APOCALYPTICA, 28.02.2011, Theaterhaus, Stuttgart
Sie sind da! Die Finnen mit den unaussprechlichen Namen, die Metal spielen, ganz ohne Gitarren, dafür mit drei Violoncelli. Während die Vorgruppe A Life Divided in der Halle bereits mächtig Gas gibt, braust im Foyer der alte Glaubenskrieg noch einmal auf: Apocalyptica, mit oder ohne Percussion? Da bekenn ich mich zum Mainstream. Ich finde die Cellos der Finnen gewinnen dadurch, die psychedelische Kraft ihrer Akkordkunst haut umso stärker rein. Wobei sie an diesem Abend erneut beweisen werden, dass sie auch in den Momenten ohne Schlagzeug eine große Kraft entfalten. Schwierig find ich nur die seit ein paar Alben eingeführten Gesangsnummern – das ist einfach nicht ihre Baustelle. Aber auch diesbezüglich wird mich dieser Abend eines besseren belehren. Die Düstertöne der Celli greifen um sich, die Reise beginnt.
Kann man ein Cello orgeln? Wenn es einen Verstärker dran hat, und man Eicca Toppinen heißt: ja! Das klingt natürlich nicht wie sonntags in der Kirche. Das gleicht schon eher einer melodischen Stalinorgel, die einen gnadenlos mit diesem Sound bombardiert. Die Bässe sind da eine ganzkörperliche Erfahrung.
Schon von den ersten Stücken vom neuen Album “7th Symphony“ bin ich begeistert. Was Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso alles aus den Instrumenten rausholen ist unglaublich: Sägegeräusche, Sirenengeheul, Gewehrsalven und das alles mit dem Speed-Metal-Tempo von Drummer Mikko Sirén. Bei mir stößt Apocalyptica jedes Mal das Tor zum Innersten weit auf. Sie kriegen mich schnell, bald schließe ich headbangend die Augen. Mach sie nur noch wieder auf, um mir kurz neue Impulse für mein Kopfkino zu holen. Die Bühnenshow, mit ihrem surrealen Hintergrundbild (ein Fels aus übereinander getürmten Celli), passt dafür ganz hervorragend. Klänge wie aus den Niederhöllen erheben sich brachial, Paganini lässt grüßen.
Auch als Sänger Tipe Johnson dazustößt und „Bring Them To The Light“ vom aktuellen Album intoniert, hält sich wider erwarten die Intensität des Konzerts. Einen der Höhepunkte bildet für mich der darauffolgende Kontrapunkt der Show: ein zirka viertelstündiger Block von ruhigen, klassisch angehauchten Stücken. Das Stück „Beautiful“ macht den Anfang und hält was der Name verspricht, es ist schlicht: anrührend schön. Kurz gesellt sich Mikko mit einer Bauchtrommel dazu und ein mittelalterlicher Totentanz beginnt. Die Lightshow beendet diesen Rosenblätterregen mit rubinrotem Licht.
Eicca schreit in den Saal: Wollt ihr Metal? WOLLT IHR METAL?
Die Antwort ist erwartungsgemäß eindeutig. Jetzt kommen die Klassiker, die Apocalyptica berühmt gemacht haben und in meinem Hirn einen wahren Bildersturm auslösen. Feuersonnenuntergänge. Die Nacht der Nächte kündigt sich an, die Nacht ist da! Schwertkampfkunst. Heldenmut vor Königsthronen. Dämonenrösser. Verfolgungsjagd im Düsterwald. Kreuze brennen am Hügelsaum! Steilflüge, Sturzflüge. Kugelhagel. Tränen des Glücks in Stahlgewittern.
Finale: „In The Hall Of The Mountain King“. Ein Stück wie ein Hochgeschwindigkeitsflug durchs Hochgebirge. Das ganze musikalische Können dieser Ausnahme-Künstler entfaltet sich noch einmal voll. Apocalyptica, das ist immer wieder eine fundamentale Erfahrung.
So, jetzt haben wir aufm Gig-Blog endlich das Wort „Stalinorgel“, die Zugriffszahlen werden ins unermessliche steigen ;-)
Kraftvoller Text, kraftvolle Fotos, heidenei!
Die Fotos sind genial! Verdammt, da hab ich echt was verpasst..
Nicht nur die ‚Stalinorgel‘ läßt die Zugriffszahlen wolkenkratzerähnlich abheben, lieber bertramprimus…: STAHLGEWITTER !
Der Autor hat das Konzert jedenfalls richtig gelebt. Kommt so auch entsprechend bockstark rüber.
Danke für den tollen Text und die beeindruckenden Pics.
unglaublich tolle Bilder * Handshake Steffen *
Echt grandiose Bilder! Für mich besonders geil, Bild 13: da hat Steffen das Geheimnis von Apocalyptica festgehalten! Das Umschalten von Cello „normal“ auf Metal.
Muss ja der apocalyptische Wahnsinn gewesen sein! Tolle Bilder!
oh manno… und ich konnt nicht hin zum knipsen… tolle bilder steffen