RIVER RANGE MUSIC FESTIVAL, 24.02.2018, Cromwell, Neuseeland
Die Kamera habe ich verkauft, die Wohnung vermietet und bin seit Juli in einem Sabbatical unterwegs. Mein Konzert-Leben ist seitdem zum Erliegen gekommen. Zuerst bin ich mit dem Fahrrad durch Kanada gefahren und obwohl ich großer Fan der kanadischen Musik-Szene bin, habe ich es fast nicht geschafft, dort auch auf ein Konzert zu gehen. Dann wurde es dort zu kalt und ich bin über kleinere Umwege nach Neuseeland geflogen, wo ich mir wieder ein Fahrrad zugelegt habe. Aber auch hier hatte ich wenig Glück: entweder war in den Orten, die ich passiert habe, nichts geboten, oder – noch schlimmer – es gab nicht mal Ortschaften. Bis ich vor ein paar Tagen in Cromwell, in der Nähe von Queenstown, der Touri-Stadt #1 in Neuseeland, vorbeigekommen bin. Dort sah ich ein Plakat für das River Range Music Festival und konnte, dank Zeitverzögerung durch den Zyklon Gita, einen Besuch einplanen.
Ich komme an, zahle schmale 30$ Eintritt (nicht mal 20€) und freue mich auf potentiell 15 Bands + DJ am Ende, von denen die ersten allerdings schon gespielt haben, als ich um halbdrei nach einem späten Start und einer 60km Radtour vor Ort bin. Das Festival Gelände ist äußerst idyllisch auf einer Wiese gelegen, ein paar Bäume mittendrin und außenrum ein paar Fressstände. Bei guten 25°C genehmige ich mir natürlich zuerst ein Eis und versuche mal langsam hier anzukommen. Typische Festival-Requisiten, wie einen Stuhl oder Seifenblasen, habe ich keine dabei; als ich vor acht Monaten meine Wohnung verlassen habe, habe ich nicht bedacht, dass ich heute auf einem Festival sein werde und nichts entsprechendes eingepackt.
Ich stelle fest, dass es zwei Bühnen gibt. Die Main Stage, die allerdings auch nur ein umgebauter Anhänger ist und eine Tree Stage, die, wie auf jedem hippen Event auf der ganzen Welt, natürlich aus Paletten gebastelt wurde. Dazu gibt es noch eine Ansagerin, die mich von Ansage zu Ansage immer mehr nervt, sie zieht alles sehr in die Länge und übertreibt mit jeder Aussage maßlos.
Die Aussicht ist natürlich berauschend. Cromwell liegt an den Ausläufern der Southern Alps, rundum sind die Gebirgszüge zu sehen und es ist bestes Wetter für ein Festival. Es wird offenbar auch als Gelegenheit genutzt, einen Familienausflug zu machen, es sind sehr viele Familien mit Kindern hier. Alles zusammen schätze ich vielleicht 800 Zuschauer vor Ort, kann damit aber auf dem weitläufigen Gelände auch weit daneben liegen.
Bei den Bands bin ich mir nicht so ganz sicher, ob es nicht vielleicht eine Aufstellung einer Rollerderby-Mannschaft ist: Concord Dawn, Panther Claw, Pieces of Molly, Koizilla, Death and the Maiden, Murgatroyd oder The Vortz könnte ich auch dort erwarten. Und im Gegensatz zur kanadischen kenne ich mich in der neuseeländischen Musikszene überhaupt nicht aus. Es sollen aber alles lokale Bands der Südinsel sein.
Es ist alles dabei, von einem ruhigen Singer-Songwriter oder einem Country-Duo, die jeweils auf der Tree Stage aufspielen, bis zu ordentlichen Rockbands, die jedoch in der Nachmittagshitze einen schweren Stand haben, das Publikum im zweistelligen Alter zu bewegen.
Der Wechsel zwischen den beiden Bühnen klappte sehr gut. Auch in diesem Fall, als die Band auf der Tree Stage ihren Soundcheck dazu nutzte, um bei den beiden von The Vortz mitzujammen. Die Techniker und Stage-Hands schienen ihren Job sehr solide zu machen. Störende Umbau-Pausen gab es kaum, auch nicht, als nur noch die Hauptbühne bespielt wurde.
Murgatroyd haben einen starke Einstieg mit ordentlich Rhythmusgitarre, ihr Schlagzeug kommt allerdings nur vom Computer. Dennoch: für eine Zweimannband ordentlich Druck dahinter. Der Gitarrist fühlt sich offenbar an der vorderen Bühnenkante am wohlsten und sowohl seine Frisur, als auch seine Posen erinnern mich an den ähnlich extrovertierten Schmutzki-Müller. Der Sänger ist an seinen Tasten-Apparaten gefangen, durchlebt seine Musik jedoch mit dem ganzen Körper. Bei einem Song überlege ich kurz, ob es ein Tool-Cover ist und bin immer wieder von neuem verwundert, wie viel manche Bands mit wenig Leuten und viel Computer alles anrichten können.
Danach stehen Death and the Maiden auf der Bühne, auch wieder in die große Schublade Rock einzuordnen, auch wieder leider kein richtiges Schlagzeug, sondern nur etwas digitales. Sie scheinen schon ein paar mehr Fans zu haben, immerhin stehen jetzt schon ein paar weitere Zuschauer in der Nähe der Bühne und interessieren sich offenbar für die Musik.
Das Wetter scheint sich langsam zu wechseln. Es zieht ein kalter Wind auf und nach jeder weiteren Band verziehe ich mich in mein Zelt und ziehe eine weitere Lage Klamotten aus meinen Taschen. Wer diese Katie ist, konnte ich dabei nicht raus finden.
Jetzt scheint der Hard-Rock-Block angebrochen zu sein. Koizilla nutzen endlich mal ein richtiges Schlagzeug und die folgenden Pieces of Molly bringen die Standard-Rock-Posen auf die Bühne: Headbanging, Haarpropeller, Windmühlen-Gitarrenspiel und Gitarre-überm-Kopf-halten. Für einen ebenso passenden Moshpit sind allerdings zu wenige Leute vor der Bühne.
Als nächstes kommen die Rhythmonyx auf die Bühne und die Tanzfläche füllt sich merklich. Ich habe mir inzwischen eine der Paletten-Bänke ergattert und gönne mir eine kurze Pause. Ein Tom setzt sich zu mir und meint, dass er von dieser Art der Musik genug hat, das wäre die typische neuseeländische Band, mit leicht souligem Gesang und Bläser-Sektion. Wieder etwas gelernt – und dabei habe ich ihn nicht mal nach seiner Meinung gefragt.
Die nächste Band, Panther Claw, bringt wieder einen Genre-Wechsel mit. Nun steht elektrische Pop-Musik an, bevor der offensichtliche Hauptact Concord Dawn loslegt. Er steht ganz alleine auf der Bühne und hat nur einen großen schwarzen Kasten vor sich stehen. Die Tanzfläche füllt sich schon während der kurzen Umbau-Pause und als die ersten Takte erklingen ist die Menge in Bewegung. Mich erinnert es anfangs ein bisschen an The Prodigy, es wird dann aber ruhiger.
Die ganze Veranstaltung war auf jeden Fall eine willkommene Abwechslung zum Radfahren, mit dem ich meine Tage sonst so füllte. Und ich werde bestimmt den ein oder anderen Bandnamen nochmal in eine Suchmaschine werfen und mir ein paar weitere Songs anhören. Etwas neue Musik in der gewohnten Routine ist ja kein Fehler.