AFROB, 08.10.2023, Im Wizemann, Stuttgart

Afrob
Foto: Ralph Pache

Meine letzte Begegnung mit Afrob war auf der diesjährigen About Pop: Beim Panel „Still fear of Kanak Planet?“ saß er unter anderem mit der in ihrem wunderbaren Singsang sprechenden Cora E. in einer Runde in der es darum ging, wo Hip Hop in Deutschland vor 20 Jahren stand und wo das Genre aktuell steht. Aufgrund eines Missverständnis ging es in der Runde plötzlich ziemlich hoch her. Afrob wollte den (falsch verstandenen) Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, dass es inzwischen quasi ein Kinderspiel sei, Musik zu produzieren. Wild verteidigt er sein neues Album „König ohne Land“, alles was er da rein gesteckt hat. Die Wogen glätteten sich schnell wieder: Musik ist und bleibt das Handwerk von Künstlern mit Herz und Seele. Es war insgesamt eine unterhaltsame Stunde auf der Pop-Konferenz, die in mir auch mächtige Wehmut nach den alten Zeiten auslöste. Und mit diesem Gefühl gehe ich heute Abend auch ins Wizemann. Wie ernst meint es der Rapper aus Weilimdorf noch? Wird’s irgendwie old school oder doch zeitgeistig?

Brandaktuell und um viele Jahre jünger als der Protagonist des Abends sind die beiden Support-Acts: Amara steht als Erster auf der Bühne im gut gefüllten Club. Wer als „Nafri“ (ein Kunstbegriff für Nordafrikaner aus dem Polizei-Jargon, den Amara aber auch als Eigenbezeichnung nutzt) in einer Hochhaussiedlung in Zuffenhausen aufwächst, hat Einiges in seinen Songs zu sagen. Er hätte verdient, dass man ihm genau so zuhört, wie dem Hauptact aus Pfaffenäcker. Das klappt hier und jetzt leider nur so mittel.

Afrob
Foto: Ralph Pache

Amara nimmt seine schwere Rolle als Opener gelassen und kündigt bald Isaiah an. „Ich bin Cannstatter, hier geboren“ und zwar als ältester Sohn von Max Herre und Joy Denalane. Mit Weste und Pusher-Bag sieht der 22jährige ein bisschen aus, als wenn er mal eben von der Straße rein gekommen wäre. Hier weiß aber jemand schon sehr genau, was auf einer Bühne zu tun ist: Souverän führt er durch sein Set, aus dem er wohl bewusst die Tracks rausgelassen hat, die mehr auf einen Techno-Beat setzen – denn das heutige Publikum würde sich mit dem aktuellen Sound eher schwer tun. Heute ist eindeutig Kopfnicken mit Baseballmütze statt Mosh Pit mit Vokuhila und Skibrille angesagt.

Bei den souligen Songs singt Isaiah fast, in seinen Texten geht es viel ums High-Sein in Charlottenburg, auf dem Kudamm oder vorm Spätkauf. „Vor der baden-württembergischen Hip Hop Polizei hatte ich natürlich Angst“, kommentiert er noch, aber das war völlig unberechtigt, wenn auch der Applaus für diese sehr gute Darbietung allzu zaghaft ausfällt.

Afrob
Foto: Ralph Pache

Vor dem Backdrop mit dem aktuellen Afrob-Album-Cover steht DJ Derezon an Turntables und Laptop. Und dann kommt „Robbe“ auf die Bühne. Schwarze Yankees-Cap, schwarze Jacke, schwarzes Shirt, schwarze Jeans, schwarze Sneakers, das Mikrofon immer ganz nah am Mund. Aber das Mic verbirgt nicht, dass hier einer von der ersten Zeile an den ganzen Abend lächelt und das fröhliche Grinsen wird nicht mehr aus seinem Gesicht weichen. Dem Publikum geht es genau so.

„Wer bin ich?“ und „Es geht wieder los“ sind die ersten Tracks. „Der VfB ist immer noch Erster?“ fragt Afrob. Klar! Und er selbst ist live definitiv an der Tabellenspitze des deutschen Raps. Darüber gibt es hier gar keine Zweifel. Auch wenn ihn Leute wohl immer wieder fragen, ob er überhaupt noch Musik macht? Bis hier hin hat er auf jeden Fall einen irre großen Strauß sehr guter Tracks mit den unterschiedlichsten Beats produziert und an diesem Abend in einer Kombination präsentiert, bei der es keine Sekunde langweilig wird.

Isaiah kommt nochmal auf die Bühne und gemeinsam wird „Immer unterwegs“ vom aktuellen Album gerappt, gefolgt von einer Warnung, dass jetzt noch der letzte Zeitpunkt wäre, um den Saal vor dem vollständigen Abriss zu verlassen. Und jawohl: Jetzt ist richtig Stadion angesagt! Die Menge tobt zu einzelnen Strophen aus den ganz großen Hits. „Adriano“ ist dabei, was an einem Abend, an dem die AfD in zwei Bundesländern mächtig an Prozenten zugelegt hat, wichtiger denn je erscheint.

Afrob
Foto: Ralph Pache

Bei „Reimemonster“ übernimmt Afrob seine Parts und die von Ferris MC, bei dem folgenden riesigen Block aus ASD-Songs auch alles was Samy Deluxe zu dem damaligen Monster-Collabo-Werk beigetragen hat. Und Afrob hat die Größe, das alles alleine zu stemmen. Alles immer wieder garniert durch Lobeshymnen auf Stuttgart und natürlich auch dem ein oder anderen Seitenhieb auf die ortsansässige Polizei. Eine Geschichte vom Hauptbahnhof, die böse hätte enden können, gibt es in der „Limited Box“ nachzulesen, die Afrob jetzt auf der Bühne zeigt und auch an einen Fan im Publikum verschenkt. (Übrigens steht die Story auch im Buch von Ferris MC, aber wer Stuttgart Rap liebt, kauft sich natürlich kein Buch aus Hamburg!)

„Die anderen haben mehr Platten verkauft, aber wir hatten den besseren Sound“ umklammert nochmal den Anspruch an Musik und Texte, dem Afrob heute Abend vollkommen gerecht wird. Der Zugaben-Block hat nicht nur Reggae zu bieten, sondern auch die Warnung, sich den älteren Jahrgängen nicht in den Weg zu stellen, wenn’s dann doch mal wieder auf den Dancefloor und zum Feiern geht. Und so groovt Afrob zu „Funky Sensation“ von Gwen McGrae in seine Über-Nummer „Get up“, in der er das Stück gesampelt hat, als letzten Song des Abends rein. Sein seeliges Publikum lässt er dann zu „September“ von Earth Wind and Fire zurück. Ein schöner Abschluss für ein Konzert, dass überhaupt nicht alt, sondern ein richtig fetter Klassiker war.

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Foto: Ralph Pache

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