THE BELLRAYS, 24.06.2017, Schlesinger, Stuttgart
„Rock Show!“ Wie ein Mantra ruft Lisa Kekaula, Sängerin der BellRays, diese zwei Worte immer wieder ins Publikum. Der Ton, in dem sie es herausbellt – mit finsterer Miene, fordernd, genervt, nahezu aggressiv – macht nicht ganz klar: Will sie sich und die Band auf Kurs bringen? Verlangt sie vom Publikum mehr Engagement? Ist das Befehl zum Exzess? Oder ist es einfach nur die Beschreibung dessen, was hier gerade geschieht?
Letzteres wäre nicht nötig: das Schlesinger ist bei einem seiner raren Konzert gut gefüllt, Band und Besucher sind motiviert, und schon nach wenigen Titel tanzen die ersten Reihen. Dabei sind die Bedingungen nicht gerade ideal für körperliche Betätigung. Feuchte Hitze steht im Raum, der Schweiß läuft in Strömen. Der Stilmix der BellRays fordert geradezu Tanzeinsatz: treibender Detroit Rock / Protopunk, kombiniert mit Lisas rauer Soulstimme. Auch wenn ihr Ehemann Bob Vennum an der Gitarre in 27 Jahren Bandgeschichte in Ehren ergraut ist – er und seine Kollegen von der Rhythmussektion schonen sich nicht und treiben mächtig voran. Dass sich die Sängerin immer wieder für zwei Titel von der Bühne verabschiedet und die Band mit Instrumentaltiteln und Coverversionen den Spannungsbogen halten muss, wirkt zuerst wie eine divenhafte Laune. Erst gegen Ende des Gigs, als Lisa kurz wie ein angeschlagener Boxer taumelt und Halt an der Wand suchen muss, wird klar, dass sie heute nicht wirklich fit ist und wahrscheinlich der fiesen Hitze Tribut zollen muss.
Umso beeindruckender, dass sie in der zweiten Hälfte des Auftritts, nach einer schön verschleppten Version von „Whole Lotta Love“ und dem souligen „Sun Comes Down“ das Tempo noch anzieht und den Gig zu einem großen Finale führt. Und es gibt wohl kaum einen besseren Ort, um den Ramones-Gassenhauser „Sheena is a Punkrocker“ rauszuhauen als im Schlesinger mit seinen Wurzeln im Punk. Entsprechend frenetisch wird der Titel auch gefeiert.
Apropos: Großen Respekt für Kneipe und Veranstalter diesen Riesenaufwand für ein Konzert zu treiben. Den Laden komplett leerzuräumen, eine amtliche Bühne mit solider PA und Lichtanlage und einen kleinen Backstage-Raum einzubauen, das ist ja nicht nur ein Heidengeschäft. Das dürfte auch mit ziemlichen Kosten verbunden sein. Angesichts des guten Besucherzuspruchs sollte die Rechnung wohl trotzdem aufgegangen sein. Aber es ist nur allzu verständlich, dass Konzerte hier eher Ausnahme-Events bleiben. Spätestens wenn am 4.11. Jock McDonald mit seinen Bollock Brothers anrutscht, wird man diesen Aufwand dennoch wieder treiben.
Ich sah die BellRays (seit 2002) zum fünften Mal und trotz eines sichtbar engagierten physischen Einsatzes der Musiker war dieser Auftritt 7 Jahre nach Ihrem letzten Album mit eigenen Songs – „Black Lightning“ war/ist eine tolle LP – eine unerwartete und daher riesengroße Enttäuschung. Laut gespielt und lustlos gesungen, so kamen die älteren Stücke aus der Zeit von 1998 bis 2010 daher, das mit der „Rock Show!“ war nervig und stupid, die von Bob Vennum gesungenen Titel klangen völlig austauschbar. Wer braucht „Whole Lotta Love“ (Led Zeppelin), „Highway To Hell“ (AC/DC), „Never Say Die “ (Black Sabbath) oder „Sheena Is A Punkrocker“ (Ramones) in 08/15-Versionen von The BellRays? Haben sie uns nach 7jähriger Pause wirklich nicht mehr zu bieten als ein paar olle Gassenhauer, die jede Partyband genauso gut nachspielen kann?
Lisa Kekaulas Performance war dergestalt uninspiriert und abgehalftert, sie war ein Schatten ihrer selbst, was immer der Grund dafür war. Erklärt hat sie den ihrem zahlenden Publikum jedenfalls nicht, und das wäre im Fall einer körperlichen Schwäche wohl doch zu erwarten gewesen!? The BellRays, einst eine 100% Garantie für exzellente Konzerte, sind nach diesem enorm schwachen Auftritt für mich eine Band, die ihren Zenit deutlich überschritten hat. Von der einstigen Kreativität und Spielfreude ist wenig übrig, Lautstärke und handwerkliche Kompetenz können das nicht ersetzen. Wer’s nicht glauben will, kann sich die neue EP „Covers“ anhören. Darauf sind 6 Versionen von Rock-Klassikern in Proberaum-Versionen enthalten, die ebenso überflüssig sind, wie es dieses Konzert war. Schade, wirklich schade!
Hallo,
habe das Konzert leider verpasst, welche Konzerte und Gigs sind die nächsten in Stuttgart, die man auf keinen Fall verpassen sollte?
LG Helene