ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Der natürliche Grundzustand des Fußballfans ist bittere Enttäuschung, egal wie es steht.
(Nick Hornby, Fever Pitch)

Es gibt eigentlich nur zwei Reaktionen, wenn man Arnd Zeigler bei seiner Arbeit zuschaut, bei seiner wöchentlichen Sendung am Sonntagabend im WDR („Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“) oder auf seiner aktuellen Tournee: Entweder man amüsiert sich prächtig oder man versteht nicht, was das eigentlich alles soll. Am Dienstagabend ist der größte Saal des Theaterhauses vollbesetzt mit Leuten, die eindeutig mit erstgenannter Möglichkeit reagieren. „Dahin, wo es weh tut“ heißt seine Tour und schon dieser Titel weist den Weg, mit dem der Stadionsprecher von Werder Bremen das Thema Fußball zwei Stunden auf die Bühne bringt – mit Humor.

ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Zeigler ist ein Meister der Archiv-Arbeit und fördert regelmäßig Kuriositäten des Fußballs aus den letzten Jahrzehnten hervor. Sei es verstörende Bilder des Ehepaars Effenberg oder Filmbeiträge, wie den von Uli Hoeneß und Paul Breitner, in dem sie beide halbnackt nebeneinander im Bett liegen und sich Zeitschriften-Artikel zeigen. Vielleicht auch den des Fußball-Fachmagazins „Praline“, in dem die Nationalmannschafts-Helden der 70er Jahre auch porträtiert wurden. Zwischendrin gibt es auch immer wieder skurrile (Eigen-)Tore zu sehen, die der Kategorie „Kacktor des Monats“ zuzuordnen sind – eine konstante Rubrik der Sonntagabendsendung.

ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Das Programm ist also „pickepackevoll“ und dabei schafft es Arnd Zeigler einen roten Faden durch dieses Panoptikum des Fußballs zu weben: Die Frage, was eigentlich so viele Menschen am Fußball fasziniert. Nun könnte man vermuten, dies ist der jeweilige Verein, dem man anhängt. Das ist vermutlich auch ein Teil der Erklärung. Aber an diesem Abend befindet sich für einen regelmäßigen Stadiongänger wie mich eine ungewohnte Anzahl an Fans anderer Vereine mit mir im selben Raum. Es muss also noch eine andere Ebene der Faszination geben und die könnte erstens das Momentum des Unverhofften, des nicht Planbaren sein. Davon zeugen die ganzen Slapstick-Spielszenen, hinter denen aber jeweils auch eine kleinere oder größere Tragik liegt. Denn wenn ein solches Tor gegen die eigene Mannschaft fallen sollte, ist in einem Stadion kein Gelächter zu vernehmen. An diesem Abend ist aber allen bewusst, dass es nicht um drei Punkte geht, nicht das entscheidende Spiel, das über Auf- oder Abstieg entscheidet – und das tut gut. Es ist befreiend, sich als Fan für zwei Stunden einmal nur mit den angenehmen, den lustigen Dingen dieses großartigen Sports zu befassen und dabei nicht immer Angst vor einem Konter und dem nächsten Gegentor haben zu müssen. Humor als Katharsis für an sich enttäuschte Fußballfans.

ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Trotz allem Humor ist da allerdings ein wichtiger Aspekt, den man bei Arnd Zeigler eigentlich immer beobachten, ja beinahe spüren kann: Fußball ist für ihn eine wichtige und ernste Sache. Und das ist wichtig, denn wäre dies nicht der Fall, müsste man sich als Fan an diesem Abend fühlen, als würde die eigene Ernsthaftigkeit des Fanseins vorgeführt werden. „Hey schaut mal, welchem Quatsch Ihr Eure Freizeit, teilweise Euer ganzes Leben herschenkt“. Nein, dieses Gefühl hat man an diesem Abend an keiner Stelle. Selbst bei den Andeutungen der sportlichen Lage des VfB – keine Häme, sondern das Gefühl, dass hier jemand steht, der auch bei jedem Spiel Angst vor einem Konter hat, den Fußball liebt und selber Fan ist – trotz den immer wieder aufkommenden Enttäuschungen. Und so endet der Abend mit Bildern aus seiner Kindheit, mit Erinnerungen an die Zeit, als sein Vater ihn zum Fußball gebracht hat. Und im Saal werden sich viele denken: Ja, genau wie bei mir.

ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Bei Arnd Zeigler gibt es allerdings nicht nur die Liebe zum Fußball, sondern auch zur Musik. Und das ist in der Intensität der beiden Leidenschaften eine Seltenheit. Nicht, dass viele Fußballfans keine Musik hören oder auf keine Konzerte gehen. Nein, aber auch in dieser Welt ist Arnd Zeigler ein Enthusiast und Kenner zugleich. Konsequenterweise gibt es somit auch „Zeiglers wunderbare Welt des Pop“ auf Radio Bremen und die zugehörige Playlist auf Spotify, die man nur empfehlen kann. Es ist eine der wenigen Sendungen im Medium Radio, bei der man keine Angst haben muss, die immer gleichen Lieder zu hören. Zeigler legt wert auf B-Seiten, die Songs neben den großen Hits.

Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, warum es zwischen diesen beiden Welten nicht mehr Schnittmengen gibt. Das Thema Fußball wird in der Popmusik stiefmütterlich behandelt. Die sogenannten „Vereinshymnen“ oder offiziellen Turnier-Songs treiben jedem Musikliebhaber meistens Tränen der Wut in die Augen. Unvergessen die Schlager-Affinität der Nationalspieler, die im Duplo- und Hanuta-Sticker-Heft zur EM 1988 in Deutschland ihre Lieblingskünstler*innen angaben. Und die einzigen beiden Songs, die mir einfallen, die keinen zwanghaften Hymnen-Charakter aufweisen sind „Nimm mich mit zum Spiel“ (Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen) und „Unentschieden gegen Ried“ (Der Nino aus Wien). Und wenn ein ausgewiesener Liebhaber und Kenner beider Welten in der Stadt ist, wäre das doch die Gelegenheit, darüber bei einem Bier mal in Ruhe zu plaudern. Gesagt, getan: Arnd Zeigler hat sich – nachdem wir uns vor dem Auftritt noch verpasst hatten – im Nachgang die Zeit genommen und es entwickelte sich ein interessanter, angeregter Austausch über Musik, Fußball und den VfB. Bericht folgt.

2 Gedanken zu „ARND ZEIGLER, 26.11.2018, Theaterhaus, Stuttgart

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