FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

In Stuttgart kennen wir es ja schon: mit schöner Regelmäßigkeit produzieren die lokalen Krachmacher-Bands fantastische Alben, die dann sogar in den so genannten Popkultur-Hochburgen an Spree, Elbe und Rhein abgefeiert werden. Natürlich nie ohne den obligatorischen Hinweis darauf, wie erstaunlich es doch sei, dass solch wütende Musik ausgerechnet aus dem spießigen Stuttgart kommt (gähn!). Doch anderen geht es genau so: Als Friends of Gas letztes Jahr ihr Debüt „Fatal schwach“ herausbrachten, war es nicht nur die unfassbare Intensität dieses Album, die die Kritiker schwärmen ließ, es war vor allem das Erstaunen über dessen Herkunft. Wie kann es nur sein, dass ein solches Monstrum ausgerechnet aus dem beschaulichen München kommt?

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

„An artist’s duty is to reflect the times“ soll Nina Simone mal gesagt haben. Und dieses Reflektieren scheint offensichtlich in Städten, in denen Wohlstand und Saturiertheit vorherrschen, besonders gut zu gelingen. Dass das Album von Max Rieger aufgenommen und produziert und von Ralv Milberg gemastert wurde, stellt nicht nur hier eine schöne räumliche Verbindung zwischen den beiden süddeutschen Metropolen her, es erklärt auch, warum es sich soundmäßig so wunderbar bei Nerven & Co einreiht.

Soviel also dazu. Wesentlich spannender für uns ist jedoch, dass den fünf Musikern und Musikerinnen der Ruf furioser Live-Auftritte vorauseilt. Und ob sich die Intensität eines schwitzig-intensiven Club-Gigs auch auf die große Bühne und die perfekten, aber auch etwas kühlen Bedingungen der Schorndorfer Manufaktur übertragen lässt. Um die hundert Besucher wollen das wissen. Nach einem kurzen Warmup von Nerven-Bassist Julian Knoth mit seinem Ein-Mann-Projekt Peter Muffin entern Friends of Gas die Bühne.

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Rein optisch ist der Auftritt von Friends of Gas mit „unprätentiös“ noch wohlwollend umschrieben. Unter statischem Bühnenlicht findet sich kein Hinweis darauf, dass die Band sich für Ihre Auftritte irgendwie in Schale wirft. Mit Martin Tagar am Bass, dem Drummer Erol Didar und Thomas Westner an der Gitarre wird die Bühne von drei massigen Mannsbildern dominiert, Sängerin Nina Walser richtet kaum ein Wort ans Publikum und Veronica Burnuthian hat ihre Gitarre ganz nerdig knapp unterm Kinn platziert.

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Musikalisch ist Friends of Gas allerdings alles andere als unspektakulär. Was in elf Songs über das Publikum herfällt, ist mal bedrückend und klaustrophobisch, mal treibend und mitreißend. Wichtigstes Merkmal: Nina Walsers Gesang, geradezu schmerzhaft reibend und gepresst, irgendwo zwischen endzeitlich lakonisch und manisch. Einem Gesangslehrer dürfte der Vortrag die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Die Rhythmusgruppe ist mächtig. Der Peter-Hook’sche Bass in Kombination mit dem knochentrockenen Schlagzeug bestimmt die düstere Atmosphäre der Songs. Wenn sie sich in Titeln wie „Kollektives Träumen“ in einen Wahn unendlicher Wiederholung reinspielen, leisten Tagar und Didar körperlich spürbare Schwerarbeit. Und der in den frühen 1980ern musikalisch geprägte Gig-Blogger erfreut sich an den Reminiszenzen und am Sound seiner Jugend. (Der damals vermutlich nie so gut geklungen hat)

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Noch heftiger geht Thomas Westner zu Werke. Schon nach zwei Titeln hat er den ersten Gitarrengurt zerstört, spielt das Instrument auch mal knieend oder sitzend, wenn er nicht gerade über die Bühne tobt und bis zur totalen Erschöpfung durch die messerscharfen Riffs wütet. Das Ganze ergänzt und kontrastiert mit präzis gesetzten Akzenten von Burnuthians zweiter Gitarre.

Wäre der Livesound von Ralv Milberg gemischt worden, wäre man vermutlich auch lautstärkemäßig an (oder über) die Schmerzgrenze gegangen. Löblicherweise hat der anwesende Mischer hier aber die Regler zugunsten eines wunderbar transparenten und räumlichen Klangs heruntergezogen, so dass der fürsorglich mitgebrachte Gehörschutz wieder eingepackt werden kann. Mit einer opulenten Version von „Teeth“ endet ein fantastisches Set. Und auch hier machen Friends of Gas alles richtig: ein perfektes Konzert braucht keine Zugabe.

FRIENDS OF GAS, 24.02.2017, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Setlist

Saurer Schnee
Template
La Palma
Ewiges Haus
Einknick
Hinter uns
Kollektives Träumen
Abwasser
Zusammenfallen
Graue Luft
Teeth

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.