THE BURNING HELL, DAANTJE & THE GOLDEN HANDWERK, CAFÉ 612, 26.09.2014, Manufaktur, Schorndorf
Der Kollege Baudisch beweist seinen Auskenner-Status in Sachen Musik ja nicht nur regelmäßig mit einer exquisiten Radiosendung, er war es auch, der hier schon vor Jahren über die kanadische Band The Burning Hell berichtet hat. Und er hat mich auch vor zwei Jahren ins Wilhelmspalais geschickt, als Mathias Kom und Ariel Sharratt als Duo auf den Treppen auftraten. Und sie hatten mich begeistert. Was für ein begnadeter Songwriter präsentierte sich dort, wortgewaltig und selbstironisch, pointiert und mit skurrilem Humor. Ein großer Spaß – und mit der Mischung aus Gitarre bzw. Ukulele und Klarinette im Kern auch das, was hier heute Abend in der Manufaktur zu sehen bekommen. Kurzum: Der Weg nach Schorndorf war heute Pflicht.
Als das Konzert angekündigt wurde, waren mir übrigens die Support-Acts dieses Abends „Café 612“ und „Daantje & the Golden Handwerk“ noch gänzlich unbekannt. Erst kürzlich ließ mich „Billiger Trick“, Daantjes Version des Fink-Klassikers, auf dem Nils-Koppruch-Tribut-Album aufhorchen: diese knorrige Lofi-Band, die einen der besten Titel auf diesem Album beigesteuert hat, kommt aus der Region Stuttgart? Wie konnte ich die nur übersehen?
Und so war die Vorfreude perfekt: Manufaktur, Freitagabend, und mindestens zwei Wunschbands. Gig-Blogger, was willst du mehr?
Gut hundert Zuschauer haben den Weg nach Schorndorf gefunden, legere Stehtisch-Bestuhlung, die Bar in Sichtweite. Passt. „Café 612“ eröffnen. Vier leicht verschrobene Herren im Studienrat-Outfit, melancholische Folk-Songs und dreistimmiger Harmonie-Gesang. Aus Ludwigsburg kommen sie und wandeln sich nach einem knappen, unterhaltsamen Set in „The Golden Handwerk“ und begleiten fortan Joachim Zimmermann aka Daantje. Musikalisch geht es ähnlich weiter, der Mischer hat den anfangs blechernen Sound noch etwas nachjustiert, und Daantje zeigt sofort, was den Unterschied ausmacht: eine sehr markante, leicht rauchig-heisere Stimme, die den Songs einen einzigartigen, lapidaren Unterton gibt. Spontane Assoziation (Zimmermann möge es – je nach Gusto – goutieren oder verzeihen): so klang Stephan Sulke zu seinen besten Zeiten. Den oben erwähnten „billigen Trick“ gab’s leider nicht, aber die Band hat sich sofort auf meine Unbedingt-wieder-hingehen-Liste gespielt, vielleicht steht er ja dann auf der Setlist.
„My Name is Mathias“. Natürlich beginnen The Burning Hell ihr Set mit der Autobiografie ihres Frontmanns. Diese enthält nicht nur unverzichtbare Informationen über seine küssbare Lippen, Fettpölsterchen an den falschen Stellen, das Judentum und den Commonwealth, sie mündet auch im ultimativen Refrain
Where we’re born and when we die: we can’t control that.
And life in between is just war and combat.
There are targets you can shoot for and mines to circumvent,
but most of life is an accident.
Dass der Sound nicht sofort stimmt, man den Text anfangs nur rudimentär versteht, was soll’s. Nach wenigen Titeln hat’s der Mischer im Griff und Mathias und seine Truppe – aktuell übrigens zu fünft – führen uns durch die nächsten Songs des schrägen Burning-Hell-Kosmos. Zu einem guten Teil vom aktuellen Album „People“, das sich thematisch von einem Menschen-Typus zum nächsten bewegt. Hier lernen wir im Laufe des Abends alles über „Holidaymakers“, „Grown-Ups“, „Realists“, „Pirates“, „Industrialists“, „Professional Rappers“ und „Amateur Rappers“. Die Band spielt sich mühelos und federleicht durch ihren Indie-Folk-Rock, kleine Soli darf jeder der gut gelaunten Musiker einstreuen, die musikalisch prägende Rolle spielt aber eindeutig die Klarinettistin Ariel Sharratt. Ihre teils sparsam gesetzten rhythmischen Akzente, Duette mit der Lead-Gitarre und manchmal auch geradezu orientalisch fließenden Soli machen den Burning-Hell-Sound einzigartig. Da kann man ein wenig Klezmer aber auch Swing heraushören. Alles Stile, die zum fröhlichen Mitwippen auffordern.
Stolz präsentiert uns Mathias ein Monstrum von Bass-Mundharmonika, dass er im Laufe der Tour in Freiburg erstanden hat und nun – ob er es nun beherrscht oder nicht – unbedingt zum Einsatz bringen will. Klingt in etwa wie das Quaken einer dicken Kröte und trägt zur allgemeinen Erheiterung bei. Dann nutzt er noch die Gelegenheit, seinen Bassisten vorzustellen, der immer noch Single sei und den er nun – angesichts der zu Ende gehenden Tour – immer dringender an die Frau bringen möchte. Ob vielleicht eine der anwesenden Damen Interesse hätte?
Natürlich endet der Abend mit ihrem Hit „The Amateur Rappers“, einem Sieben-Minuten-Opus, in dem so wunderbare Zeilen vorkommen wie
Because my body is mortal but my rhymes are unkillable
Zur Zugabe werden nochmal die Support-Bands und andere Freunde auf die Bühne gebeten. Man übt sich in gemeinsamen Gesang, einem Titel voll seltsamer Statements und dem jeweils abschließenden Refrain „Love“, der nicht nur von der gut gefüllten Bühne sondern vom gesamten Publikum inbrünstig mitgesungen wird.
Schön! The Burning Hell sind eine großartige Band, konnte leider nicht hin, sah sie aber letztes Jahr mit der Vorgängerband von Café 612 (und Daantje im Publikum) in Ludwigsburg. Der „Love“-Titel heißt übrigens „It happens in Florida“. :-) Mathias Kom isch dr Beschde!
Danke, Fabian, für die Ergänzung. Habe die Setlist gleich mal ergänzt: https://www.setlist.fm/setlist/the-burning-hell/2014/manufaktur-schorndorf-germany-7bcf7ecc.html