KLAUS JOHANN GROBE, BLIND BUTCHER, 19.05.2016, Merlin, Stuttgart
Spontan zum Schreiben verführt, genau mein Ding. Ist ja schon Psychoterror, sich auf Zahnarzt- oder Frisörtermine festlegen zu müssen. Sich Wochen vorher in die Gig-Blog-Konzertliste eintragen? Undenkbar. Aber kurzfristig steht man gerne zur Verfügung. Im Merlin geht das zum Glück gut, X-tof macht von Haus aus sowieso immer Fotos, da liefere ich doch gerne den Text dazu.
Klaus Johann Grobe aus der Schweiz habe ich vom vorletzten Pop Freaks Festival in guter Erinnerung, die wollte ich mir auf jeden Fall nochmal anschauen. Von der Vorband namens Blind Butcher erwarte ich mir dafür nicht allzu viel, geben sie doch als musikalische Kurzbeschreibung u.a. die offiziellen Genres des Grauens, Rock’n’Roll, Blues und Country an. Dafür lohnt es sich nicht, sich bei der Parkplatzsuche zu beeilen. Aber: Ganz falsch gedacht!
Gerade noch rechtzeitig zum Konzertbeginn um kurz vor neun treffe ich ein. Schon mal sehenswert ist, dass das Duo in rot glänzendem Catsuit und Schlangenlederboots bzw. Glitzerblouson und gelben Strümpfe performt. Ihr Bühnenoutfit-Game ist strong, wie wir auf Instagram sagen. In solchen Kostümen hat man natürlich leichtes Spiel bei mir. Auch musikalisch ist das gar nicht so schlecht und trotz minimalistischer Besetzung (Schlagzeug/Gesang plus Gitarre/Gesang) durchaus kurzweilig. Highlight ist eine wirklich überzeugende Coverversion des Stückes „Eisbär“ (1981), im Original von Grauzone, die wie Blind Butcher aus der Schweiz kommen. Passt in seiner Reduziertheit gut zum Bandsound. Wohlwollender Applaus von Publikum im locker gefüllten Merlin. So darf es gerne weitergehen. Kleiner Abzug dafür, dass die Kostüme nach dem Auftritt abgelegt und gegen Jeans und Chucks eingetauscht werden. Wenn schon exzentrisch, dann gerne konsequent.
In der Umbaupause erzählen die lieben Friends und MitbloggerInnen noch ganz euphorisiert vom kürzlich besuchten Orange Blossom Festival. Süß, wie sie alle durcheinanderplappern. Giggle Blog at its best.
Kurz vor zehn betreten dann Klaus Johann Grobe die Bühne. Die Instrumente sind andersherum aufgebaut als letztes Mal, also Schlagzeug diesmal vom Publikum aus gesehen links vorne, Tasteninstrumente rechts. Bass wieder in der Mitte. Der Auftritt 2015 war in der Top-10-Liste meiner Konzerte des Jahres, entsprechend hoch sind meine Erwartungen für heute. Anders als vor anderthalb Jahren steht Stuttgart diesmal am Beginn des Tourplans. Das neue Album „Spagat der Liebe“ ist eben erst erschienen, gehört habe ich es bisher noch nicht. Der Bassist ist diesmal ein anderer, Schlagzeuger Daniel Bachmann und Keyboarder und Hauptsänger Sevi Landoldt bilden den eigentlichen Kern der Band und sind auch heute wieder dabei.
Doch zumindest aus meiner Sicht mag der Auftritt heute nicht so richtig zünden. Meine Erinnerung täuscht vielleicht, ich meine aber, dass die Verbindung zum Publikum vor anderthalb Jahren intensiver war und die Stimmung insgesamt sehr viel elektrisierter. Heute wirkt die Band über weite Strecken unkonzentrierter und auch das Publikum wippt, zumindest anfangs, eher höflich mit als dass es vollständig begeistert wirkt. Den Sound finde ich ein bisschen matschig, Landoldts Gesang ist für meinen Geschmack meistens zu leise.
In der Nachbesprechung mit A. kommt die Frage auf, ob man wirklich vier Keyboards/Synthesizer auf der Bühne auftürmen muss, wenn man die doch gar nicht so wirklich nutzt. A. findet ja, unbedingt, jeder Synthesizer auf der Bühne lohnt sich, auch wenn man den nur für einen einzigen Sound braucht. Ich bin nicht so ganz überzeugt. Vielleicht habe ich mich an krautigen vintage Orgel- und Synthesizersounds auch einfach satt gehört. Passend dazu räumt Landoldt während des Auftritts halb im Scherz ein: „Mit diesen vier Keyboards, es ist nicht mehr der Spaß wie früher.“
Wirklich in Erinnerung bleiben mir eigentlich nur die Hits, die ich auch vorher schon kannte, wie beispielsweise das sehr gute „KOthek“, das mit einer simplen, aber unwiderstehlichen Hook überzeugt. Der Rest ist mir zu minimal und klingt fast schon zu einförmig. Was ich beim letzten Auftritt als hypnotisch und dicht empfunden habe, erscheint mir heute auf die Dauer ermüdend und beinahe einfallslos. Dem Publikum scheinen die Stücke gegen Ende des Konzertes dagegen immer besser zu gefallen und es werden durchaus vehement Zugaben eingefordert. Nach insgesamt fünfzehn Stücken ist dann Schluss.
Mein persönliches Fazit: Meine (vielleicht zu hohen) Erwartungen wurden heute nicht erfüllt. C. ist hingegen absolut begeistert, auch J. beziffert das Konzert um höchstens fünf Prozent schlechter als den letzten Auftritt im Merlin und bescheinigt dem neuen Album Hitpotenzial. Es zeigt sich mal wieder, dass Musik doch sehr subjektiv erlebt wird – soll ja auch ruhig so sein. Anders als letztes Mal habe ich mir heute Abend aber kein Album gekauft.