CALEXICO, 21.03.2018, Im Wizemann, Stuttgart

Calexico

Foto: Özlem Yavuz

Pünktlich um 20:00 steht Camillo Lara vom Mexican Institute of Sound auf der Bühne des ausverkauften Wizemann und wärmt die Calexico-Fans und -Fäninnen für die kommenden drei Konzertstunden auf. Der kugelrunde fröhliche Knöpflesdreher und Samplerbastler ist sozusagen die mexikanische Weiterentwicklung der 90er Big Beats, wie sie unter anderem damals bei Wall of Sound erschienen. Klingt ein wenig wie eine Trip-Hop-Variante der Fun Lovin‘ Criminals. Stellt Euch ein Chemical Brothers-Konzert vor, bei dem alle „Tequila, Tequila“ brüllen anstatt „Lager, Lager“, dann habt Ihr es so in etwa. Ungefähr zwanzig Minuten darf Herr Lara alleine ran, dann kommt Joey Burns mit ein paar anderen Mitgliedern von Calexico schon mal auf die Bühne und spielt kräftig mit. Alle da oben haben gewaltig Spaß, dem Elektroniker ordentlich unter die Arme zu greifen und mittendrin überlege ich mir, ob ich vielleicht mal gerne ein Scooter-Cover von Calexico hören würde. „Hyper, hyper“ mit Country-Cumbia-Salsa, das wäre mal was. Die Posen, die dazu passen würden, hat der Mann im Karohemd auf jeden Fall drauf.

Calexico

Foto: Özlem Yavuz

Nach einer zwanzigminütigen Pause, in der nix umgebaut wird und man sich schon fragt, warum es denn nicht gleich weitergeht, stapfen Calexico auf die Bühne und legen exakt um 21:00 los. Bei Holger auf der Uhr war’s zwar schon 21:01, aber da machen wir jetzt mal nicht weiter dran rum. Für Calexico ist das Ganze ab dem ersten Ton ein Heimspiel. Schließlich hat Sänger und Gitarrist Joey Burns ja auch Stuttgarter Gene, fast genau vor zwei Jahren hat er uns an der selben Stelle, an der er jetzt steht, verraten, dass Teile seiner Ahnen mütterlicherseits aus Sillenbuch stammen. Ich bin sicher, wenn wir bei Jon Convertino im Genpool mal genauer nachschauen, finden wir da auch was. Ich tippe mal auf Untertürkheim. Calexico machen eine Musik, die ich nur mit dem Herzen hören kann. Verzeiht mir bitte, wenn ich mich daher jetzt nicht musikwissenschaftlich tiefschürfend auslassen werde. Da wird im Studio in Tucson für jedes Album eine Salsa angerührt, in die nur das beste und leckerste verschiedenster Kochkulturen kommt, gut abschmecken und schön lange simmern lassen, dann wird das was. Wer einmal ein richtig gutes Gaisburger Marsch hinbekommen hat, weiß, was ich meine. Über Calexico mit Essensmetaphern zu reden ist übrigens völlig okay. In einem der vielen Interviews zur neuen Platte und wie sie entstanden ist, hat John Convertino den Arbeitsprozess so beschrieben: „Joey schreibt die Texte, und ich brate die Hähnchen.“

Calexico

Foto: Özlem Yavuz

Dass Sie ihr Handwerk verstehen, beweisen Calexico heute Abend zwei Stunden lang. Sillenbuch-Joey wechselt vorne am Bühnenrand immer wieder die Gitarre. Erstens muss das Modell ja zum Song passen. Zweitens klingen melancholische Sehnsuchtsballaden natürlich viel besser, wenn man sie auf einer Akustischen mit wunderschön ausgefranstem Willie-Nelson-Loch spielt und drittens will jeder, der eine halbakustische weiße Gibson hat, das gute Stück auch vorführen. John thront hinter allem an seiner Schießbude und trommelt mit Besen und Sticks und froher gelassener Miene seinen Stiefel. Der Mann ist sehr lustig anzuschauen, wir rätseln unten rum, ob er eher ein wie ein richtig cooler Geschichtslehrer oder ein freundlich entspannter Finanzbeamter aussieht. Er ist auf jeden Fall der Ruhepool auf der Bühne und derjenige, der nie ins Schwitzen kommt.

Calexico

Foto: Özlem Yavuz

Kein Song klingt bei Calexico wie lieblos von der Platte nachgespielt, immer wird hier was für die Live-Darbietung variiert, in die Länge gezogen und virtuos verschnörkelt. Längere ausgedehnte Instrumentalstücke wechseln sich ab mit den Hits aus dem inzwischen schon ziemlich großen Gesamtwerk der Band. Neues und Altes, eine richtig gute Mischung. Senor Lara darf auch ein paar Mal sein Laptop stehen lassen und gekonnt seine Mexikoraps abfeuern. Der Höhepunkt des Zugabenblocks ist für mich „Learning to Fly“ von Tom Petty. Als das Saallicht um 23:00 Uhr angeht, holen wir uns noch die Set-List von Mister Burns, kaufen ein Calexico-Küchentuch und reiten frohgemut nach Hause. Wenn Calexico in zwei Jahren das nächste Mal in der Stadt sein werden, sind wir ganz sicher wieder dabei. Auf jeden!

Calexico

Foto: Özlem Yavuz

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