische Können der großartigen Yvy.

Die Art von Geschichten läge ihr halt, sagt sie fast entschuldigend, nachdem sie eine Story mit Splatter-Elementen (Rosie) hörbuchreif vorgetragen hat.

REVEREND CHRISTIAN DABELER & YVY POP, 17.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto Fabian
Foto: Fabian

Eine Zeit lang droht der Abend ein bisschen zu entgleiten, als für den Geschmack des Reverend zu wenig Lacher aus dem Publikum kommen. Wir sind uns keiner Schuld bewusst und strengen uns noch mehr an, gebannt, aber möglicherweise etwas zu andächtig, zu lauschen.

Zur Zigarettenpause geht der für Eintritt-frei-Veranstaltungen genutzte Hut rum. Mit Bargeld können wir offenbar besser unsere Zuneigung zeigen, denn es raschelt ordentlich im Zylinder (schwäbische love language vielleicht).

Im zweiten Akt ist der Reverend dann wie ausgewechselt und ganz und gar nicht mehr übelgelaunt. Wobei ich jetzt unterstelle, dass das weniger mit dem Zylinderinhalt zu tun hat, als vielleicht eher mit der Tatsache, dass Musik dann doch das vertrautere Terrain des Künstlers ist.

Mangels Notizen (Spontanbericht) und genereller Verzückung bin ich nicht mehr ganz sicher, in welcher Reihenfolge die jetzt folgenden Lieder kamen, die nur mit E-Gitarre begleitet auf der kleinen Bühne vorgetragen wurden.

„Hunger“ und „Keine Zeit“ waren auf jeden Fall dabei, in einfachen und zu Herzen gehenden Versionen sehr nah dran am Original.

Und dann die zu Tränen rührende Version von „Tausendschön“. Kraftvoll und ohne das ursprüngliche Lied umzudeuten, aber mit genau der richtigen Dosis an eigener Interpretation singt Yvy so schön und selbstverständlich, als hätte sie den Song seit Jahren im Repertoire. In diesem Moment steht dieses besondere Knistern im Raum, das alle verbindet und berührt. Eine unerklärliche Magie, die von allen Kunstformen die Musik immer noch am besten erzeugen kann (anders gelagerte Fachblogs dürfen widersprechen).

Spontan und unvorbereitet folgt noch das Cover „Oh, wann kommst du?“, bekannt durch die Version von Daliah Lavi (1970). Das Stück war für Dabeler bisher immer anders „besetzt“, nämlich als Duett mit Almut Klotz und deshalb als Solonummer ohne Begleitung vorgesehen. Jetzt aber ist wohl doch der Moment gekommen, an dem der Song mit einer neuen Duettpartnerin ausprobiert werden darf und Yvy stimmt auf ausdrückliche Aufforderung hin sanft mit ein. Ein sehr schöner und gelungener Abschluss.

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