Landtagswahl 2011: CDU, 23.03.2011, Arena, Ludwigsburg

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Foto: Steffen Schmid

Die stark erhöhte Omi- und Ordnungshüterkonzentration verrät es: Hier geht’s zur CDU. Vor der Halle haben sich Stuttgart-21-Kritiker versammelt, mit Buh-Rufen wird der Mappus-Wahlkampfbus begrüßt, schon eine gute Stunde vor Beginn warten riesige Menschentrauben vor der Ludwigsburger Arena brav auf Einlass. Alles straff organisiert hier, drinnen vertreibt eine Blaskapelle die Zeit, zu essen gibt’s Wurst und Schnitzel, was das Arena-Catering eben so hergibt.

Die CDU Baden-Württemberg lädt zum „Start ins Finale.“ Angeteasert wurde die Veranstaltung vor einigen Wochen noch mit dem damals schon stark angeschlagenen CSU-Publikumsliebling Guttenberg, kurz darauf trat er zurück, sein Name wird heute Abend nicht fallen.

Die Crowd drinnen in der Halle besteht praktisch ausschließlich aus CDU-Mitgliedern, dazwischen ein paar sehr versprengte Demonstranten. Bevorzugter Style ist Sakko bei den Herren, gesteppte Übergangsjacke bei den Damen, JU-Mitglieder scheinen sich frisurentechnisch primär am frühen Justin Bieber zu orientieren. Die Big Band spielt „Satellite“, wenn das hier die Mitte der Gesellschaft ist, stehe ich ehrlich gesagt ganz gerne am Rand.

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Über den Stühlen hängt für jeden Gast ein CDU-Fanschal, ein streng wirkender Kristina-Schröder-Klon übernimmt etwas ungelenk das Warm-Up, die Spannung steigt. Hand in Hand stehen die freiwilligen Ordner in knallorangene Windjacken an den Gängen Spalier für den Stargast.

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Kurz nach achtzehn Uhr läuft sie dann ein, die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel. Die Rocky-Fanfare ertönt, Applaus brandet auf, es folgt ein kurzes Bad in der Menge mit Händeschütteln und Autogramme schreiben. Merkel wirkt schmaler als im Fernsehen, trägt gut geschnittene schwarze Hosen und einen pflaumenfarbenen Blazer. Sieht eigentlich ganz gut aus.

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Das Grußwort spricht der Generalsekretär der Landes-CDU, er begrüßt Peter Müller, den Ministerpräsidenten des Saarlands sowie Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble – Partei-Prominenz galore. Thomas Strobl heißt der Mann, der Name wird glücklicherweise zum Schluss nochmal auf der Großleinwand eingeblendet. Kannte ich gar nicht, wirkt jedenfalls unangenehm.

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Nächster Redner ist Peter Müller, der joviale Charmebolzen aus dem Saarland. Seine Rede wirkt etwas improvisiert, ist aber durchaus kurzweilig, artig bedankt er sich für die Leistungen an das Saarland im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. „Der Islam gehört zu Deutschland …“ betont er außerdem, dafür gibt’s keinen Szenenapplaus. Dank des Zusatzes „… die Aufklärung, die Antike, das Judentum und das Christentum aber noch mehr“ springt netto dennoch ordentlich Beifall raus am Schluss.

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Der nächste Gast wird angekündigt mit „vor drei Wochen war sie hier, um über das therapeutische Reiten zu sprechen“. Wer kann das sein? Ach so, Ursula von der Leyen. Fröhlich zählt sie die kuriosesten Baden-Württemberg-Rekorde auf, die meisten Obstbäume gäbe es hier, die höchste Lebenserwartung usw. Wer jetzt noch schlechte Laune hat, ist selber schuld.

„Baden-Württemberg ist der Maßstab Deutschlands“ bekräftigt von der Leyen und berichtet von den offenbar katastrophalen Lebensbedingungen in Berlin, wo knappe Gymnasiumsplätze angeblich ausgelost werden. Hm, schwer vorstellbar, ich bitte an dieser Stelle um Verifizierung durch mitlesende Exil-Schwaben.

Es folgt der aufgeräumteste Redner des Abends, Wolfgang Schäuble. „Wir leben in schwierigen Zeiten“ ist sein erster Satz. Er spricht souverän, eindringlich, mahnend, lange Zeit gibt es keinen Zwischenapplaus. Die Partystimmung ist erstmal dahin, zu ernst ist seine Rede, zu sachlich seine Anliegen. „Wir müssen das europäische Haus weiterbauen“, im Saal hat keiner was dagegen. Schäuble weist außerdem darauf hin, dass Baden-Württemberg mit Abstand die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa hätte – das hinge mit dem Bildungssystem zusammen. „Vielfalt und Unterschied sind die Grundlagen von Freiheit – net Gleichmacherei.“ Durchaus überzeugende Argumentation.

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Kurz nach neunzehn Uhr betritt schließlich Angela Merkel als vorletzte Rednerin die Bühne und wird mit rhythmischem Klatschen begrüßt.

„Wenn man sich hier länger aufhält, muss man aufpassen, dass man als jemand aus dem Norden nicht depressiv wird“

sagt sie. Wie bitte?

Ach so, weil wir in allen Disziplinen dermaßen spitze sind. „Was Baden-Württemberg stark macht, ist die Kombination aus tollen Menschen und guter Regierung.“ Das sehen nicht alle im Saal so, CDU-skeptische Zwischenrufe werden laut, Angie reagiert souverän: „Wir wissen, die Menschen sind unterschiedlich, das merkt man auch schon an den Zwischenrufen hier.“ Gut pariert und extrem gute Überleitung zum Thema Bildung.

Auch Merkel spricht sich für die Beibehaltung des gegliederten Schulsystems aus, „Baden-Württembergs und Deutschlands Stärke ist die Vielfalt“. Schwächste Stelle in der ziemlich souveränen Rede ist das Thema Kernenergie, schon beeindruckend, wie man sich innerhalb eines Satzes gleichzeitig ganz klar gegen und für Kernernegie aussprechen kann. Verwunderlich, dass Merkel als promovierte Physikerin keine vernünftig begründete Meinung zum Thema hat, ist doch eigentlich ihr Fachgebiet. Viel Applaus zum Schluss für Angie, souverän abgeliefert.

Zeit für einen Wahlwerbespot. Auf der Großleinwand zu sehen sind diverse bewegte Bilder von Stefan Mappus – ganz privat Hand in Hand mit der Gattin (nehme ich an), beim Spaziergang auf der Autobahn, beim Handyvergleich mit Grundschülern. Das wirkt mitunter unbeabsichtigt komisch und erinnert ein bisschen an den bizarren Realsatire-Blog Kim Jong Il looking at things.

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Als er ans Rednerpult tritt, wird Mappus mit Standing Ovations begrüßt, logisch. Auch für ihn gibt’s kritische Zwischenrufe von den Rängen, er geht damit deutlich weniger souverän um als die Kanzlerin. „Wenn man keine guten Argumente hat, macht man Randale, das ist das Problem in Baden-Württemberg.“ Harte Worte, der Tonfall wird die ganze Rede über angriffslustig bleiben. Mappus wirkt unkonzentrierter als seine Vorredner, von Leichtigkeit ist nichts zu spüren. Auch Mappus windet sich beim Thema Kernenergie: „Dass die einen für den Atomausstieg sind und die anderen dafür zuständig, wie der Strom aus der Steckdose kommt, des geht au net.“ Lösungsvorschläge hat er auf die Schnelle keine parat.

Auffällig: Mappus sagt häufig „meine Damen und Herren“, erst später schwenkt er ein auf „liebe Freunde“. Er spricht sehr laut, manchmal geradezu ohrenbetäubend, als habe er vergessen, dass er hier drin niemanden bekehren muss.

In seiner Rede klappert er die üblichen Themen ab (Bildung, Jugendarbeitslosigkeit, Haushaltspolitik) – die Fakten und Argumente haben wir heute schon mehrfach gehört. Mappus macht außerdem lautstark Stimmung gegen den Länderfinanzausgleich, das gibt donnernden Applaus. Dass das Ding im Grundgesetz verankert ist, scheint ihm dabei entfallen zu sein.

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Gegen Ende seiner Rede möchte Mappus es offenbar ein wenig menscheln lassen und berichtet von einem Dankesbrief, den er von einem Bürger erhalten habe. Die Stimme klingt dabei zu süßlich, das Gefühlvolle nimmt man Mappus keine Sekunde lang ab. Auf das langgezogene ironische „oooooohhhh“ der CDU-Kritiker von den Rängen reagiert er pampig und verärgert. Schwaches Bild. Landesvater geht anders.

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6 Gedanken zu „Landtagswahl 2011: CDU, 23.03.2011, Arena, Ludwigsburg

  • 25. März 2011 um 01:38 Uhr
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    Klasse Bericht. Und diese Bilder erst wieder…Kompliment :)

  • 25. März 2011 um 08:48 Uhr
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    Heiss geschrieben. Die CDU hat seit dem demo nix gutes mehr beschrieben – zeit für den split

  • 25. März 2011 um 10:04 Uhr
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    oh ist das gut! Kompliment!

  • 25. März 2011 um 16:24 Uhr
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    Hervorragend! Mit klugem Blick, die Verlogenheit der Unionisten heraus kristallisiert! Guttenberg unter den nicht mehr vorhandenen Doktorstuhl gekehrt. Atompolitisch Augenwischerei betreiben. Und Mappus kann mal wieder nicht mit der Meinung anderer umgehen. Das Bild vom halbem Schäuble: preisverdächtig. Dass der an dem Abend eher die ernsten Töne angeschlagen hat, spricht für ihn. Der ahnt was kommt. Der Wechsel ist überfällig und liegt in der Luft.

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