THE MONOCHROME SET, TORBEN DENVER, 31.03.2017, Containercity, Stuttgart
The Monochrome Set, Kultband und Dauer-Geheimtipp seit fast 40 Jahren, in einer Mini-Off-Location? Klingt mal wieder nach einem Gig der Extraklasse. Und als wir gegen halbzehn eintreffen, steht dort tatsächlich die gesamte Band zwischen den Konzertbesuchern vor dem Baucontainer und genießt den lauen Frühlingsabend. Dass sich mal wieder die halbe Stuttgarter Konzertszene versammelt hat, hat aber noch einen anderen Grund. Die Wiederauferstehung der Torben Denver Band. Denn diese hat die Ehre, den Abend für die Briten zu eröffnen. Dem Vernehmen nach zukünftig nur noch als „Torben Denver“. Schließlich habe man sich musikalisch neu aufgestellt und auch in der Besetzung soll sich etwas verändert haben.
Auf der Bühne stehen dann aber doch eine Menge altbekannter Gesichter: Tobias „Torben Denver“ Spreng an Gitarre und Gesang und Alex Mink an der Querflöte. Auch die Rhythmus-Sektion ist unverändert: Bassist ist weiterhin Dietmar Köhle, und an den Drums sitzt Eric Schäfer. Auf der rechten Bühnenhälfte ist allerdings einiges neu: an den Keyboards agieren im Wechsel Moritz „Monsieur Mo Rio“ Finkbeiner, Meike Boltersdorf und Thorsten „Putte“ Puttenat. Auch musikalisch hat sich einiges getan: der leicht verschrobene Folk ist fast verschwunden, das Spektrum reicht von Easy Listening mit einem Touch von Schlager, über Kammerpop (die jungen Belle & Sebastian lassen grüßen) bis hin zu Bossa Nova oder Bar-Jazz. Und Spreng singt nun größtenteils deutsch. Die Songs sind so sommerlich leicht, dass ich sie mir spontan als Soundtrack für eine Cabriofahrt durchs Hinterland von St. Tropez vorstelle. Oder als Soundtrack für einen Film von Eric Rohmer. Nahezu ununterbrochen mäandern die Querflötenmelodien und prägen den Sound von Torben Denver. Als dann die Jazz-Sängerin Meike Boltersdorf in einem Titel den Vokalpart übernimmt, präsentiert die Band ein echtes Novum, das dem Sound eine bisher nicht gekannte Qualität gibt: eine richtig tolle, tragende Gesangsstimme. Hoffen wir, dass dies nicht nur ein einmaliger Gesangs-Gastauftritt war. Bitte mehr davon. Das Publikum nimmt die Band-Premiere jedenfalls begeistert entgegen.
What would you be today if you had not become a pop star?
– An influential indie icon, heehee.
An Humor und gesunder Selbsteinschätzung scheint es Monochrome Set nicht zu mangeln. Vor zwei Jahren gab uns Frontmann Bid jedenfalls diese süffisante Antwort in unserem Q&A. Und dass sie auch nach Jahrzehnten im Business immer noch als einflussreiche, aber nie den wirklichen Durchbruch geschafft habende Indie-Instanz gehandelt werden, scheint sie nicht zu stören. Vor einem paar Dutzend Musiknerds in einem abgehalfterten Baucontainer aufzutreten, tut ihrer Spielfreude jedenfalls keinen Abbruch.
In Würde gereift sind sie, die Herren. Der großgewachsene Frontmann mit indischen Wurzeln erinnert mich mit seinem lässig-souveränen Habitus an Paul Auster. Andy Warren, der (mit Unterbrechungen) bereits seit 1979 die Bassgitarre bei Monochrome Set betätigt, ist an Coolness nicht zu übertreffen. Wie eine lebende New-Wave-Ikone, komplett statisch, mit unbewegter Miene und grauen Schläfen, starrt er völlig ungerührt über das Publikum hinweg, während er den Bass mit Minimaleinsatz bearbeitet. An den Keyboards der kauzige John Paul Moran, der seinen Vollbart und die pflegebedürftige Langhaarfrisur gekonnt mit einem leichten Sommerkleid, Ringelsöckchen und Ballerinas kombiniert. Neu in der Band ist Schlagzeuger Mike Slocombe. Knochig, wettergegerbt und mit fusseligen Dreadlocks ergänzt er die Optik des Quartetts von Musikkäuzen aufs Erfreulichste. Auch musikalisch übrigens: mit seinem engagierten und sehr variablen Trommeleinsatz macht er uns viel Freude.
Wir geben zu: auch uns ist nicht der gesamte Back-Katalog präsent und so muss erst durch eine Recherche festgestellt werden, dass uns Bid und seine Mannen heute wohl einen Querschnitt durch die gesamte Band-Historie liefern. Mit „Super Plastic City“ vom gleichnamigen Album von 2013 beginnt das Set. Bids leicht nölig-knödelnder Gesangsstil klingt dabei immer komplett lakonisch – und erinnert mich sehr an David Tattersall, den Frontman der Wave Pictures (soviel zum Thema „influential“). Spätestens bei „Alphaville“ von 1979 wird klar, dass Monochrome Set die perfekte Brücke vom frühen New Wave zum aktuellen Achtziger-Revival darstellen. Während andere heute so wie Monochrome Set zu klingen versuchen, tun sie es halt schon immer. Und was auf den Studioalben recht vielfältig klingt – das mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Studiotechnik in den letzten vier Jahrzehnten weiterentwickelt hat – sind die Songs im Live-Auftritt wie aus einem Guss. Mal etwas mehr Rock’n’Roll, mal eher wavig, aber immer knackig auf den Punkt – meist im klassischen 3-Minuten-Format.
Schön auch der Minimalismus in der Ausstattung: eine Gitarre, ein Effektgerät. Wo andere zwei Dutzend Fußpedale und ein ganzes Rack von Saiteninstrumenten um sich scharen, kommt Bid mit dem Nötigsten aus. Und so nimmt der Abend einen äußerst erfreulichen Verlauf: ohne viele Ansagen wird ein „Hit“ an den anderen gehängt. Das Titeltrack vom aktuellen (ausgesprochen hörenswerten, bei Tapete erschienenen) Album „Cosmonaut“ fügt sich nahtlos in den Reigen der alten bis sehr alten Titel ein. Das morbid-untote „Eine Symphonie des Grauens“ stellt für mich einen Höhepunkt des Gigs dar. Inzwischen tanzt der Laden und einige Titel später endet der offizielle Part mit „The Monochrome Set“. Drei Titel Zugabe bekommt das frenetisch applaudierende Publikum. Und selbst Andy Warren lässt ganz kurz die Andeutung eines Lächelns erkennen. Wenn das mal kein Zeichen für einen überaus gelungenen Abend ist.