DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN, 11.02.2016, Schocken, Stuttgart
Soul oder Soul? Stuttgarts Konzertkalender hält an diesem Donnerstag mal wieder eine fiese Qual der Wahl bereit: Zu den Londoner Ephemerals ins Zwölfzehn oder zur Liga der gewöhnlichen Gentlemen ins Schocken? Wir entscheiden uns für die sympathischen Hamburger. (Eigentlich hätten wir den Gig ja auch mal auslassen können, schließlich genießt bei uns kaum eine Band eine so umfassende Berichterstattung wie DLDGG und Superpunk, aber leider ist das aktuelle Album wieder derart packend, dass wir einfach nicht widerstehen konnten.) Da das potenzielle Soul-Publikum aber – anders bei ihrem letzten Stuttgart-Besuch – geteilt werden muss, ist das Schocken leider nur knapp halbvoll. Dafür hat sich aber die Zielgruppe des Sub-Genres „Northern Soul mit lustigen, deutschen Texten“ vollständig versammelt.
Und wir bereuen unsere Wahl nicht. Schon mit dem Opener „Die ganze Welt ist gegen mich (Blues für Rolf Wütherich)“ holen die Hamburger einen Titel raus, der alles mitbringt, was so typisch für DLDGG ist. Mitnichten ein Blues, dafür ein treibender Tanzbeat zum Mitklatschen, eine feine Retro-Orgel und vor allem: Eine Geschichte um eine wenig bekannte Figur der jüngeren Geschichte. In diesem Fall die von Porsche-Mechaniker Rolf Wütherich, der 1955 beim tödlichen Unfall von James Dean mit im Auto saß und schwerverletzt überlebte. Seine tragische Lebensgeschichte bis zu seinem Tod durch einen weiteren Autounfall im Jahr 1981 packen sie in einen Drei-Minuten-Song. Was schon mit Werner Enke, Peter-Ernst Eiffe wunderbar schräge Songtexte erzeugt, wird auf dem aktuellen Album mit einer Würdigung der englischen Tierschützerin Elizabeth Svendsen und ihrer Esels-Farm fortgesetzt.
Schon nach wenigen Titeln haben sich einige Tänzer vor der Bühne versammelt, der Rest wippt im Takt oder liefert sich spaßige Wortgefechte mit Friedrichs. Die Stimmung ist prächtig, und das Publikum ist zu weiten Teilen textsicher. Ob alberne Wortspielereien vom aktuellen Album („Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort“) oder der Hit vom Debüt („Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar du)“), das Programm kennt kaum einen Tiefpunkt. Außer vielleicht „The Out Crowd“, das zwar die wunderschöne Zeile „Wir wär’n die größten, wär’n wir nicht wir“ mitbringt, aber leider auch einer von jenen Pop-Ska-Titeln ist, die diesen Musikstil in Verruf gebracht haben. Der Ska-Purist wendet sich mit Schaudern ab.
Am wohlsten fühlt sich die Band ohnehin im Spannungsfeld zwischen Northern Soul und Mod-Rock. Und sie kommt mir inzwischen noch wesentlich druckvoller vor als beim letzten Auftritt. Drummer Heiko Franz geht derart herzhaft zu Werke, dass er schon im ersten Titel einen Drumstick zerstört. Und als weiterer Aktivposten ist Philip Morten Andernach zu verbuchen. Mit Saxophon, Gitarre, Background-Gesang und seiner eleganten Erscheinung macht er zweifellos den Unterschied zur Vorgänger-Kapelle Superpunk aus.
Mit „You are great but people are shit“, einer absurden Geschichte über ein Treffen mit Vincent van Gogh, endet der offizielle Teil. Als Zuschlag gibt es dann noch einige Titel, darunter zur allgemeinen Begeisterung den Superpunk-Klassiker „Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen“. Und wir sind sicher: Auch beim nächsten Gig der Liga der gewöhnlichen Gentlemen sind wir wieder dabei. So lange die fünf solch mitreißenden Gigs abliefern, so lange Carsten Friedrichs so wundervoll immer noch nicht singen kann, dafür aber den gesamten Laden mit seinem hanseatischen Charme einwickelt und immer wieder skurrile Geschichten über zu Unrecht vergessene Helden abliefert, sind wir dabei. Egal, wer gerade in irgendeinem anderen Club spielt.
Schade dass das Schocken nur halb voll war. Wir gingen davon aus dass es ausverkauft sei, denn im Vorverkauf online gab es schon 4 Tage vorher keine Tickets mehr, und zumindest so Tickets zum selbstausdrucken gehen ja eigentlich immer.
Also auch Abendkasse erst gar nicht probiert.
Chris und Ich waren dafür im 1210 bei den Ephemerals….war auch gut :-)