PHARRELL WILLIAMS, 28.09.2014, Schleyerhalle, Stuttgart

Pharrell Williams

Foto: Steffen Schmid

Ein Abend mit Pharrell Williams ist ein Ereignis voller schräger, zeichenhafter Momente, die der Interpretation bedürfen. Ich mag des öfteren vielleicht für einige voll daneben liegen, gerade darum macht das Ruminterpretieren über das Gesehene und Gehörte sogar noch mehr Spaß.

Kurz nach halb Neun erscheint er auf der Bühne in einem wild kompilierten Outfit. Auf dem Kopf sitzt der komische Pfadfinderhut, der auch einem kanadischen Mountie gut stünde. In den Ohren stecken zwei Brillies, die dicker sind als die von Jerome Boateng. Den Oberkörper verhüllt ein fischgrätgemusterter Riesenschalponcho, der aber ziemlich schnell zu warm ist und in irgendeine Bühnenecke fliegt. Darunter trägt er ein Sonic-Youth-T-Shirt, mit dem berühmten Mike-Kelley-Häkelfigurencover vom ’92er Album „Dirty“. Den Hals ziert ordentlich Kettengebimsel, das Handgelenk ein großer Riesenwecker und fast so viele Armbänder wie Wolle Petry in seinen Hochzeiten. Als Beinkleid hat der Meister natürlich heute rein zufällig die Adidas-Hose erwischt, die er für die Herzogenauracher selber designt hat. Für die Schuhe ist ja immer gig-blog Fotograf Schmoudi zuständig und von da, wo ich sitze, sehe ich sie nicht gut genug.

Pharrell Williams

Foto: Steffen Schmid

Natürlich macht der Mann auch Musik! Bei den ersten Stücken, die er mit Hilfe einer kleinen Band (Besetzung: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Tasten) und zwei Sängerinnen (angetan mit netten Adidas Bolero-Jäckchen, die sehr gut zu seiner Hose passen – Wer ruft hier so laut „Product Placement“?) kommt noch nicht so richtig Stimmung in der weiten Halle auf und ich frage mich ein wenig, ob ich bei einem lahmeren Prince-Konzert gelandet bin. Fünf Tänzerinnen in schwarzen Adidas Ganzkörperschläuchen geben sich Mühe, die Stimmung zu verbessern und das klappt eigentlich auch ganz gut. Pharrell singt und schlurft schlurig auf der Bühne rum. Dass das richtig gut geprobt und komplett durchchoreographiert ist, merkt man immer, wenn er punktgenau an der richtigen Stelle im Song an genau an den richtigen Ort auf der Bühne gelatscht ist, damit die Tänzerinnen ihn in ihr Tun einbinden können und sich so beispielsweise ein nettes Gruppenbild mit Sänger ergibt. Die Damen der Tanzgruppe Dear Baes werden namentlich einzeln der Reihe nach vorgestellt. Pharrell ist immer nett zu den Frauen, schließlich ist das ein Konzert der „Dear Girl Tour“ 2014.

Pharrell Williams

Foto: Steffen Schmid

Es gibt aber so Momente, bei denen das dann doch ein wenig anders gesehen werden könnte. Beim Gwen-Stefani-Hit „Hollaback Girl“ dürfen die beiden Sängerinnen nach vorne und der Chef steht ganz bescheiden dahinter und singt nur Background ins Stehmikro. Ganz ausgespielt wird dieser Song nicht und gleich nach diesem Rotzgörenkracher die kontrovers diskutierte Chauvihymne „Blurred Lines“ zum Besten zu geben, hinterlässt so ein ungutes Gefühl. Zum Phänomen Pharrell gehört ja schon immer, dass der Kerl wahrscheinlich auf der Bühne auch verkünden könnte „Ich liebe die Frauenbewegung – sie muss halt nur rhythmisch sein“ und sogar Alice Schwarzer würde dazu fröhlich juchzen und twerken, weil die Beats sind halt so toll. Das nahezu komplett weibliche Publikum am Bühnenrand ist auf jeden Fall komplett aus dem Häuschen. Wenn er mit ihnen den ganz engen Kontakt sucht und in den Graben steigt zu seinen Fäninnen, will jede ein Selfie mit Mister Williams und macht ein Duckface. Ich würde ja schon wahnsinnig gerne mal eine Rezension von Judith Butler über das aktuelle Album lesen…..

Pharrell Williams

Foto: Steffen Schmid

Natürlich gab’s noch jede Menge andere Hits. Bei „Drop it like it’s hot“ freue ich mich wie immer bei diesem Song über jeden Zungenschnalzer, „Beautiful“ ist immer schön und nach „Get Lucky“ geht das Licht aus. Natürlich fordert die Halle lautstark eine Wiederauferstehung. Wie der Phönix aus der Asche kommen natürlich alle nochmal auf die Bühne und es geht los mit dem Zugabenblock. Schließlich fehlt noch dieser eine ganz große Superhit, damit alle glücklich werden können. Den gibt’s natürlich zum Finale und dazu ordentlich Konfettiregen aus Windmaschinen. Dann ist nach ca. 85 Minuten ein Konzertabend zu Ende, der mit etwas Startschwierigkeiten losging, dann aber doch ganz unterhaltsam wurde.

Während ich mich unter lauter glückstrahlenden Fans durch den Wasendirndlwahnsinn nach Hause trolle, frage ich mich: Ist Pharrell nun der neue Marvin Gaye, Barry White oder doch nur Rick James? Bis ich das weiß, werde ich weiter Prince-Platten hören.

Pharrell Williams

Foto: Steffen Schmid

Setlist:
(vielen Dank Anja!)
Come get it Bae
Frontin‘
Hunter
Pass the Courvoisier, Part II
Rock Star
Lapdance
She Wants to Move
Beautiful
Drop It Like It’s Hot
Aerosol Can
It Girl
Hollaback Girl
Blurred Lines
Get Lucky

Zugabe:
Lose Yourself to Dance
Gust of Wind
Happy

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