THE NATIONAL, HANNAH GEORGAS, 05.12.2019, Porsche-Arena, Stuttgart
Nun gut, der Bericht zum Konzert von The National steht also an. Die Band, die so viele Fans unter denjenigen hat, die ich aus dem Musikumfeld kenne. Und so ist es mal wieder ein kleines Klassentreffen in der mittelgroßen Mehrzweckhalle Porsche-Arena. Und da alle definitiv größere Expert*innen für diese Band sind als ich, eröffne ich diesen Bericht mit einer absolut nicht originellen, aber wahnsinnig provokant klingenden These, um meine Unsicherheit der Bewertung gleich zu überspielen und abzulenken:
The National sind die Coldplay der Musikkenner*innen.
So! Provokationen mit Coldplay klappen ja immer. Begründen werde ich das wahrscheinlich eher nicht durch meinen Bericht – aber gut, Hauptsache, die Schlagzeile stimmt!
Fangen wir also mal ganz nüchtern mit dem Support des Abends an. Das ist die aus Kanada stammende Hannah Georgas, die mit ruhigen Arrangements und klarer, heller Stimme ihre Songs darbietet, von denen sich nun allerdings keiner bei mir einprägt. Und schon bin ich wieder beim leidigen Thema Multifunktionshalle. Ich gehe jede Wette ein, dass im Rahmen eines kleinen Clubkonzerts oder eines Wohnzimmerkonzerts ich interessiert (ob freudig oder nicht, steht auf einem anderen Blatt) und gespannt gelauscht hätte. Aber in Reihe 27 auf einem Handballfeld, wo wenige Meter entfernt bedrohlich ein riesiger Videowürfel hängt? Nein, ehrlich gesagt hätten es da die meisten Bands schwer. Zudem ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass es irgendwie sehr viele dieser Bands und Musiker*innen gibt. Aus dieser Masse hervorzustechen ist nicht einfach und schafft Hannah Georgas an diesem Abend bei mir nicht. Trotzdem behalte ich ihr Konzert am 8. April im Club des Im Wizemann im Hinterkopf.
Nun also The National. Ein Link eines Berichts vom Konzert in Berlin geisterte kürzlich durch meine facebook-timeline (das heutige myspace der Generation über 30, wenn wir schon bei schrägen Vergleichen sind), von dem ich in Erinnerung habe, dass er eher negativ ausfiel in seiner Bewertung des Auftritts in der Columbiahalle. Als ich den Artikel googeln will (der heutige Brockhaus / Gelbe Seiten /etc. pp aller) weiß ich nicht mehr, welcher er ist und finde in den Ausschnitten verschiedener Berichte folgende Schlagworte: „Gemeinsam schwitzen“ (rbb24), „The National begeistern in der ausverkauften Columbiahalle“ (Berliner Zeitung), „Das große Gruppenkuscheln“ (inforadio), „The National beglücken mit Verve und Drive“ (Morgenpost), „Matt Berninger wirkt wie ausgewechselt (Tagesspiegel), „Bühne frei für weibliche Perspektiven“. Und jetzt weiß ich irgendwie auch nicht. Auf Seite 2 der google-Suche (schon ewig nicht mehr dort gewesen) dann: „Scheitern vor den Massen“ (Freie Presse). Leider habe ich nun den Fehler begangen, die Artikel zu lesen. Jedenfalls ist mir klar, dass ich auf jeden Fall den „Bariton“ von Sänger Matt Berninger und sein Verhalten auf und vor der Bühne erwähnen muss.
Nun ja, um nicht weiter um den heißen Brei herum zu schreiben – mich hat das Konzert, bis auf wenige Stellen, nicht gepackt. Ja, die Stimme (Verzeihung, der Bariton) ist toll und wegen ihr und aber auch vielen wirklich tollen Songs habe ich die Alben „Alligator“, „Boxer“ und „High Violet“ auch wirklich oft und gerne gehört. Aber auch hier muss ich dasselbe attestieren wie bei Hannah Georgas. Mir bleibt nicht mal eines meiner Lieblingsstücke überhaupt, „Bloodbuzz Ohio“, im Ohr. Mein Fuß wippt mit, aber von der Begeisterung, die mich bei diesem Stück immer ergreift, fehlt fast jede Spur. Die Stimme könnte präsenter gemischt oder gesungen sein und den Rest des Sounds finde ich auch eher so mittel. Ich sehe jedenfalls deutlich mehr Musiker als dass ich sie akustisch differenziert wahrnehme. Bezeichnenderweise überzeugen mich die leisen Momente des Konzerts, da dann mal nicht alle erdenklichen Instrumente auf der Bühne sich in meinen Ohren vermischen und anschließend die beiden Gitarren noch etwas zu laut für mich oben drauf gesetzt werden. Das sind tatsächlich die Momente, bei denen ich kurz an Coldplay denken musste. Gerne hätte der Fokus noch mehr auf dem wunderbaren zwei- oder dreistimmigen Gesang Berningers mit den beiden Gast-Sängerinnen Kate Staples und Mina Tindle liegen können. Oder auf den gekonnten Bläserparts, die leider zu oft im Sound verschwammen. Da es mein erstes Konzert von The National war, hat mich der Schluss, das akustische „Vanderlyle Crybaby Geeks“ dann etwas überrascht nach dem vorherigen Sound – ein gelungener Abschluss, wie ich finde.
Ich brauche darüber hinaus nicht von Berningers Eigenheiten anfangen, die man mögen kann oder auch nicht – das wird ihm egal sein, jedenfalls strahlt er das aus. Die Ausflüge in die Halle, das Werfen von Bechern und Mikrofonständern, ja gut, macht er halt so. Man muss auf einer Bühne eine Rolle einnehmen, er entscheidet sich für den trinkenden Steve Jobs, jedenfalls muss ich an diesen ab und an denken. Aber das sind alles nur Äußerlichkeiten. Berninger wirkt auf mich wie jemand, dem diese Entwicklung der Band vielleicht nicht ganz geheuer ist. Große Bühnen in großen Arenen und ein großes Publikum. Vielleicht sind es bewusste oder unbewusste Reaktionen darauf, nicht Everybody‘s Indie-Darling mit dem „Bariton“ sein zu wollen – und wird es dadurch vielleicht noch mehr. Genug der Vermutungen und küchenpsychologischen Ausführungen. The National sind jedenfalls eine der wenigen Bands, die es schaffen, ein Publikum in Hallen zu bewegen, das eigentlich sonst gerne die Bands entdeckt, die wohl niemals in der Porsche-Arena spielen werden. Und alles ist dann jeweils gut, genau so, wie es ist.
Die zweite Sängerin war übrigens nicht Mina Tindle, sondern die bereits erwähnte Hannah Georgas aus dem Vorprogramm.
Ui, dankeschön!
Entschuldige meine Korinthenkackerei…