DRANGSAL, 16.03.2019, Im Wizemann, Stuttgart

Drangsal

Foto: Steffen Schmid

Herxheim in der Pfalz. Südliche Weinstraße, rund 10.000 Einwohner. Heimat des achtfacher Weltmeister auf der Motorrad-Sandbahn, Gerd Riss. Und Heimat von Max Gruber a.k.a. Drangsal, einem der vielleicht spannendsten Popstars zur Zeit. Da man die Bühnen der Welt aber nicht von Herxheim aus erobert, zog es Max direkt nach der Schule hinaus in die große Stadt. Von Berlin aus wurden Demo-Aufnahmen erster eigener Songs auf SoundCloud hochgeladen. Es entstand ein kleiner Hype, Leute wurden aufmerksam, eine Band wurde zusammengestellt, Konzerte im Vorprogramm von Casper und Kraftklub gespielt. Erste Platte, erste eigene Tour: der Weg war eingeschlagen, aber die Entwicklung hat ja erst begonnen.

Drangsal

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Zweieinhalb Jahre ist das letzte Konzert in Stuttgart her und seit dem hat sich viel getan. #MitVerachtung, #Drangsal4ESC2019, … Den aktuellen Stand der Entwicklung des Drangsal konnte man letzten Samstag nun im Im Wizemann in Augenschein nehmen. Dort kam dann nicht mehr der hoffnungsvolle Newcomer auf die Bühne, der irgendwo zwischen Dave Gahan, Robert Smith und Marilyn Manson pendelt, sondern ein routinierter Dandy im schwarzen Samt-Anzug mit Glitter-Makeup um die Augen, der charmant die glänzend gut gelaunten Gäste aufs Beste zu unterhalten wusste. Wo das letzte Mal noch der Hit „Allan Align“ als Zugabe ein zweites Mal gespielt wurde, hat man mit einem zweiten Album nun genug Songs im Gepäck um knapp anderthalb Stunden locker zu füllen.

Drangsal

Foto: Steffen Schmid

Der Indie-Rock/80s-Stilmix den die Musik von Drangsal auszeichnet, wird mit Schlagzeug, Bass und bis zu drei Gitarren in die Halle getragen, wobei Gitarrist Oliver Heinrich manchmal auf dem neben ihm stehenden E-Piano spielt und Theo Kraus hauptsächlich eigentlich Keyboards spielt oder mal einen Schellenkranz schüttelt. Max Gruber selber spielt verschiedene Gitarren, hauptsächlich aber eine brandneue, rosa glitzernde Deimel Firestar, deren Anfertigung er in seinen Insta-Stories dokumentiert hat. Dazu dann noch Sam Segarra am Bass und Christoph Kuhn mit passendem Trikot hinter einem 1.FC-Kaiserslautern-Schlagzeug. Man kriegt die Jungs aus der Pfalz aber nicht die Pfalz aus den Jungs. Denn die Band und auch die Leute im Team rekrutieren sich zum Teil aus Kumpels aus alten Zeiten.

Drangsal

Foto: Steffen Schmid

Die Fünf auf der Bühne sind also kein zusammengewürfeltes Projekt, das ist inzwischen eine richtige Band, die gut eingespielt wirkt. Es wird gescherzt, wenn Gitarrist Olli mitten im Set nach einem Schraubendreher sucht um sein Instrument zu reparieren, es wird auch mal für ein paar Minuten gejammt wie bei der Einleitung zum Song „Weiter nicht“ (hierbei wird sogar der 2005er-Indie-Hit ’Jungen Mädchen’ von Hund am Strand zitiert). Bei allem steht aber natürlich Max Gruber im Mittelpunkt. Letztendlich ist er Drangsal. Und Drangsal hat keine Angst, weder vor Befindlichkeitsfixierung noch vor großen Rock-Gesten, driftet dabei aber nie ins Mackertum ab oder wirkt affektiert.

„Habt ihr Bock auf Rock, aber in traurig“, fragt Drangsal nach ein paar Stücken. Alle hatten Bock von der ersten Minute an. Und traurig ist das ja alles auch nicht wirklich, wenngleich eine gewisse Melancholie in den Melodien und Texten mitschwingt. Diese Lieder sind zum Tanzen und zum Mitsingen da. Und das wurde ausgiebig getan, Schubs-/Hüpfkreise in der Hallenmitte, Textsicherheit in allen Reihen.

Drangsal

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Im Laufe des Abends entledigt sich Max Gruber seines Jackets, um am Ende sein schwarzes Spitzenhemd tief aufgeknöpft zu tragen. Mit seinen Tätowierungen sieht er aus wie ein Gossen-Morrissey, nur ohne die schlechte Laune und die rassistischen Allüren eines Mozzer. Denn auf der „Arche Gruber“ gilt ’All Creatures Welcome’.

Abschluss ist dann das Klaus-Lage-Cover „1000 und 1 Nacht“. Es ist diese Aufrichtigkeit mit der dieser Song gespielt wird — völlig unironisch, weil es einfach nur ein guter Pop-Song ist — die den Kern der Klasse von Drangsal ausmacht. In seinem Songwriting genauso wie in seiner Bühnenpräsenz. Er nimmt sich selbst vielleicht nicht immer ganz ernst, aber auf jeden Fall das, was er macht. Was es für und als Zuhörer und Zuschauer zu einer reinen Freude macht. Und man darf gespannt schauen, wie der Weg des Popstars Max Gruber a.k.a. Drangsal weitergeht.

Drangsal

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