GOMO PARK & ZEITSCHLEIFE VISUALS, 02.03.2024, Gasparitsch, Stuttgart

GOMO PARK & ZEITSCHLEIFE VISUALS, 02.03.2024, Gasparitsch, Stuttgart | Foto: Thomas Sommer
Foto: Thomas Sommer

Das für seine feine Bookings bekannte InDieWohnzimmer hat sich für das Konzert von Gomo Park das Gasparitsch als neue Location erschlossen. Der Gig findet im Keller des Stadtteilzentrums statt und schon der Weg nach unten katapultiert einen gefühlsmäßig in die Underground-Club-Welt der Neunziger zurück. Schön rough ist das hier, der Geist von DIY und Subkultur ist zu spüren, eine coole, entspannte Atmosphäre; auch wenn die Lichtverhältnisse für den Fotografen denkbar schlecht sind.

Auf ihrer Homepage kündigt die Band ihr Konzert mit folgenden Worten an: „Audiovisuelles Fischen in trüben Gewässern. Wenn es der Seegang zulässt, geht es weiter raus ins offene Meeresrauschen…“ Das hört sich nach Improvisation an, nach einem fließenden Verlauf und Konzertaufbau; nach einem Konzert, das sowohl für die Konzertbesucher als auch die Band für Überraschungen sorgen wird.

GOMO PARK & ZEITSCHLEIFE VISUALS, 02.03.2024, Gasparitsch, Stuttgart | Foto: Thomas Sommer
Foto: Thomas Sommer

Das Konzert beginnt mit verfremdeten Geräuschen – die fast schon kakophon anmuten – eines fahrenden Zuges und natürlich assoziiere ich das mit dem 1977 erschienene Album „Trans Europa Express“ von Kraftwerk. Doch ganz richtig ist dies nicht wirklich, Gomo Park sind hier diffuser, offener und die Soundpatterns verändern sich schneller, gehen in sanfte Klarinettenklänge über, denen dann aber wieder pulsierende Störgeräusche gegenübergestellt werden. Stimmkollagen wabern durch den Kellerraum und ein von Effektgeräten erzeugtes Knarzen füllt ihn akustisch. Langsam wird ein komplexes Soundgerüst aufgebaut, ein Prozess der es mir nicht gerade leicht macht in die Musik zu kommen. Doch zum Glück schreitet das Prozesshafte weiter voran, um nach und nach von einer zunehmenden Rhythmik gefestigt zu werden, die es einem ermöglicht in das Dargebotene einzutauchen. Der Sound wird repetitiver, tiefer und geradezu tanzbar. Das einsetzende Saxophon sorgt für eine Öffnung des Klangraums, was zu einer Fusion aus Tiefe und Weite führt.

Und es entwickelt sich weiter, bleibt im Fluss. Das musikalische Gewässer ist noch lange nicht ausgelotet. Pulsierende Sequenzer dienen als Echolot um das Trübe zu erkunden und um die in ihm versteckten Klangbilder sichtbar zu machen. Der Seegang wird unruhiger, der Schlagzeugbeat härter und die elektronischen Parts landen an technoiden Ufern an. Ein Elektrosound, der einen in die Clubszene der Neunziger zurückversetzt. Das ist sehr hypnotisch und tanzbar, schon Trance ähnlich; man wird aufgesogen vom halligen Klangraum des Saxophons.

GOMO PARK & ZEITSCHLEIFE VISUALS, 02.03.2024, Gasparitsch, Stuttgart | Foto: Thomas Sommer
Foto: Thomas Sommer

Psychedelische Elemente kommen verstärkt hinzu. Diese neue Klangfarbe zeigt sich auch in den das Konzert kongenial ergänzenden Videoprojektionen von Zeitschleife aka Flo Kurz. Die Projektionen gehen von den am Anfang vorherrschenden kühlen Blautönen ins Rot/Orange Spektrum über. Dieses Überführen ins Psychedelische, was auch durch die immer stärker werdenden Jazz-Elemente unterstützt wird, erinnert mich an den Fusion-Jazz auf Miles Davis Album „Bitches Brew“. Strukturen lösen sich auf, Improvisation entsteht. Doch die Forschungsreise ist noch nicht am Ziel angelangt. Die See wird rauer, das Set rockiger, es wird in den Gründen des Kraut- und Postrocks gefischt. Das hört sich nach einer sehr eklektischen, einer eigentlich nicht vereinbaren Mischung an und doch gelingt es der Band, das musikalische Schiff stabil zu halten, es nicht kentern zu lassen.

GOMO PARK & ZEITSCHLEIFE VISUALS, 02.03.2024, Gasparitsch, Stuttgart | Foto: Thomas Sommer
Foto: Thomas Sommer

Der Gig wird zusehends treibender und geht nun in Breakbeats über, die mich mit ihrem urbanen Soundscape, an den Drum’n’Bass von Roni Size und Red Snaper erinnern. Das ist hart, aber auch funky, dynamisch und extrem tanzbar, spacig und dicht zugleich. Auch die komplexe Breakbeat-Rhythmik, wie man sie von Goldie kennt, ist da. Allerdings ohne die Aggressivität wie sie bei ihm, besonders im Track „Temper Temper“, zu hören war. Dem gegenüber erklingt, als musikalischer Antipode sozusagen, die Leichtigkeit der Querflöte. Dies ist im wahrsten Wortsinn „Fusion“.

Gomo Park gelingt es, trotz der großen musikalischen Vielfalt, gemeinsam mit den Videoprojektionen ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen, welches es dem Konzertbesucher nicht immer leicht macht, zwischendurch vielleicht auch etwas Durchhaltevermögen abverlangt, aber im Endeffekt eine spannende musikalische Expedition bietet.

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