FLORA, 12.08.2023, Merlin, Stuttgart

Sommerzeit, Klinke-Zeit. Und wie jeden August hat die bunte musikalische Wundertüte für (fast) alle Musikgeschmäcker etwas im Angebot. Mich interessiert in diesem Jahr besonders Flora aus Hamburg/Stuttgart. Ein erstes Konzert gab es vor einiger Zeit am Nordbahnhof, das ich leider verpasst habe. Heute will ich auf jeden Fall dabei sein.

Pünktlich zum Abend kühlt das subtropische Wetter etwas runter, sehr angenehm. Vor Konzertbeginn bleibt noch Zeit, mit Freund*innen und Bekannten zu plaudern, während sich das Merlin stetig füllt. Note to self: Zukünftig auch tagsüber öfter ins neu eröffnete Merlin-Café gehen.

Von Flora und Band gibt es online noch nichts zu hören, auch wenn das Material für eine erste Kassette schon komplett aufgenommen ist. Die Beschreibung in der Vorankündigung klingt allerdings  vielversprechend. Unwiderstehliche Melodien, softer Vortrag, der Charme des Unperfekten – count me in!

Flora Lenzmann ist verwurzelt im Stuttgarter Musiker*innen- und Künstler*innen-Biotop Nordbahnhof und von dort rekrutierte sie auch ihre Bandmitglieder. Aus einem Studioprojekt mit Moritz Finkbeiner (Monsieur Mo Rio) entwickelte sich nach und nach die Liveband mit den Musiker*innen Kristina (Keyboards) und Yun (Schlagzeug).

Um halb neun ertönt das Zeichen, dass man sich so langsam nach drinnen begeben soll. Merlin-Booker Arne begrüßt das Publikum im gut gefüllten Saal und erläutert noch einmal kurz das Klinke-Prozedere: Eintritt frei, Spende in knisternder Schein-Form bitte in den Hut, sämtliche Einnahmen gehen direkt an die Künstler*innen.

Dann betritt die Band die Bühne. Sängerin, Gitarristin und Frontperson Flora steht mittig vorne, eingerahmt von Moritz (Bass) und Kristina (zweistöckige Keyboards), hinten das Schlagzeug mit Yun. Samt-Ballerinas (Flora) und Blumen-T-Shirt (Yun) geben mir Early-Nineties-Vibes.

Die Kombination drei Frauen (bzw. weiblich gelesene Personen), ein Mann gefällt mir schon mal sehr, fällt mir spontan gar keine andere Band ein, bei der das so ist (später noch draufgekommen: The Breeders, Power Plush).

Die Songs sind reduziert, straightforward und ohne unnötige Girlanden, gefällt mir. Kommt es mir nur so vor, oder ziehen die Stücke nach einem eher ruhigen Beginn Richtung Uptempo an?

Sparsam flicht Flora dann und wann kleine Gitarrensoli oder Arpeggios ein. Moritz unterstützt mit Harmoniegesang, der Floras klare, aber zurückhaltende Stimme schön unterstreicht.

Mir gefallen die simplen, schön poppigen, teilweise orgeligen Keyboardmelodien und die kleinen Percussion-Akzente. Entspannt und unaufgeregt gibt das Schlagzeug den Takt an, so muss es sein.

Bei vielen Stücken denke ich, dass sie definitiv Hitpotenzial haben, wie zum Beispiel der dritte Song (müsste „Carousel“ gewesen sein) und auch das darauf folgende „Time Stops“.  Im Publikum wird getanzt und es gibt viel Applaus.

Spätestens beim sechsten Stück „Intern“ klingt Floras Stimme immer selbstbewusster und auch einzelne Textzeilen sind jetzt gut zu verstehen („You make me feel so useless“).

Musikalisch erinnert das Ganze (zumindest mich) an dreamy 90er-Gitarrenbands. The Softies in etwas rougher und mit Schlagzeug fällt mir spontan ein. Sicherlich gibt es noch unzählige andere Referenzen, Einflüsse und Bezüge, von denen man in Zukunft erfahren wird.

Ansagen gibt es übrigens keine, Geschwätzigkeit ist schon mal keine Eigenschaft der Band. „Danke fürs Kommen … und für die Einladung“ sagt Moritz lediglich gegen Ende.

„Do I Get So Shy“, das vorletzte Stück, ist eine Coverversion der Powerpopband The Shoes (für Sie recherchiert), die sich nahtlos in das übrige Set einfügt.

Floras einzige Äußerung ist ein zustimmendes „okay“ als Antwort auf die um eine Zugabe bittenden Publikumsrufe am Ende. Für mich kommt das aber nicht schüchtern rüber, sondern einfach introvertiert und ziemlich cool. Musik kann man schließlich als Zuschauerin auch einfach mal ohne Ansprache und Erläuterungen auf sich wirken lassen.

Ich bin sehr gespannt auf die erste EP „Time Stops“ die im September bei Treibender Teppich erscheint. Ich freue mich darauf, die Stücke nochmal in Ruhe nachhören zu können, denn sicher gibt es dann noch viele Feinheiten zu entdecken, die im Live-Setting hintenrunterfallen.

Im Hut landete übrigens am Ende eine respektable dreistellige Summe. Ein tolles, greifbares Feedback für die Band, das am Ende sicher mehr sagt als tausend Worte.