KAFKA TAMURA, 07.08.2013, Café Galao, Stuttgart

Kafka Tamura im Galao

Foto: Michael Haußmann

Kafka Tamura. These words will sound familiar to friends of Japanese literature. How this name belongs to an upcoming British Indie-Pop band can be interpreted by the listener.

Kafka Tamura, so heißt der Protagonist in Haruki Murakamis Roman „Kafka am Strand“. Er ist eine tragische Figur klassischen Ausmaßes in einer großen und komplexen Geschichte: die griechische Mythologie kommt darin vor, der Ödipus-Komplex, moderne japanische Großstadt-Kultur, eine Krähe, ein Katzenflüsterer und ein Katzenmörder (namens Johnny Walker), vom Himmel regnende Sardinen. Kurzum: ein ganzes Universum komplizierter Zeit- und Handlungsebenen wird in diesem Kult-Roman aufgebaut. Und ganz oben auf diese Schichttorte von Bedeutung und Symbolik setzt sich jetzt eine junge Band. Und überlässt ihren Hörern die Interpretation ihres Band-Namens. Ganz schön frech.

Als Murakami-Fan wäre ich ohne diesen Namen aber vermutlich auch nicht auf das Trio Kafka Tamura aufmerksam geworden. Die Neugier (und die Begeisterung über ihr erstes Video) haben mich ins Galao gelockt. Inzwischen hat es sich wohl mehr als nur rumgesprochen, dass man im Galao jedes Konzert jeder noch so unbekannten Band besuchen muss. Und so ich bin nicht der einzige, der diesen Mittwochs-Gig sehen will. Das Café ist mal wieder proppenvoll. Vor den Fenstern sitzen die glücklichen, die Musik und Frischluft bekommen, drinnen gibt’s „nur“ Musik und gefühlte 40°.

Kafka Tamura im Galao

Foto: Michael Haußmann

Emma Dawkins, Patrick Bongers und Gabriel Häuser nehmen gegen 21 Uhr die Abkürzung hinter der Bar, überklettern ein paar Zuschauer und entern die Bühne. Jeder Galao-Besucher weiß: ohne Reiners Band-Vorstellung beginnt hier kein Gig. Und der Chef wartet mit seiner Ansprache so lang, bis es so still ist, dass man seine Einführung ohne Verstärkung überall hören kann. Das mag ein wenig pingelig wirken, ist aber eine feine Geste, um den Musikern die gebührende Aufmerksamkeit zu sichern.

Reiner Bocka

Foto: Michael Haußmann

Nach einem aufmunternden Applaus beginnen die etwas schüchtern wirkenden Kafka Tamura mit einem ruhigen Instrumental-Stück und wir haben Zeit, uns die Band genauer anzuschauen. Jung sind sie, sehr jung sogar. Emma ist gerademal sechzehn, Patrick und Gabriel wohl nicht viel älter, aber die zwei kommen uns bekannt vor. Klar, sie waren ja mit Ihrer anderen Band Long Voyage schon einmal im Galao und auch auf dem Marienplatzfest. Wenig später wird Emma erzählen, wie Kafka Tamura entstanden sind: die beiden Jungs haben sie in Soundcloud entdeckt und eine Zusammenarbeit vorgeschlagen. Nach einigem Austausch über das Internet sind sie von Leipzig nach Southampton gereist. „Kind of strange, but I think it works…“ meint Emma lakonisch.

Kafka Tamura im Galao

Foto: Michael Haußmann

Die einzigen Titel, die ich aus dem Internet kenne, werden gleich als erste gespielt. Zuerst „Lullabies„, dann „Somewhere Else„, zu dem das oben erwähnte sehr sehenswerte Video produziert wurde. Es sind ruhige Songs, sparsam instrumentiert, ein wenig Keyboard, Gitarre und Schlagzeug, darüber Emmas markante, erstaunlich reif klingende Stimme. Das ist extrem cool intoniert, die Melodien sind eingängig und in ihrer Einfachheit wunderschön. Keine Frage: „Somewhere Else“ hat Hit-Potential. Dieser Song schleicht sich ein und bleibt hängen.

Kafka Tamura im Galao

Foto: Michael Haußmann

Gabriel und Patrick nehmen sich sichtlich zurück, Emma ist die Frontfrau und es ist immer wieder zu erkennen, wie die Jungs ihrem Vortrag aus der zweiten Reihe zuschauen und – so sieht es manchmal aus – ganz stolz darauf sind, was für eine tolle Sängerin sie da haben. Zwischen den Titel plaudert Emma noch ein wenig über ihre band holidays in den Alpen, wo sie sich einen Sonnenbrand geholt haben. Die Begeisterung über ihr noch relativ frisches Band-Leben ist jedenfalls so unverstellt und authentisch, das man gar nicht anders kann, als sie zu mögen. Einfach charming!

Ein erfreulich üppiges Set von etwa zwölf Titeln wird gespielt, die Stimmung ist fast durchgängig moll. Mal ist es etwas poppiger, mal rhythmisch etwas vertrackter, jedenfalls ausreichend Material, um daraus ein feines Album zu backen. Aber für Oktober kündigen sie erstmal „nur“ eine EP an, und da wird wieder klar – man hat es angesichts des professionellen Vortrags schon vergessen – hier spielt eine Band, die noch gar keinen Tonträger produziert hat und die es vor einem halben Jahr noch überhaupt nicht gab! Welche Zukunft haben die drei vor sich, wenn sie schon jetzt so locker einen Abend im knallvollen Galao wuppen? Ich würde sagen: eine große. Und wir beenden den Abend nicht nur mit einem schönen Solo-Auftritt von Emma Dawkins, sondern auch mit dem wohligen Gefühl, hier gerade eine Band gehört zu haben, die ganz am Anfang ihrer Karriere steht und von der man in ein paar Jahren sagen kann: kaum zu glauben, aber wir haben die damals im Galao gesehen.

Kafka Tamura im Galao

Foto: Michael Haußmann

4 Gedanken zu „KAFKA TAMURA, 07.08.2013, Café Galao, Stuttgart

  • 9. August 2013 um 15:38 Uhr
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    Beim nächsten mal bin ich dabei, schööön.
    Und nebenbei: ich merke gerade, als ich Deine Ultra-Kurz-Zusammenfassung lese dass ich, auch Murakami-Fan, gerade 1Q84 schmökernd, den Kafka auch nochmal lesen muss – mir kam nämlich der Name der Band beim Lesen in irgendeinem hinteren Eckchen meines Hirns auch bekannt vor (schäm…) …

  • 9. August 2013 um 16:27 Uhr
    Permalink

    1Q84 ist natürlich der ultimative Murakami. Wenn mal eine Band mit dem Namen kommt, gehen wir hin! ;)

  • 9. August 2013 um 20:42 Uhr
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    Auja!

    Britisch * Indie-Pop * Murakamiesker Band-Name* – warum genau nochmal war ich nicht da?

    ;-)

  • 16. August 2013 um 18:41 Uhr
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    Schöner Artikel und Fotos.
    Aber, was noch viel wichtiger ist, echt coole Band. Dank dem Beitrag hör ich „Somewhere Else“ in Dauerschleife.

    Danke.

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