TANGERINE DREAM, 25.10.2023, Theaterhaus, Stuttgart

TANGERINE DREAM, 25.10.2023, Theaterhaus Stuttgart
Foto: X-tof Hoyer

Tangerine Dream – das ist etwas Persönliches. Mein erstes Album war „Logos Live“ von 1982, mein Einstieg als Teenager in die kosmische Welt der deutschen Kraut-Elektronik. Kurioserweise war das im Nachhinein auch so ziemlich das letzte interessante TD-Album, aber als Plattenkäufer konnte man sich ja munter rückwärts durch die Zeit bis zu den durchaus sperrig-experimentellen Frühwerken der ganz frühen 70er Jahre durcharbeiten.

Das hat sich für mich gelohnt, und ich höre fast dieses gesamte 70er-Jahre-Werk bis heute sehr gerne. Wahrscheinlich, weil es nicht so anstrengend ist wie die authentischen Elektrokraut-Klassiker von Cluster bis Harmonia. Ich mag das leicht Psychedelische, in Maßen Düstere, oft pinkfloydisch Wohlklingende, das sanfte analog-elektronische Fließen, das Mastermind Edgar Froese früher auch gerne mit minutenlangen und unerwartet harten Gitarrensoli durchbrach.

Leider verstarb Froese kurz nach dem letzten Stuttgarter Gig vor neun Jahren – aber die Band gibt es immer noch, wenn auch inzwischen mit einer Enkelgeneration. Angeführt wird sie von Thorsten Quaeschning, der seit 18 Jahren dabei ist. Hoshiko Yamane ist seit acht Jahren im Team, Paul Frick seit knapp drei. Der vom Kollegen Welke in der Stuttgarter Zeitung identifizierte Ulrich Schnauss ist leider nicht anwesend, obwohl gerade er zumindest ein interessantes Solowerk vorweisen kann.

TANGERINE DREAM, 25.10.2023, Theaterhaus Stuttgart
Foto: X-tof Hoyer

Meine Erwartungen vor dem Konzert sind überschaubar, auch wenn das Programm einen Überblick über die gesamte Karriere verspricht. Das schlichte Bühnendesign mit ein paar dekorativen, historisch-analogen Klangerzeugern im Hintergrund wirkt angenehm schlicht, der Sound erweist sich als kristallklar. Ich bin zwar gegen eine Bestuhlung bei, nun ja, Rockkonzerten, aber dem stark ergrauten Publikum tut man damit wahrscheinlich doch einen Gefallen. Denn selbst die rüstigen Gigblog-Best Ager liegen hier noch unter dem Altersdurchschnitt.

Der eine oder die andere mag von dem beachtlichen Wall of Sound ein wenig erschreckt worden sein, wummert es hier doch mit teilweise beachtlicher Dezibel-Last aus den Boxen. Auch die recht oft erklingende gerade (Club-) Bassdrum animiert eigentlich zum Bewegen. Zusammen mit den hübschen, aber unspektakulären und etwas vorhersehbaren Visuals entsteht ein leider recht mittelmäßiger Flow aus flirrenden, fließenden Klängen. Ohne ästhetischen Wagemut geht man auf Nummer sicher. Flauschige Sequenzer-Beats sorgen für einen sehr milden Cosmic-Vibe, mit der straighten Bassdrum klingt es für mich leider oft nach wohltemperiertem Traumschiff-Techno und Senior*innen-Trance.

TANGERINE DREAM, 25.10.2023, Theaterhaus Stuttgart
Foto: X-tof Hoyer

Okay, das Sounddesign ist exquisit, die Optik passt, aber auf der Bühne passiert einfach nichts. Yamanes Geige ist im elektronischen Fluss kaum als solche zu identifizieren und Quaeschning kommt als Master Of Ceremony (besser Conferencier) nicht an den charismatischen Froese heran.

Songs aus den 70ern gibt es zwar vereinzelt, aber leider auch gerne unnötig technoid aufgepimpt. Dass dann ausgerechnet der dröge TD-Zufallshit von 1982 („Das Mädchen auf der Treppe“ aus einem Schimanski-Tatort) den dramaturgischen Höhepunkt bildet, spricht leider Bände. Als Zugabe wird dann noch irgendwie improvisiert („auf g-moll“), was trotz Werner Herzogs eingespielter Stimme nicht spannender wird, sodass sich der etwas unglückliche Rezensent während der endlosen Zugabe diskret verdrückt.

Ein Gedanke zu „TANGERINE DREAM, 25.10.2023, Theaterhaus, Stuttgart

  • 29. Oktober 2023 um 10:24 Uhr
    Permalink

    Lieber Joe,
    Da kann ich nur voll zustimmen. Von unserem Platz auf der Empore war es sogar der reinste Soundbrei. Unkontrollierte Frequenzen in einer Lautstärke, die mangelnde Kreativität, so wie die elektrische Geige, verdeckt haben. Wir waren so enttäuscht, dass wir es leider nicht bis zum g-Moll geschafft haben. Zu erwähnen wäre da vielleicht noch die Anrede des Publikums mit einem förmlichen „Sie“. Das ist für mich in Restaurants schon schwer genug . LG Thomas

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