MESHUGGAH, HIGH ON FIRE, 26.11.2016, LKA, Stuttgart
Winterzeit – Tourzeit. Heute fallen die Nordmänner von Meshuggah bei uns ein, um unsere Frauen und Taler zu rauben, und uns mit ihrem sogenannten Progressive-Metal zu beeindrucken. Ich kenne die Band schon seit vielen Jahren. Irgendwann mal angehört, und beschlossen: Meshuggah, das ist nichts für mich. Ein weißes Blatt also, ich kenne nicht einen Titel. Zur Vorbereitung auf die Show das aktuelle Album „The Violent Sleep Of Reason“ angehört, und festgestellt, dass sich manche Dinge nie ändern – immer noch nicht meine „Tasse Tee“. Überrascht war ich sogar von der Tatsache, dass die Band nicht erst seit dem aktuellen Album beim derzeit mächtigsten Metal-Label der Welt „Nuclear Blast“ gelandet ist, sondern dort in schöner Regelmäßigkeit seit 1991 veröffentlicht. Meshuggah sind also nicht nur schwedisch, sondern mittlerweile auch schwäbisch – das bleibt nicht aus nach so vielen Jahren. Die Anhänger von High On Fire (HOF) und Meshuggah lassen sich ganz gut unterscheiden – sogar von hinten. Wir testen das, bereits das erste Grüppchen outet sich offen als Meshuggah-Fans.
Schlag 21:30 Uhr geht es los, die Bühne ist deutlich größer als bei der Vorband – zu der später mehr. Der Platz wird auch benötigt, denn als Quintett braucht man naturgemäß mehr Platz als das Trio HOF. Die Bühne ist großzügig mit dem Artwork des aktuellen Albums dekoriert; hat mich bei HOF etwas gestört, dass deren Schriftzug noch während sie spielten bereits links und rechts von Meshuggah-Deko beschnitten wurde. Die Band bringt mich auch live nicht zum Kurswechsel. Passiert ja manchmal, dass das Album nicht zündet, aber man live mitgerissen wird, hier und heute nicht. Zugegeben – grooven und knallen tut das Ganze ganz ordentlich, und es passieren kompliziert klingende Sachen mit Schlagzeug und Bass, und am Sound, der im Vergleich zu HOF deutlich aufgedreht ist, gibt es nichts zu motzen. Der Gesang, der Gesangsstil gefällt mir nicht. Der ganze Gestus der Band wirkt abgedroschen klischeehaft und lahm. Nichts gegen Klischees solange es gut aussieht – was es hier nicht tut. Nach HOF habe ich es nicht mehr nach vorne geschafft. Es muss aber schon was los sein, denn ein brandenburgisch klingender, abgekämpfter Metaller empfiehlt mir: „Wenn de wat erleben willst, dann jeh in dat Moshpit da vorne“.
Abschließend gilt es noch zu erwähnen, dass sogar noch Laser zum Einsatz kommen, diese aber, genau wie ein offenbarer Crowd-Pleaser namens „Bleed“, mich und einen Haufen anderer HOF-Anhänger nicht überzeugen können.
HOF waren zuletzt und zum ersten Mal 2014 in Stuttgart und zwar im Keller Klub. Locker unter meinen Top 5 Metal-Konzerten. Ich konnte es damals kaum glauben, dass eine so hochkarätige Band im relativ kleinen KK spielt. Hat dann aber schon gepasst, weil höchstens 50 Zahlende am Start waren. Ungünstige Umstände damals – Festivalzeit, Ferienzeit, zeitgleich hat noch eine andere Metal-Band in Stuttgart gespielt, aber trotzdem, ein großartiges Konzert. Ins LKA gehört die Band eigentlich, und zwar ins Knallvolle. Heute leider, wie gesagt, nicht der Fall, und dann auch „nur“ Support, mit 45-60 Minuten Spielzeit. HOF werden gerne beschrieben, als hätten Slayer und Motörhead zusammen eine Platte aufgenommen. Auf diesem Niveau sehe ich sie als langjähriger Fan auch, nur leider wird das wahrscheinlich nichts mehr werden. Schon beim Debüt „The Art Of Self Defense“ (1999) ging es in die Hose, da das damals coolste Label auf Erden „Man’s Ruin“ kurz danach in die Binsen ging, und es keinen Vertrieb mehr gab. Seither ist die Band immer bei kleineren Labels geblieben, und mit dem Management der vergangenen Jahre soll es auch nicht immer top gelaufen sein. Ich kann sämtliche Alben nur empfehlen – wer auf rohen Metal steht, der braucht nicht nur die alten Slayer-Alben zum 1000sten Mal anhören – man nehme HOF, eine Band die heute immer noch Top-Platten veröffentlicht. Ich mag besonders „The Art Of Self Defense“, über das die Band in einem „Classics“ Review/Interview gesagt hat – „We did our best to like – slay“ – was gelungen ist.
Unverändertes Personal: Matt Pike – Gesang und Gitarre, Des Kensel – Schlagzeug, Jeff Matz – Bass. Besonders Matt Pike gilt es hervorzuheben. Zuvor in SLEEP – wer die nicht kennt, und deren legendäres Magnum Opus „Dopesmoker“ – ganz schnell nachholen, ich behalte das Defizit auch für mich – gilt er als ein ganz großer an der Gitarre. Vom ebenfalls schwer zu empfehlenden US-Künstler Skinner gab es eine Serie von Gitarrengöttern, auf der neben Hendrix und Iommi auch Pike dargestellt war. Unser Michael „Sad Sir“ Setzer hat mir bestätigt, dass es wirklich hochkompliziert ist was, Matt Pike abliefert.
Ich war wieder echt gespannt, was er (Pike) wohl heute für ein T-Shirt tragen wird. Das war jetzt ein Insider-Witz, denn er trägt auf der Bühne NIE T-Shirts. Ein echtes Original mit bescheuerten Tattoos und Bärten, und Zähnen, die jeden berufserfahrenen Pferde-Dentisten vor Herausforderungen stellen würde. Es gibt ja ganz klar einen Zusammenhang zwischen der Qualität von Rock-Alben und den Zähnen der Gitarristen/Bassisten. Siehe Keith Richards, siehe Lemmy. Spätestens wenn einen das „Klavier“ (Ludensprech für Gebiss) blendet, ist es vorbei mit den guten Alben. Den Lifestyle der diese möglich gemacht hat, ist passé. Seine Les Paul findet auf dem Kessel wieder sicheren Halt für irrwitzige Gitarren-Aktion – alles ist gut. Fast alles. Das Set enttäuscht mich von der Auswahl der Lieder her. Kein „Fury Whip“? Allein damit könnten Sie ein ganzes Festival erobern, Wacken in Grund und Boden rammen, jede nachfolgende Band killen. Kein „Bagdahd“, kein „Devilution“? Was ist da los? Ich erkenne relativ wenig Lieder, „Fertile Green“ ist sicher dabei, großer relativ neuer Hit, mittelstarkes Material wie „The Falconist“. „Snakes For The Divine“ ist dann noch relativ stark. Man kann echt staunen, was der da mit seinen Händen an der Gitarre macht, einhändiges Spielen und so. Ich bekomme nach der Show noch Gelegenheit mit dem Basser zu sprechen, und natürlich muss die Frage nach dem Set kommen. Kann er sogar verstehen. Die Erklärung: Immer noch relativ neue Platte „Luminiferous“ (2015) draussen, von der was kommen muss, dann sind viele Lieder über 6 Minuten lang, hinzu kommt der Zeitdruck als Vorband, und schon hat man den Salat. Er bietet aber schon eine Lösung an – Keller Klub war zu klein, heute LKA zu groß und mit ungünstigen Umständen behaftet, nächstes Mal komme man ins Uni – dann sollte es passen. Ich hätte nichts Besseres vorschlagen können.
Hallo Steffen, Deine Fotos vom Meshuggah-Konzert sind phänomenal – Respekt!