PARCELS, HUSH MOSS, 05.12.2018, LKA, Stuttgart

PARCELS, HUSH MOSS, 05.12.2018, LKA, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Der Entzug geht schon zu lange, ich habe Konzertdruck, war schon drei Wochen nicht mehr unterwegs. Höre ich mich also so durch das Stuttgarter Livemusik-Portfolio des Monats Dezember und bleibe bei den mir bis dato noch unbekannten Parcels hängen: Elektro-Disco-Pop der eher harmlosen Art, aber wenn die live was können, dann könnte das was werden.

Bei der aktuellen Popmusik scheint es, ähnlich dem Fake-News-Phänomen, selbstverstärkende Echokammern zu geben, in denen man sich entweder bewegt – oder eben nicht. Diese jungen Berlin-based Australier legen dieses Jahr ihr erstes – von Daft Punk – produziertes Album vor, verkaufen mittelgroße Hallen Europas aus, haben mit ihrem Hit Overnight 25 Millionen Spotify-Streams vorzuweisen, und auch heute Abend ist das LKA ganz schön voll. Irgendetwas ging da also an mir vorüber.

Hush Moss

PARCELS, HUSH MOSS, 05.12.2018, LKA, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Der Musikexpress schreibt:

Cocktails schlürfen, Zöpfe flechten, sanft bumsen – kann man alles prima machen, während man die Musik von Hush Moss hört.

Schön auf den Punkt gebracht. Kopf der siebenköpfigen Vorguppe ist Eden Leshem, ein punktgespiegelter Barry White: Falsett, 62 kg, weiss und Israeli: Schubidu-Jazz-Pop. Erinnert an die phänomenalen Glücklich-Sampler aus den Neunzigern von Rainer Trüby. Der Auftritt leidet unter sich fast bis zum Ende durchziehenden Rückkopflungsgefiepe, nicht sehr schön. Die Musik dagegen ist schon schön, könnte etwas abwechslungsreicher sein.

In der Pause läuft unter anderem France Galls „Ella, Elle L’a“ (das Publikum summt mit) und „Hung Up“ von Madonna (das Publikum summt nicht mit). Ist es gut, vor dem Konzert große Hits zu spielen, um die Crowd anzuheizen oder ist es genau das falsche, weil die Zuhörer bald merken, dass hier eben nicht die (kommerzielle) Weltspitze des Pops spielt?

Parcels

PARCELS, HUSH MOSS, 05.12.2018, LKA, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Die fünf jungen Australier werden begrüßt wie neue Heilsbringer oder alte Helden, leicht irritierend bei einer Band, die erst seit kurzem in Erscheinung tritt. Louie Swain (Keyboard), Patrick Hetherington (Keyboard), Noah Hill (Bass) und Jules Crommelin (Gitarre) stehen vorne nebeneinander, Anatole Serret (Schlagzeug) sitzt auf einem Riser dahinter. Mit dieser Aufstellung und dem Schnurrbart, dem zu langen Pagenschnitt und dem offenen Hawaii-Hemd sehen sie aus wie 60er-Jahre-Popper aus GB.

Parcels Songs klingen alle irgendwie gleich, alle nach Get Lucky von Pharell Williams/Nile Rodgers/Daft Punk. Sie scheinen völlig begeistert von ihrer eigenen Musik zu sein, zumindest spielen sie es so. Parcels wirken wie die Realitätwerdung der Band des großartigen Daft-Punk-Films Interstellar 5555. 70er-Jahre Disco-Pop mit dauerlächelnden Gesichtern bis zur Entstellung.

Stuttgard, aalles gutt?

… heisst es ein ums andere Mal. Die Australier versprühen mit ihrem Auftritt die ultimative Glücklichkeit, Lebensfreude und Freundlichkeit und finden über diesen pathetischen Ansatz den Weg zum Publikum, ganz egal, ob das alles nur gespielt ist oder aus Überzeugung geschieht und ob die Musik wirklich so großartig ist oder eigentlich nur mittelmäßig. Sie schließen mit dem Publikum einen Vertrag, der da lautet: „Wir tun so, als würden wir heute Abend die beste Popmusik der Welt machen und Ihr glaubt es. Am Ende haben wir beide was davon, nämlich einen schönen Abend“.

Der Vertrag funktioniert. Es macht echt viel Spaß, es ist einfach schön. Auch wenn man weiß, dass man verführt wird, wie gut gemachte Werbung für ein Produkt, das nur die Werbung selbst ist. Oder wie bei einem Coen-Brüder-Film, bei dem man immer denkt, es wird hier etwas ganz anderes erzählt als gezeigt wird, aber man kommt nicht drauf, was das ist.

Ich gehe das nächste Mal wieder hin, ich will wissen, wie es mit Parcel weitergeht.

PARCELS, HUSH MOSS, 05.12.2018, LKA, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Setlist Parcels

Comedown
Lightenup
Hideout
Gamesofluck
Withorwithout
Exotica
Bemyself
Every Night (Paul McCartney cover)
Older
Yourfault
Everyroad
Tieduprightnow
Closetowhy
Overnight
IknowhowIfeel
Comedown reprise

Parcels

Hush Moss

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