JOCHEN DISTELMEYER, 14.11.2009, Universum, Stuttgart

Jochen Distelmeyer

Foto: Steffen Schmid

Harte Nuss! Bin nicht so der Fan deutschsprachiger Musik. Die Sterne meinten mal „Ich scheiss auf deutsche Texte“, war mir schon immer sympahtisch dieser Spruch. Ich versteh nicht so gerne, was gesungen wird, da in meiner Welt Musik immer über das Wort siegt. Ein verstandener Text also im Normalfall bei mir bestenfalls den Hörgenuss nicht zu schmälern vermag, vielleicht liegt’s aber auch am Sound der Sprache. Bei Blumfeld hatte ich immer den Eindruck, dass die Musik vor lauter Bedeutungsschwangerheit des Textes erschlagen wird, aber ok, Sachzwänge. Deutschsprech-Indie-Experte Schappo Klack ist verhindert („mach’s selber, ich kann dich nicht leiden!“), die anderen haben ihr Quartals-Freimaurertreffen, und so muss ich ran. Zur Vorbereitung also noch kurz zwei Videos angeschaut, und immerhin, der Jochen D. sehr sympathisch, auf eine angenehme Weise leicht verpeilt, ruhig und höflich. Außerdem wehrt er sich gegen den Begriff Dichter und sieht sein Schaffen eher von der Musik her kommend.
Lass ich also das böse Wort „Germanistenschlager“ vorerst mal weg.

Schlau werd ich aus den Konzertbeginnzeiten in dieser Stadt mittlerweile gar nicht mehr. Um 20.05 Uhr ging es wohl schon los, was bedeutet, dass ich schon eine gute halbe Stunde Konzert verpasst habe, als ich eintreffe. Ärgerlich! Verdammt ärgerlich, da mir das Dargebotene auf Anhieb gefällt. Der Sound ist sehr gut, dicht, klar und man merkt sofort, dass die Band funktioniert, alles klingt rund und dynamisch. Die Bühne ist im übrigen groß genug, also stellt sich die Frage „Wohin mit dem Bass?“ nicht (sehr übler Kalauer, meine Güte!).
Den ersten Song, den ich mitbekomme, ist das psychedelische „Schmetterlingsgang“ von Blumfeld. Meine Bedenken, was deutsche Texte angeht, sind gleich mal weg. Das Stück rockt, der Text verschwindet für mich hinter der Musik und ich merke, dass mir das musikalisch ja verdammt gut gefällt, gut so. Songtechnisch ist der Abend sehr abwechslungsreich. Schnelle, rockige Stücke wechseln sich mit Midtempo-Popsongs und Balladeskem ab. Die ruhigen Songs wie „Regen“ und „Lass uns Liebe sein“ sind musikalisch viel zu unbanal und schön, als dass ich irgendwelche Schlagerbedenken bekommen könnte. Letzterer Song wird übrigens Megan Fox gewidmet. Wird seinen guten Grund haben.
Das Publikum im sehr gut gefüllten Universum ist im übrigen wahnsinnig begeistert, und das merkt man Herrn Distelmeyer auch an, wenn er sich zwischen den Songs bedankt. Irgendwo zwischen gerührt und verwundert ist das. Apropos Ansagen, der Mann hat die friedfertigste Stimme, die ich jemals bei einem Menschen gehört habe. Mit dem Timbre sollte er mal bei ein paar Nahost-Friedensgesprächen vermitteln, dauerhafter Friede wäre garantiert.
Und wer mir das mit der Begeisterung nicht glauben mag, es gibt neun (9, nine, nove!!!) Zugaben, aus denen das Patti-Smith-Cover „Dancing Barefoot“ heraussticht! Niemand will gehen und das mit Recht.
Bitte betrachten Sie den ersten Abschnitt dieses Textes als gegenstandslos und mich als rückgratlosen Wendehals, danke!

Ein wunderbares, abwechslungsreiches Konzert mit toller Musik und einem sehr sympathischen Künstler ist das. Ein Abend, an dem alles passt. Doch ich zitiere Herrn Distelmeyer aus der SPEX mal selber, um diesen Abend perfekt zu beschreiben: „Menschen wollen singen, tanzen, hören, gerührt sein“.

Kleine Abschlussanekdote noch vom Orwell-Konzert, als die französischen Bandmitglieder eine Distelmeyer-Werbepostkarte mit dem Text „Wohin mit dem Hass“ in die Finger bekamen, nicht so richtig verstanden, was das heißt, aber plötzlich ablachen mussten, als sie das ‚H‘ verdeckten. Englisch geht doch immer.
Wohin mit dem ass? Mit meinem eigenen smarten auf jeden Fall ins Bett jetzt.

8 Gedanken zu „JOCHEN DISTELMEYER, 14.11.2009, Universum, Stuttgart

  • 15. November 2009 um 01:02 Uhr
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    Ich habe ja nach der neunten Zugabe noch gehofft, dass Jochiboy im Bademantel auf die Bühne kommt.

  • 15. November 2009 um 12:20 Uhr
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    die anfangszeiten der stuttgarter konzerte sind grad mehr als irritierend, aber ich kam grade noch pünktlich und hab somit meine auch meine blumfeld-lieblingssongs nicht verpasst: „ich wie es wirklich war“ und „2 oder 3 dinge die ich von dir weiß“. und die großartige ansage nach lied nr 3 (ca.): „hallo. wir sind jochen distelmeyer“. ich fand es super!

  • 15. November 2009 um 12:34 Uhr
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    Oh ja, irritierend ist gar kein Ausdruck. Das Konzert war zu einer Uhrzeit vorbei, zu der andere nicht einmal anfangen.

  • 15. November 2009 um 12:44 Uhr
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    Sehr schön, der Lino aufm Distelmeyer.

    Und mal wieder großartige Fotos, Herr Schmid!

  • 15. November 2009 um 16:56 Uhr
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    LOL fand ich auch großartig das zitat. :) sexy jochen halt

  • 15. November 2009 um 20:09 Uhr
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    na herrlich dass deutschland frühmorgens mit sowas bestrahlt wird! geil auch sein outfit in dem beitrag (wurde die olle pc-diskussion wie bei „was es ist“/mia./2003 schon wieder losgetreten?!)

  • 23. November 2009 um 23:12 Uhr
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    oh, ich fan-angsthase habe mich leider nicht hingetraut… und nun war`s doch toll! aber meine chance kommt anfang des kommenden jahres in schorndorf.

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