KLAXONS, FENECH SOLER, 20.11.2014, Universum, Stuttgart
Klaxons also. Ja, schon gehört und ja, die hatten schon so etwas wie einen Hit. Aber da ich kein Klaxonskenner bin, schaue also vor dem Konzert sicherheitshalber noch einmal im weltweiten Netz und erfahre, dass ein namentlich nicht genannter Kritiker über die Musik der Band gesagt hat, es handle sich um „stilprägenden Acid-Rave-Sci-fi-Punk-Funk“. Ich freue mich also auf ein relativ wildes (und daher mittels Tanz wärmendes) schönes Konzert im Universum.
Dieses füllt sich recht zaghaft und vor etwa 50 Besuchern beginnt die Vorgruppe Fenech Soler, die ebenso von der britischen Insel stammen wie die Headliner an diesem Abend. Die vier Briten sehen aus, wie aus dem Ei gepellt: alle in stylischen Klamotten, alle ganz ins Schwarz. Wie frisch für die Castingshow oder das Modeshooting zurecht gemacht. Fenech Soler liefern etwas Coldplay-lastige Popliedchen mit Disco-Appeal, die aber auffällig eingängig nach Chartplätzen zu schielen scheinen. Immerhin sind die Songs selbstgemacht und man kann ein Gespür für das Erarbeiten und Umsetzen solcher Melodien erkennen. So wird Fenech Soler auch wohlwollend aufgenommen und einige Mädchen tanzen und hüpfen bereits.
Während des 35-minütigen Auftritts der Vorband füllt sich das Universum dann doch soweit, dass es ein bisschen nach Publikum aussieht und man nicht mehr frieren muss. Und nach weiteren 35 Minuten beginnen die Klaxons mit ihrem Auftritt. Nun laufe ich Gefahr, bereits weiter oben geschriebene Sätze zum Aussehen der ebenfalls aus vier Musikern bestehenden Gruppe zu wiederholen. Aber sagen wir es so: das Gleiche in weiß. Sogar das Schlagzeug hat man ganz weiß lackiert.
Der Sound der Klaxons, die bereits seit 2005 aktiv sind, unterscheidet sich aber dann doch sehr von dem der Vorband und schlägt zu Beginn einen wesentlich härteren Grundton an. Und mir kommt wieder der unbekannte Kritiker in den Sinn „Acid-Rave-Punk“ oder so ähnlich. Die ersten Lieder haben diese etwas hart anmutende Attitüde, die jedoch a) so gar nicht zum Outfit der Musikanten passen will und b) eigentlich den restlichen Sound unter einen gewaltigen Bassteppich kehrt. Zugleich ist der Elektronikeinfluss ebenfalls von Beginn an breit angelegt und ich frage mich in gespannter Vorfreude auf das, was noch kommen mag, was das ist, was die Klaxons machen? Es gab ja in diesem Bereich einige Entwicklungen, denen man versucht hat neue Termini zuzuordnen, wie Electro- oder Euroclash. Die Klaxons gelten sogar als Mitbegründer einer ganz neuen Richtung: „New Rave“.
Für mich drängen sich dann doch auch Vergleiche etwa zu The Faint auf und die live dargebotenen Lieder werden nun zunehmend eingängig, beat- und discolastig, tanzbarer und teilweise mit süßen Mitsing-Refrains versehen. Und die Fans, mittlerweile dürften es doch knapp 200 sein, jubeln auch eifrig bei jedem „S-tuttgart wie geht’s?“ und klatschen prima mit, aber wirklich tanzen mag doch niemand so recht. Und genau das hätte ich definitiv erwartet zumal ich noch gelesen hatte, dass die Klaxons „vor einem guten Monat in der Berliner Kantine im Berghain eine exklusive und restlos ausverkaufte Clubshow gespielt haben“.
Nach ca. 35 Minuten kommt auch passend „Golden Skans“, der Hit mit dem berühmten „Ühühü-aha“ vom 2007er „Myths of the Near Future“ Album. Und ja, es drängt sich etwas der Verdacht auf, dass der harte, etwas punkige, basslastige Einstieg wohl doch nur eine Art Vorgeplänkel war, das nun eher in gleichförmiges Discoliedgut mit vielen „uhuhuhu“-Anteilen abzudriften scheint. Zudem ist nicht mehr klar unterscheidbar, was gerade ein echter Liveklang eines Instruments ist und was eher ein durch diverse Gerätschaften erzeugter, verzerrter, gepimpter, getrimmter, programmierter, gesampelter Sound ist. Und auch hier entsteht dann doch der Versuch, den einen oder anderen Hit zu liefern, der nach Coldplay klingt – sorry schon wieder der gleiche Bandname, aber irgendwie scheinen die wirklich Einfluss auf dieses Genre zu haben.
Das Publikum, mittlerweile dicht zusammengerückt, ist nach einer Stunde auch etwas in Bewegung gekommen. Das wird auch Zeit, denn nach 60 Minuten verabschieden sich die Klaxons auch ganz kurz, um dann noch vier Zugaben zu spielen. Und jetzt haben sie alle soweit: nun wird endlich getanzt, gerufen, gejubelt, ich sehe sogar jemanden Luftgitarre spielen! Bei der ersten Zugabe handelt es sich um „New Reality“, den Hit des aktuellen Albums „Love Frequency“, das im Juni erschienen ist. Geschickter Schachzug, damit solange zu warten! Die nächsten beiden Songs schlagen dann wieder in eine härtere Kerbe und der Bass übernimmt das Kommando und heizt die Party weiter an und schließlich winken die Klaxons zur vierten und letzten Zugabe ihr Publikum auf die Bühne und schaffen mit „It´s not over yet“ (ebenfalls vom 2007er Erfolgsalbum) einen gelungen Höhe- und Schlusspunkt ihres Konzerts.
Fazit:
Nachdem die Vorgruppe eine nette Discopop-Live-Party liefert, zu der man sich sicherlich mit Energiegetränkmix gemixter Stimmung über den Abend tanzberieseln lassen kann, können sich die Klaxons irgendwie nicht recht entscheiden, was sie denn nun sein wollen: was zum Clubben oder eigentlich doch lieber ’ne Punkband oder wollen sie doch was mit Fashion machen. Cool sind sie auf jeden Fall – auch für alle, die eigentlich sonst die House-Clubs der Stadt füllen, aber es auch mal krachen lassen wollen. Der „Super-Rave-Acid-Punk“-Hype, der sich auf einen Hit (ok vielleicht zwei) gründet, der in Clubs UND auf der Bühne funktioniert, ist aus meiner Sicht doch leicht übertrieben. Das waren vielleicht mal Atari Teenage Riot, falls sich noch jemand erinnert. Obwohl! Die nannten ihr Genre ja „Digital Hardcore“. Aber interessanterweise haben tatsächlich die Klaxons eine Remixversion für die jetzt gerade im Oktober erschienene Atari Teenage Riot-EP „Modern Liars“ beigesteuert – Zufälle gibt’s!
Klaxons, ohne „The“, und ihr 1. Album heisst „Myths Of The Near Future“, mit „s“ ;)
Schon verrückt diese Mädchen, die es sich trauen zur Vorband zu tanzen – da bleibt man als Mann doch lieber reserviert ;)